"Das Zweite Buch der Welten - Ein neues Leben" von Jaquimo Talaan
letzte Änderung: 27.12.2002 (kleine sprachliche \xC4nderungen)

Warnung: Diese Geschichte ist auf Grund sexuellen Inhalts erst f\xFCr Leser ab 18 Jahren geeignet.

"Das Zweite Buch der Welten" and contained characters \xA9 2001-2003 by Christoph G\xFCnther.
Verwendung, \xC4nderung und kommerzieller Vertrieb nur mit meinem persönlichem Einverständnis. Dies gilt explizit (aber nicht nur) für die Charaktere Jaquimo Talaan, Ginuthal, Kirra, Jairree und Loma, an denen mein Herz hängt.

Ich habe eine Menge Arbeit in die Geschichte(n) gesteckt, auch wenn es mir Spaß gemacht hat. Wenn Du Zeit und Lust hast, schreib mir eine Email, ob Du die Geschichte mochtest oder nicht. Ich bin für jegliche ernstgemeinte Form von Kritik und/oder Lobeshymnen ;) zu haben.
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Und jetzt viel Spaß mit dem zweiten Teil.

Ein neues Leben

Kirra erklomm den Stamm des Baumes und schüttelte immer noch ungläubig den Kopf. Die letzten Tage waren auch zu seltsam gewesen.
   Diese Stadt gefiel ihr nicht. Sie kannte niemanden hier, außer Talaan vielleicht, aber an den war ja kein Herankommen gewesen. Ständig war er mit irgend etwas beschäftigt. Außerdem war die Stadt viel größer als ihre Heimat und wirkte wenig einladend auf sie. Natürlich waren die MaKri wie überall freundlich und entgegenkommend, aber es waren eben doch Fremde, die sich um einen weiteren Schaulustigen kümmerten. All die vielen MaKri, die hergekommen waren, um den Maigan zu sehen, verbreiteten ein Gefühl von Unstetigkeit und Unruhe.
   Und dann war plötzlich die Vertreterin der Frauen bei ihr erschienen, hatte mit ihr unter vier Augen gesprochen und nach kurzer Zeit dieses verrückte Angebot gemacht. Deswegen kletterte sie jetzt auf einem Baum herum, weil sie auf der Suche nach Talaan war.
   So lautlos wie möglich bahnte sie sich einen Weg um die Äste und Zweige herum und gelangte schließlich zur Baumkrone. Ausgestreckt auf einem Ast liegend fand sie ihn endlich. Er schien zu schlafen.
   Das war schon eigenartig. Wer schlief schon auf einem Baum, wenn er ein Haus hatte? Zögernd betrachtete sie ihn. Sein Gesicht sah so friedlich aus, ganz anders als in dem Moment, als sie von diesem Maresh in die Stadt gebracht worden waren.
   "Störe ich?", fragte sie leise.
   Talaans Augen öffneten sich einen Spalt breit und seine Pupillen richteten sich auf sie. "Kommt darauf an. Freund oder Feind?", murmelte er. Dann streckte er sich wohlig, als währe ihm die Antwort egal.
   Was sollte diese Frage? Er kannte sie doch, oder hatte er ihr Gesicht schon wieder vergessen? "Das muss ich mir noch gründlich überlegen.", murrte sie. "Dir gehört mal gehörig der Kopf gewaschen, wenn du dich nicht einmal mehr daran erinnerst, wer deine Freunde sind!"
   Talaan hob seinen Kopf und lächelte. "Eindeutig ein Freund.", stellte er fest. "Fühle dich wie zu Hause, Kirra. Ich wollte nur sichergehen, dass du die Alte geblieben bist."
   Sie streckte sich ebenfalls auf einem Ast in gleicher Höhe aus und machte es sich bequem. "Glaub' bloß nicht, dass ich vor dir auf die Knie falle, nur weil du glaubst ein Maigan zu sein.", erwiderte sie gespielt schnippisch.
   "Du weißt gar nicht, wie froh ich bin, das zu hören, Kirra. Es freut mich sehr, dich wiederzusehen.", versicherte er ihr mit einem warmen Lächeln.
