This is a short story about a bicycle tour of a badger called Martin. He wanted to give a mail to his ex-mate, who lives in another district of the town. They haven't seen each other for days, that's why he made this tour. His ex-mate is now together with a girl, and Martin - now very lonely - is very sad about all this. It is the original version in German.

Die folgende Erzählung beruht auf einem tatsächlichen Erlebnis. Zum Schutz realer Personen habe ich einige Namen und Orte geändert. Der Dachs Martin entspricht dabei meiner Person. Mögen alle Dinge gut werden...

Martin der Dachs © Robert Korschofski


DIE RADTOUR


Hallo! Hier schreibt Martin, ein derzeit ziemlich einsamer Dachs (seufz), der eben völlig erschöpft aber gut trainiert von einer großen und relativ spontanen Radtour zurück kommt, die mich sehr bewegte und von der ich erzählen möchte. Es ist Donnerstag, der 12. Mai 2005 um 0:45 am frühsten Morgen, und wenn ich fertig bin, gönne ich mir eine wohltuende Dusche.

Die Vorgeschichte zur Tour ist natürlich, daß mein ehemaliger Lebenspartner, der Hase Apollo, den ich noch immer sehr lieb habe, sich momentan um das schöne, aber für mich rätselhafte Mädchen Janette kümmert. Keine Einzelheiten jetzt, es schmerzt mich zu sehr, und ich vermisse Apollo sehr, denn er ist etwas ganz Besonderes.

Wie auch immer, gestern - also am Mittwoch - ging es mir leider sehr schlecht. Immerzu dachte ich an den Hasen, den ich nun schon mehrere Tage nicht gesehen habe und der heute auch telefonisch nicht erreichbar war. Zu oft mag ich es nicht versuchen, ihn anzurufen, denn ich habe Angst, ihn in bestimmten Situationen zu belästigen und auf mich wütend zu machen. Dabei fehlt mir seine Stimme, oh ja.

Ich versuchte mich abzulenken, scannte wie wild von mir gezeichnete Furry-Bilder, Fotos und Postkarten. Dennoch übermannten mich die Gefühle und die Einsamkeit und ich weinte wieder sehr oft. Ich möchte Apollo nicht verlieren und ihm gerne aus etlichen seiner Probleme helfen. Ich hatte eigentlich eine Art Comic für ihn geplant, doch aus Zeitgründen und weil ich wieder kreative Blockaden hatte, packte ich es noch nicht. Irgendwann um 18 Uhr herum war mir klar, daß ich mich noch einmal auf das Fahrrad schwingen werde. Eigentlich Wahnsinn, denn ich habe noch mit den Touren der letzten Tage zu kämpfen - ich bin große Strecken nicht mehr gewohnt, Oberschenkel und Pfotengelenke schmerzen. Dennoch, ich mußte raus, raus aus der Wohnung, wo mir die Decke auf den Kopf fällt, wo ich andauernd weine, ich mußte mich bewegen, vorwärts, bloß vorwärts...

Also schrieb ich einen kleinen Brief und legte eine Diskette dazu, auf der unter anderem einige gescannte Zeichnungen von mir gespeichert wurden. Um etwa 20:30 Uhr hatte ich meine dicke Jacke an (es wurde Kälte vorhergesagt) und ich war bereit, mein schwarzes Fahrrad aus dem Keller zu holen.

Allerdings fuhr ich einen kleinen Umweg über das Südstadtviertel, eine gewaltige Trabantenstadt, durch bestimmte Straßen und Wege, um schließlich zur Berliner Allee zu gelangen. Am Himmel brodelte sich etwas zusammen, das ich aufmerksam beobachtete: Eine dichte Wolkendecke, die scheinbar über der Stadt hing und sich in keine Richtung zu bewegen schien. "Regen hin oder her", dachte ich, "ich wage es."

Ich fuhr die Berliner Allee hinunter, schön geradeaus und bergab, bis zum Bezirk Greifswald. Als ich den Kettlower Kanal überquerte, spürte ich die ersten Tropfen. Kurz darauf regnete es, aber ich ließ mich nicht entmutigen. Obwohl ich sehr naß wurde, war ich relativ gut drauf. Meine am Anfang verkrampften Beine fühlten sich nun besser an, als ich zuerst dachte, und im Kopf war ich wieder voller Hoffnungen, Apollo wieder zu gewinnen - und Janette dazu? Ich mag beide sehr und wünsche mir auf den Radtouren immer wieder, daß wir eines Tages zusammen finden werden.

