Die erste Zwischenbilanz des Grauen Waranes \xFCber den Galgenstrick

 

\xA9 by F. M. Hummel gerade noch 2003 www.8ung.at/galgenstrick biosynthg08@gmx.net

 

Der d\xFCstere Saal ma\xDF etwa acht Meter in der Breite und zwanzig in der L\xE4nge. Die W\xE4nde bestanden aus Metall, welches seine besten Tage bereits lange hinter sich hatte. Alle paar Meter schob sich daraus eine Platte, wie eine zweidimensionale S\xE4ule, vom Boden empor und vereinte sich mit seinem Gegenst\xFCck auf der gegen\xFCberliegenden Wandseite in acht Metern H\xF6he zu einem scharf geschnittenen gotischen Spitzbogen. Von dort Oben mochte noch bis vor einiger Zeit stetig etwas Wasser hinuntergelaufen sein, die breiten, r\xF6tlichen Roststreifen an den Stahlw\xE4nden und die braunen, feuchten Flecken auf dem verf\xE4rbten Marmorboden zeugten davon. Fensternischen waren zwar in das Metall geschnitten, doch boten sie nur einen Blick auf eine weitere, direkt dahinter angeschwei\xDFte Schicht dicken, alten Bleches. Auch w\xE4ren sie nicht n\xF6tig gewesen, schlie\xDFlich schien alles in dieser R\xE4umlichkeit ein dampfiges, d\xFCster rotes, Licht auszustrahlen, obwohl \x84ausscheiden“ wahrscheinlich ein besserer Ausdruck gewesen w\xE4re.

Betreten konnte man diesen Saal nur durch ein schweres Tor aus schwarzer Buche, welches mit grotesken Beschl\xE4gen aus verwittertem, aber noch stabilen Eisen zusammengehalten wurde. Am anderen Ende der Halle stand auf einem niedrigen Podest, das \xFCber drei flache Stufen zug\xE4nglich war, ein steil aufragender Thron aus grauem Stein. Er war recht schlicht gehalten, nur die Armlehnen und der oberste Teil des R\xFCckens war mit verschlungenen Dornenranken geschm\xFCckt. Auf der obersten Spitze sa\xDFen, dicht nebeneinander, eine Hy\xE4ne, eine Echse und eine Ratte aus Obsidian, die auf den, der unter ihnen thronte mahnend hinabblickten und ihn kleiner erscheinen lie\xDFen. Doch noch war dieser seltsame Stuhl leer.

Schwere Schritte von baren F\xFC\xDFen drangen von au\xDFen durch das Portal, dann w\xFCrde der Riegel zur\xFCckgeschoben und der Graue Waran trat ein. Er war sehr hager, hochaufgeschossen –es mochten wohl etwas weniger als zwei Meter sein- und, wie sein Name schon sagte, von sehr fahler Farbe. Nur das durchdringende Blau seiner Augen und die schwarzen Streifen in den Schuppenk\xE4mmen dar\xFCber unterbrachen die Einheit, denn selbst seine schwere Kutte hatte die Farbe des Staubes. Er streckte seine knochige Rechte aus und lie\xDF die T\xFCr hinter sich ins Schloss fallen. Keine Mine spielte \xFCber seine lange Schnauze, als er mit weiten Schritten an den Thron trat, auf welchem er langsam schnaufend Platz nahm. Man konnte sofort erkennen, dass ihm dieser Platz sowohl wegen der harten Sitzfl\xE4che und des fehlenden Platzes f\xFCr seinen Schwanz als auch wegen der zwangsl\xE4ufigen Aufmerksamkeit, die er dort genoss, unangenehm war.

Mit einem \xC4chzen beugte er sich nach vorne, st\xFCtzte seinen Ellenbogen auf die Armlehne und lie\xDF seinen Kopf auf der Hand nieder.

Dann seufzte der Waran.

\x84Ich kann mir, so denke ich, jede Begr\xFC\xDFung sparen, denn ich kann sie sowieso nicht sehen und wei\xDF nicht, ob sie mich in einer angemessenen Form erkennen k\xF6nnen. Trotzdem spreche ich zu ihnen, vermutlich in Zukunft regelm\xE4\xDFig. Doch lassen wir dies erst einmal

Wie weit ist es schon gegangen? Wie weit hat sich Professor Abel Russells \xDCbel schon in die S\xE4ulen, die die Welt st\xFCtzen gefressen?“, begann er mit einer tiefen, leisen und traurigen Stimme zu sprechen. \x84Was hatte –oder hat, wer wei\xDF schon, ob er noch lebt, oder je lebte- er nur gegen das urspr\xFCngliche Leben auf seiner wohl schrecklichen, aber auch interessanten Welt. Nun, nun, ich kann es nicht sagen, denn ich bin nicht der einzige, der wei\xDF was ich wei\xDF. Sagen wir ich muss mich noch vor meiner Selbst –und derer sind viele- in acht nehmen.