   Ein leichtes Kribbeln machte sich in ihrem Magen breit und sie erwiderte sein Lächeln. "Girrad hat mir gesagt, wo ich dich finden kann. Tagsüber ist ja an dich nicht heranzukommen."
   "Girrad hat geplaudert?", fragte er verblüfft. "Was hast du mit ihm angestellt?"
   Kirra übte ein wenig ihren Unschuldsblick. "Es gibt Männer, die mich nicht einfach beiseite schieben, wenn ich mich ihnen nähere."
   Talaan riss die Augen auf und blickte plötzlich sehr interessiert auf seine Hände. "Es tut mir leid, Kirra.", brachte er schließlich heraus. "Ich hoffe, ich habe dich nicht verletzt."
   Sie kicherte amüsiert. Er war doch tatsächlich verlegen! "Ich war nur ein wenig überrascht. Magst du mich denn nicht?"
   Er zog wieder so herrlich verwirrt die Augenbrauen zusammen. Doch statt weiter darauf einzugehen, versuchte er einen Ausfall. "Aber Girrad ist doch verheiratet."
   Sie wiegte sich in Zufriedenheit. "Vielleicht spielt er ja jetzt mit dem Gedanken, sich eine zweite Frau zu suchen."
   Talaan starrte sie vollkommen ungläubig an. "Lass den armen Girrad in Ruhe.", brachte er schwach heraus und war auf einmal damit beschäftigt sich eine andere Liegeposition zu suchen.
   Er zappelte. Sie liebte es, dieses Spiel mit den Männern zu spielen. Sie wanden sich dabei immer so köstlich. "Eifersüchtig?"
   "Kirra!" Talaan wollte zu weiteren Protesten ausholen, als ihm plötzlich ein Licht aufzugehen schien. Murrend legte er sich auf seinem Ast zurecht.
   Sie erlaubte sich ein selbstgefälliges Grinsen, das aber doch ein wenig wackelig war. Das Kribbeln in ihrem Bauch war nicht verschwunden.
   "Warum bist du hier oben, Talaan? Weißt du, es ist reichlich seltsam, über seinem Haus zu schlafen."
   "Schließ die Augen und sage mir, was du hörst."
   Sie tat, wie ihr geheißen und lauschte. Sie hörte nichts besonderes. "Nichts außer den Blättern."
   "Ist das nicht herrlich?", flüsterte er begeistert. "Absolute Stille. Keine Stimme der Stadt dringt hier hinauf. Nur ein stetiges Rauschen eines Meeres von Blättern."
   Erst jetzt wurden ihr das sachte Schwanken des Baumes im Wind bewusst und sie fühlte sich auf eines dieser Schiffe versetzt, von denen sie in einem Buch gelesen hatte. Ein ständiges Hin und Her und das Rauschen des Wassers in den Ohren...
   "Meeresrauschen... Du bist ja ein richtiger Romantiker, Talaan!", schnurrte sie amüsiert.
   "Das Leben ist viel zu schön, um etwas anderes zu sein.", behauptete er nüchtern.
   "Ah...", sie kuschelte sich auf dem Ast zurecht und betrachtete verträumt die Sterne. Hier oben war man dem Himmel so nahe, ein Stückchen Ewigkeit. "Warum habe ich das noch nie gemacht?", wunderte sie sich.
   Talaan bettete seinen Kopf auf seinen Händen und schloss die Augen. "Ich schätze, zivilisierte Kri schlafen halt in Häusern."
   Kirra achtete nicht auf seinen Spott und genoss weiter den Anblick der Sterne. "Mahi hat mich geschickt.", warf sie nebenher ein, so als sei es völlig unwichtig.
   "Hm, hm.", brummte er in desinteressierten Tonfall.
   "Du verkehrst mit bedeutungsvollen Leuten."
   "Hmm." Knurrig.
   "Weißt du, was sie mir gesagt hat?"
   "Hm?"
   "Interessiert es dich denn nicht?"
   "Nö."
   Das brachte sie ein wenig aus dem Konzept. "Warum nicht?"