Der Regen hielt nicht lange an und ich steuerte auf die Hirschheide zu. Im Dunkeln war es ein seltsames, aber auch wunderbares Erlebnis, durch diesen bewaldeten Park zu fahren. Sogar ein rennendes Langohr ist mir begegnet, aber zu meiner Schande muß ich zugeben, daß ich nicht erkennen konnte, ob es sich um einen kleinen Hasen oder ein dickes Kaninchen handelte. Ich tippe allerdings auf den Hasen.

Am S-Bahnhof Hirschheide bemerkte ich Gegenwind und plante, die Fahrradstraße zu nutzen und nicht die Hauptstraße, die später zum Neustädter Damm wird. Aber in der Dunkelheit verfuhr ich mich kurz und landete zuerst nicht auf der Fahrradstraße, sondern weiter westlich in einem Kleinstraßengebiet, wo die Straßen nur aus dunkler, schmutziger Erde bestanden, die nach dem Regen feucht war. Wer mich nun näher kennt, weiß was mir sofort durch den Kopf ging! Hihihi...

Auf der Fahrradstraße war es ruhig und angenehm zu fahren, insbesondere hinter dem S-Bahnhof Chowinger Straße, wo es streckenweise leicht bergab ging. Derweil sponnen sich in meinem Kopf die schönsten Abenteuer mit Apollo und Janette zusammen. Es wäre wundervoll, wenn mich beide integrieren und liebhaben würden. Naja, Apollo hat mich irgendwo noch sehr lieb, das weiß ich, aber alles wäre vielleicht ausgeglichener, wenn wir wirklich zu dritt wären. Kein Streit mehr, eine völlig neue Basis für ein neues Leben aller, und ich denke, weder Janette noch Apollo wären damit unglücklich. Und ich wäre endlich wieder nicht mehr einsam... würde endlich wieder in der Nähe dieses fantastischen Hasen sein, der meine Einsamkeit durch seine bloße Anwesenheit in nichts auflöst...

Schon bald kam ich in Neustadt an. Ich war ein wenig erschöpft, fühlte mich aber körperlich relativ fit. Der alte Dachs ändert sich tatsächlich - was ich Apollo bereits versprach - und allein dieses Radfahren ändert mich, von der Kondition her wie auch seelisch.

Als ich mich dem Plattenbau näherte, in dem Apollo wohnt, gerieten meine Gefühle ein wenig aus den Fugen. Ich vermisse sogar diese Gegend! Ich meinte, Apollo zu spüren, ich wußte, daß er da sein wird. Und ja, in seinem Wohnzimmer brannte ein gedämpftes Licht. Die Vorhänge waren leicht geöffnet, man konnte hineinsehen. Grübelnd blickte ich auf die Uhr. Es war nun 22:45 Uhr. "Wahrscheinlich werden sie kuscheln oder..."

Tja, und da war es wieder. Ich stand hier einsam auf der Straße und war verzweifelt, und Apollo oben war nicht einsam und ihm ging es sehr gut. Natürlich gönne ich ihm das, keine Frage, ich wäre ein Arschloch wenn nicht. Dann würde ich ihn sicher auch nicht lieben. Aber es ist hart, so hart, wenn man derjenige ist, der möglicherweise am Schluß komplett auf der Strecke bleiben wird. Das ist sehr übel. Und ich habe eine große Angst davor, denn Apollo ist mir sehr viel wert, unersetzbar - ich spüre noch immer ein Band zwischen uns, das kaum zu beschreiben ist. Irgendwie passen wir zueinander, und falls wir wieder zusammen kommen werden... es wird nie wieder so sein wie früher. Was ich meine ist, daß bestimmte Fehler nie wieder passieren werden. Alles würde besser werden, ich weiß das irgendwie.