Wie weit wird Russells Pest, oder SCPM wie die es nennen, noch gehen? Ich kann nicht ausschlie\xDFen, dass es aussterben wird, doch macht sie mir Freude, kann ich sagen. Schlie\xDFlich, was haben sie am Leben? Dreck, Dreck und Ungeziefer, Schleim!“ Er wurde lauter und richtete sich auf. \x84Alles in ihrem Midgard geht doch zu Grunde, verwittert oder wird korrumpiert. Ich kann ihnen auch sagen warum: Sie lassen sich zu sehr gehen, sie lassen sich selbst und anderen zu viel durchgehen, sie sind faul, m\xFC\xDFig. Denken sie nachWenn sie ihre Selbstkontrolle ein wenig strikter halten, dann kann ihnen wenig passieren. Wie viele Laster ihrer Welt k\xF6nnten sie so auf ewig los werden? Oh nein! Ich werde keines davon nennen, sie sollten Phantasie genug haben um zu wissen, wo man sich selbst sperren kann. Dazu ist im Grunde nur ein kleines, sehr geniales geistiges Werkzeug n\xF6tig, welches George Orwell in seinem Roman \x841984“ erfunden hat, den Delstop. Denken sie dar\xFCber nach.“, sagte der Graue Waren eindringlich und lie\xDF sich schlie\xDFlich, nachdem sich seine Erregung wieder gelegt hatte, zur\xFCck auf die Lehne sinken.

\x84Bitte, sie k\xF6nnen mich ja nicht unterbrechen, wenn ich abschweife, denn ich kann sie nicht h\xF6ren, aber, h\xF6ren sie mir in diesem Fall einfach nicht mehr zu und warten sie ab.“, murmelte er, vielleicht sogar ein wenig betreten. \x84Kommen wir zur\xFCck zu diesem Galgenstrick, der sich um diese Welt gelegt hat. Noch ist die Seuche keine Seuche, sondern nur eine unbedeutende, wenn auch nie da gewesene Krankheit. Warum wurde sie \xFCberhaupt entwickelt, denn schlie\xDFlich ist es ja unm\xF6glich, dass Abel sie ganz alleine und auf die Schnelle aus dem Hut gezaubert hat, oder dass sie aus irgendeiner H\xF6llenspalte gekrochen ist? Fest steht, das haben sie sicher schon mitbekommen, dass gro\xDFe Konzerne, nicht un\xE4hnlich anderen Molochen in ihrer Welt, bis zum Hals in dieser Sache stecken. Auch dieser Reporter Michael Schleifer hat dies schon mitbekommen und seine Schl\xFCsse daraus gezogen. Seltsam, dass er nicht erfahren hat, wo Russell gearbeitet hat.

Aber nicht wieder abschweifen, denn hier sind wir bei der Sache: Was halten sie eigentlich von Schleifer? Ich f\xFCr meinen Teil kann diesen Kerl nicht besonders gut leiden. Mag daran liegen, dass er von der Presse ist, mag aber auch an seiner \xDCberheblichkeit liegen. Na ja, der Mann ist nicht dumm, er hat mehr in Erfahrung gebracht als viele andere. Zweifellos wird er irgendjemanden sehr n\xFCtzlich sein. Und schlie\xDFlich ist es wohl kaum meine Sache \xFCber Richtig und Falsch zu richten. Ich glaube sowieso nicht an Gut und B\xF6se. Einer der vielen Vorteile des Atheismus.“

Er lehnte sich ein wenig zur\xFCck um eine bequemere Sitzposition zu finden, was ziemlich hoffnungslos aussah. \x84Schei\xDFe, wenn ich diesen Architekten in die Finger bekomme. Das n\xE4chste Mal bring’ ich mir ein Kissen mit. Au\xDFerdem hab ich Durst.“

Der Waran hielt inne und leckte sich mit seiner schmalen, schwarzen Zunge \xFCber ein Nasenloch, bevor er fort fuhr: \x84Was denken sie, was aus den Leuten wird, die in Bitterwasser sitzen? Nun, sie w\xFCrden sicher nicht dort sein wenn sie unwichtig w\xE4ren, au\xDFerdem war Anna einmal so ein h\xFCbsches M\xE4dchen. Vielleicht hilft ihr ja Schleifer. Hm, manchmal m\xF6chte ich gern selber da hin, also nicht nach Bitterwasser, sondern allgemein in die Welt. Aber erstens muss ich ja hier auf dieser verflixten Schinder von einem Thron sitzen und ihnen etwas erz\xE4hlen, was sie nicht wissen wollen und zweitens w\xFCrde ich dort wohl ein kleines Bisschen auffallen. Schade drum, aber so hat jeder seine Sorgen.

Ich hoffe, dass wir alle bald ein klein wenig mehr Chaos zu sehen bekommen, wof\xFCr die Kinder der Hy\xE4ne zust\xE4ndig sind. Sch\xF6ne kleine Terrororganisation, oder? Eigentlich nur ein Wolf unter W\xF6lfen, wie man so sch\xF6n sagt. Auch wenn Hy\xE4nen angemessener w\xE4ren.“

Mit einem langgezogenen G\xE4hnen riss der Graue Waran sein Maul auf. \x84Ein sch\xF6nes Chaos, das ist das wichtigste \xFCberhaupt. Chaos und Selbstkontrolle, dann kann man sich nichts vorwerfen. Wenn sie die Welt schon so weit beobachtet haben, dann tun sie dies am besten auch in Zukunft weiter, denn noch ist noch nicht viel geschehen. Sogar sie k\xF6nnen etwas geschehen lassen.“ Er st\xFCtzte beide Arme auf die lehnen und erhob sich mit einem gequ\xE4lten \xC4chzen. \x84Ich brauche jetzt erst mal einen starken Kaffee.“, sagte er.

Leicht hinkend schritt das Wesen zu der m\xE4chtigen Fl\xFCgelt\xFCr und schickte sich an sie zu \xF6ffnen.

Als er gerade im Gang dahinter verschwinden wollte hielt er noch einmal inne. \x84Ich werde einmal sehen, ob wir dies das n\xE4chste Mal weniger offiziell, also in einem anderen Raum machen k\xF6nnen.“, brummte er.

Damit fiel die T\xFCr donnernd zu.