   "Sie ist da unten und ich bin hier oben. Hier oben gibt es da unten nicht."
   Dieses Spiel beherrschte sie auch. Sie brummte ebenfalls ein "Hm!" und schwieg.
   "Na sag schon.", gab er endlich nach.
   "Sie will, dass ich dich begleite."
   "Was?" Talaan schnellte hoch und sah sie freudestrahlend an. Ein breites Lächeln ließ seine Zähne im Dunkeln weiß aufblitzen. "Sie hat dich als meine Leibwache angeworben? Kirra, das ist fantastisch!"
   "Leibwache, pah! Lass dir das nicht zu Kopf steigen. Ich komme nur mit, weil du sonst ohne mich da draußen völlig hilflos wärst."
   Er knurrte entschlossen. "Ich wette mit dir um einen Kuss, dass ich in drei Monaten schneller ein Reh erlege als du."
   Jetzt war sie es, welche die Augen aufriss. Dieser Mann lernte schnell, ihre Spiele mitzuspielen. Den kannst du auch so haben, Talaan., dachte sie innerlich lächelnd. "Wenn du gewinnst und es wagst, ist es abgemacht. Wenn du verlierst werfe ich dich in den nächstbesten Fluss, um dich abzukühlen."
   Talaan zog eine übertrieben wehleidige Miene. "Ein fairer Preis, zumal ich sowieso gewinnen werde. Abgemacht."
   "Wann brechen wir auf?"
   "Morgen früh, am besten vor Sonnenaufgang."
   Sie plauschten noch eine ganze Weile, bis sie beide mehr gähnten als sprachen. Talaan machte es sich auf seinem Ast zum Schlafen gemütlich und nach einem kurzen Zögern tat sie es ihm gleich.

  
Wieder war er auf dem Weg nach Osten. Doch dieses Mal lag keine schwere Last auf seinen Schultern. Seine Freiheit gehörte ihm und er hatte sie sich diesmal nicht durch Flucht erschlichen. Und das Beste: Kirra war bei ihm.
   Er mochte sie sehr und fühlte sich in ihrer Nähe ungezwungen. Außer vielleicht, wenn sie mal wieder ihre Spielchen mit ihm trieb, um ihn in Verlegenheit zu bringen. Aber inzwischen hatte er sich halbwegs daran gewöhnt und den Bogen raus, wie er es ihr heimzahlen konnte.
   Kirra schickte ihn inzwischen allein auf die Jagd. Sie wolle ihm eine gerechte Chance lassen, sagte sie. Er übernahm das Jagen und sie bereitete das Wild mit den unterschiedlichsten Gewürzen und Früchten zu, die sie sich in der Zwischenzeit zusammensuchte.
   Auf diese Weise vergingen die Tage wie im Flug, während sie stets nach Osten reisten. Es hatte nicht viel Überredungskunst seitens Kirras gebraucht, um ihn dazu zu bringen, ihr Heimatdorf als Ziel zu wählen. Da Kirra in der Großen Stadt niemanden aus ihrer Heimat getroffen hatte, konnte er sicher sein, dort nicht erkannt zu werden.

So kam es, dass er eines Tages auf der Lauer lag, als er plötzlich einen stechenden Schmerz im Unterarm spürte. Blitzschnell griff er zu und packte eine kleine grüne Schlange am Hals. "Kleines Mistvieh.", brummte er und rieb sich die schmerzende Stelle. "Ich hoffe ich hab dir geschmeckt." Damit schleuderte er die Schlange beiseite und begann, seine Wunde auszusaugen.
   Er erlegte noch schnell zwei von den kleinen Pelztieren, die Kirra Guons nannte. Als er sich auf den Weg zurück machte, wurde ihm allmählich schwindlig. Er steckte seinen Kopf in das kühle Wasser eines kleinen Bachs, doch es half nichts.
   Mit Mühe und Not schleppte er sich zum Lager und brach fast zusammen, als er sich auf den Boden setzen wollte.
   Kirra musterte ihn besorgt. "Was ist mit dir, Talaan?"