Natürlich juckte es mich, zu klingeln. Verdammte Einsamkeit! Ich wollte dabei sein. Apollo und Janette sehen. Aber selbstverständlich gehörte sich das nicht, einfach zu klingeln oder gar mit seinem Schlüssel reinzuplatzen, und außerdem versprach ich Apollo vor einigen Tagen, daß ich das nicht tun werde. Mit trockener Kehle radelte ich um das Haus, um den Brief einzuwerfen. Langsam mußte ich mich wieder auf den Rückweg machen. Aber als ich Neustadt den Rücken zukehrte und zurück sah, da wünschte ich mir, beide würden raussehen, das Fenster öffnen und mich reinbeten. Es wäre wunderschön... Apollo ahnt nicht, wie mir tagein, tagaus zumute ist. Ich wünsche ihm nicht, das jemals durchzumachen...

Ein letztes Mal sah ich zum Plattenbauhochhaus und ich mußte eine Träne unterdrücken. Dann fuhr ich los, diesmal komplett den Neustädter Damm runter. Doch dieser Teil der Fahrt war natürlich der schwerste Teil - nicht, weil sich Apollo und Janette vergnügten. Sicher bin ich etwas eifersüchtig, und ich würde lügen, wenn ich behaupte, Janette nicht attraktiv zu finden. Aber sollen sich doch beide austoben. Es war deswegen schwer, weil ich Apollo inzwischen so oft weder sah noch hörte. Weil ich nachts den fluffigen Hasen neben mir im Bett vermisse. Viele Leute sagten mir, wenn jemand verliebt ist, kann es passieren, daß man denjenigen wochenlang nicht zu Gesicht bekommt. Von Zuverlässigkeit ganz zu schweigen. Das könne mitunter sehr weh tun. Und genau das erfahre ich ja derzeit, und ich versuchte mir klar zu werden, daß ich Geduld haben und Apollo Zeit lassen muß, während ich in die Pedale trat.

Erst nach einigen Kilometern ging es mir besser, und noch immer kam ich mir ganz fit vor. Lediglich am S-Bahnhof Hirschheide, wo es in dieser Richtung bergauf geht, hatte ich einige Probleme. Die Hirschheide selbst war nachts wieder ein Erlebnis für sich. Inzwischen hatten sich die Wolken verzogen, klare Sterne und eine schmale Mondsichel säumten den Himmel. Wunderschön, kann ich nur sagen.

Mein Magen meldete sich. Am S-Bahnhof Michaelisplatz holte ich mir einen Döner und eine Cola. Der Verkäufer guckte ein wenig komisch - ich hatte vor der Fahrt mein Halsband angezogen. Das hatte übrigens einen Vorteil, denn obwohl diese Nacht so kalt war, bekam ich keinen kalten Hals! Übrigens habe ich von der bisherigen Rückfahrt weniger erzählt als von der Hinfahrt. Das liegt daran, daß diese wie im Flug verging: Als ich den Döner aß, sah ich auf die Uhr und war erstaunt, daß ich von Neustadt bis zum S-Bahnhof Michaelisplatz nur etwas mehr als eine Stunde gebraucht hatte.

Nach dem leckeren Döner ging's an die restliche Fahrt, diesmal den alten Flugplatz entlang, wo es jetzt fast durchgehend einen Radweg gibt, und dann über die Messingbrücke. Willkommen zurück in meinem Bezirk! Diesmal ging mir wieder mehr durch den Kopf, zum Glück aber waren es wieder positive Gedanken. Ich hoffe innigst, daß ein Teil davon wahr werden wird.

Im Keller sah ich mir mein stolzes Fahrrad genau an. Da stand es, schwarz wie die Nacht, ein wenig verdreckt, und in nur eineinhalb Wochen hat es sicher mehr als 150 Kilometer hinter sich gebracht - und das von einem Fahrer, der seit etwa 8 Jahren nicht mehr Rad gefahren ist! Ich muß wirklich aufpassen, mich nicht zu übernehmen. Vielleicht... eines Tages... radeln Apollo, Janette und ich zusammen, und unterwegs scherzen wir über diese Wochen, in der Janette mich ablehnte und ich vereinsamt keinen Ausweg sah. Der für mich im Moment schlimmste Augenblick meines Lebens. Ich sehne mich nach dem Ende dieser Tortur...

Ich werde jetzt duschen und bald zu Bett gehen. Vermutlich werde ich wieder von Apollo und Janette träumen - doch viele dieser Träume sind schöne Träume, in denen wir uns verstehen. Morgen werde ich die Träume und Vorstellungen als Comic wiedergeben. Hoffnung stirbt zuletzt...

Ich liebe Dich, Apollo.



© Robert Korschofski, Mai 2005