   Er musste sich konzentrieren, um ihren Worten einen Sinn zuzuweisen. Allmählich schlich sich bei ihm der Gedanke ein, dass die Schlange wohl ziemlich giftig gewesen seien musste.
   "Mich hat... hat was ge... bissen. Schlange. Klein, grün, gelber Streifen auf dem Rücken."
   Wie gestochen sprang sie auf und rannte zu ihm. "Wie lange ist das her?"
   Wie... Sie hatte eine eigenartige Augenfarbe für eine Kri. Saphirblau. ...lange? Ginuthals Augen waren dunkelviolett gewesen. Einfach bezaubernd. "Zu lange, fürchte ich.", brachte er mühsam heraus.
   Ein Lachen drang an sein Ohr. Es war sein eigenes. "Und ich hatte Girrad noch versprochen, mich nicht von einer Schlange umbringen zu lassen."
   Es wurde dunkel. Aber es... ist doch... doch noch Tag...

"GINUTHAL!" Der verzweifelte Schrei Talaans fetzte durch ihren Schlaf und sie schreckte hoch. Ihr Herz raste. Talaan lag noch an der selben Stelle wie am gestrigen Tag, neben dem Feuer. Doch nicht mehr so regungslos wie gestern. Krämpfe schüttelten seinen Körper.
   Kirra beugte sich über ihn und fühlte seine Nase. Sie glühte und das war ein gutes Zeichen. Das Fieber kündete davon, dass er das Schlimmste überstanden hatte. Wenn er zäh war, überlebte er es.
   "Warum hast du mich verlassen?", wisperte Talaan kaum hörbar. "Wieso kann ich nicht einmal dein Grab besuchen?"
   Ein Schauer jagte über ihren Rücken. Diese Stimme klang kaum wie die Talaans. Alles Raue war aus ihr gewichen und sie klang beinahe... menschlich.
   "Warum kann ich dir nicht folgen, Ginuthal?" Plötzlich bäumte er sich auf und hatte fast Kirras Schädel mit seinem Kopf eingeschlagen. "WARUM HOLST DU MICH NICHT, DU BASTARD? ICH FÜRCHTE DICH NICHT MEHR! Ist deine Sense zu stumpf geworden, Schnitter?"
   Damit sank er wieder zurück. Sein Atem ging stoßweise, seine Hände zu Fäusten geballt. "Ginuthal... all die vielen Jahre und du hast nie deine Schönheit verloren... warum musstest du sterben?" Sein Kopf zuckte hin und her, als versuche er alte Geister abzuwehren. Kirra legte ihm eine Hand auf die Schulter und er wurde allmählich ruhiger. "Ich habe dich verraten, Geliebte. Meine Tränen sind versiegt. Meine Trauer... hat mich betrogen."
   Er begann wieder zu verkrampfen und hin und her zu zucken. Kirra drückte ihn sanft an den Schultern zu Boden. "Du wirst wieder gesund. Kämpfe, Talaan.", versuchte sie ihn mit sanfter Stimme zu beruhigen.
   Er lächelte matt, als er seinen Namen hörte. "Talaan... Elfenfreund.", murmelte er ruhig. "Wir waren mehr als das, nicht war? Ich habe nie verstanden, wie du mich lieben konntest. Ich war doch nur ein Mensch und du so wundervoll, wie alle deiner Art. Aber ich habe dir geglaubt, mit all meiner Liebe habe ich daran geglaubt."
   Kirra bekam den Rest, den er erzählte kaum noch mit. Ein Mensch? Das Fieber musste ihm den Verstand verwirrt haben. Doch er erzählt weiter von fremden Orten und unbekannten Personen, in einem fort. Diese Namen tauchten immer wieder auf, allen voran der Name ,Ginuthal'. Ein eigenartiger Klang. Ebenso wie Lothandri oder Minethargon.
   Die restliche Nacht lauschte sie seinen Träumen, beruhigte ihn mit sanften Berührungen und Worten, bis sein Redeschwall im Morgengrauen versiegte. Er würde leben. Vollkommen erschöpft schlief Kirra endlich ein.

  
Ein bitterer, durchdringender Gestank war es, der ihm den Weg aus der Besinnungslosigkeit wies. So widerwärtig er auch war, war er ihm doch willkommen. Er bedeutete Leben.
   Als er die Augen aufschlagen wollte, gehorchten sie ihm nur widerwillig. Es war dämmrig, ob Morgen oder Abend konnte er nicht sagen. Seine Lider wollten sich wieder schließen, aber er kämpfte dagegen an. Er hatte wohl lange genug geschlafen.
   Kirra erschien in seinem Gesichtsfeld und schenkte ihm ein besorgtes Lächeln. "Willkommen unter den Lebenden, Talaan." Sie berührte ihn an der Nase und nickte zufrieden. "Das Fieber ist gesunken."
   "Diesmal hat es mich wohl ziemlich erwischt.", krächzte er. Seine Stimme klang heiser und vollkommen kraftlos.
   "Du hast Glück, dass du noch lebst, du Narr." Sie strich ihm fürsorglich über den Kopf. "Eine Grünblattviper ist kein Spielzeug für kleine Jungen."
   Sein Versuch, ein Lächeln zustande zu bringen, war erfolglos. "Ich fühle mich schrecklich schwach."
   Sie verschwand kurz und kehrte mit einem dampfenden Holzbecher wieder. Er war die Quelle des Gestanks. "Trink!", forderte sie ihn auf, hob seinen Kopf an und hielt ihm den Becher hin.
   "Das riecht scheußlich.", maulte er.
   Ein unschuldiger Gesichtsausdruck versprach Schlimmes. "Der Geruch ist harmlos, glaub mir." Ohne auf weitere Proteste einzugehen, setzte sie ihm den Becher an die Lippen und flößte ihm das Gebräu ein. Notgedrungen begann er zu schlucken und hätte sich beinahe übergeben. Der Kräutersud schmeckte wie Jauche.
   "Du willst mich umbringen.", brachte er zwischen zwei Hustenanfällen heraus, nachdem die Folter beendet war. Er würde diesen Geschmack nie aus seinem Rachen herausbekommen, solange er lebte.
   "Ha! Nachdem ich mich drei Tage lang mit dir abgeplagt habe?"
   "Drei Tage? Ich..."
   "Schlaf jetzt, du brauchst Ruhe."
   Er versuchte in seinem Geist das Heilungssymbol zu formen, aber bevor es auch nur halb fertig war, entglitt er in den Schlaf.
  
Das nächste Mal, als er erwachte, begann gerade der Tag der Nacht zu weichen. Er fühlte sich immer noch ein wenig schwach, aber sein Geist war endlich klar. Ein Zauber vertrieb die Schwäche rasch.
   Er richtete sich auf und streckte sich mit einem herzhaften Gähnen.
   "Ausgeschlafen?", fragte Kirra und fuhr damit fort, ein Stück Fleisch an einem Stock über dem Feuer zu rösten.
   "Ich fühle mich wie neu geboren." Der forschende Blick, den ihm Kirra daraufhin zuwarf, verunsicherte ihn. "Du hast mir das Leben gerettet, Kirra. Ich danke dir von Herzen. Wenn ich irgendwas für dich tun kann, sprich es einfach aus."
   "Wir sind uns nun nichts mehr schuldig, schätze ich."
   Er nicke bedächtig. Er nahm das rohe Fleisch, dass ihm Kirra reichte und begann ebenfalls, es zu rösten. So verbrachten sie schweigend einige Zeit damit ihr Essen zuzubereiten. Sie schwiegen immer noch, als Kirra begann ihr Fleisch zu essen, wobei sie ihn nicht eine Sekunde aus den Augen ließ. Ihr Gesicht war ausdruckslos.
   Talaan fühlte sich unter ihren Blicken unbehaglich. Sie gab ihm das Gefühl, etwas verbrochen zu haben. Er wollte gerade in sein eigenes Stück Braten beißen, als sie ihn plötzlich fragte:
   "Wer ist Ginuthal?"
   Er hielt in der Bewegung inne, als sein Herz vor Schreck zu Eis gefror. "Habe ich im Schlaf gesprochen?" Eine dumme Frage, wo sollte sie den Namen sonst erfahren haben? Was hatte er sonst noch alles verraten? Jetzt half wohl nur noch die Wahrheit.
   "Sie war meine Frau.", beantwortete er ihre Frage schließlich. Er konnte sich dunkel daran erinnern, von ihr geträumt zu haben. "An einem anderen Ort."
   Mit anteilnehmendem Unterton fragte sie: "Woran ist sie gestorben?"
   Talaan lächelte in sich hinein, als er an ihr wunderschönes Gesicht denken musste. Selbst im Alter und im Tod war ihr diese Schönheit geblieben. "Jeder stirbt einmal, egal wie lange sein Leben währen mag. Sie war einfach alt."
   "Du bist höchstens fünfundzwanzig!", hielt sie dagegen.
   Er starrte gedankenverloren ins Feuer. "Das war in einer anderen Zeit, Kirra. In einem anderen... Leben. Ich kann dir nicht erklären wieso, ich verstehe es ja selbst nicht, aber... es ist die Wahrheit."
   Kirra schwieg eine Zeit lang und sah ebenfalls ins Feuer. Sie musste ihn für verrückt halten. Statt dessen sagte sie nur: "Und in diesem Leben warst du ein Mensch."
   Er nickte stumm. Er hatte also alles verraten.
   "Einige Kri halten Menschen für felllose Dämonen.", warf sie ausdruckslos ein.
   Talaan schaute ihr forschend in die Augen. "Glaubst du, dass ich ein Dämon bin?", fragte er traurig. Er wollte sie nicht verlieren. Und wenn sich erst einmal herumsprach, was sie wusste, war er bei den MaKri erledigt. Dann blieben nur noch die Menschen, und zu denen wollte er auf keinen Fall.
   "Wenn, dann bist du der netteste, den ich kenne.", antwortete sie mit einem freundlichen Zwinkern. "Und jetzt erzähl mir doch bitte, wie ein Mensch an ein Fell kommt."
   Also erzählte Talaan ihr alles. Von seinem Erwachen im Jungen Wald, wie er auf die Elfen getroffen war, Ginuthal heiratete, später die magischen Künste lernte, schließlich nach über neunhundert Jahren gestorben und im Dschungel der MaKri erwacht war.
   Es tat gut mit jemandem dieses Geheimnis zu teilen. So etwas zu verschweigen hieß, mit einer Lüge zu leben. Aber in Anbetracht dessen, dass etliche Kri die Menschen für Dämonen hielten, hatte er nicht vor sich jedem zu offenbaren.
   Mitternacht war schon längst vorbei, als er endete und Kirra schwieg danach eine sehr lange Zeit. Er konnte geradezu sehen, wie sich ihre Gedanken jagten und gegenseitig in den Schwanz bissen.
   "Wirst du auf unserer Seite kämpfen, wenn der Krieg losbricht?", war das Einzige, was sie daraufhin fragte.
   Talaan musterte erneut seine Hände. Inzwischen waren sie ihm so vertraut geworden wie das Atmen. "Ich bin ein MaKri, zweifle niemals daran."
   Kirra streckte sich am Feuer aus. "Das reicht mir als Antwort. Ich danke dir, das du so offen zu mir warst. Es ist zwar alles total verrückt, was du erzählt hast, aber ich glaube, ich werd' es verkraften." Sie legte ihren Kopf auf ihren Unterarm und schloss die Augen. "Schlaf gut, alter Mann."
   "Spotte nicht. In deinem Alter könntest du zehnmal meine Tochter sein.", konterte er lächelnd.
   Ein gespielt verächtliches Schnauben war die Antwort.
   Wieso nahm sie all das einfach so hin? Keine Frucht, kein Misstrauen. Obwohl er Zweiteres durchaus verdient hätte. Statt dessen legte sie sich schlafen. Sein Wort, auf der Seite der Kri zu stehen, hatte ihr genügt.
   Schlaf war etwas, das er jetzt nicht brauchte. Es gab viel, über das er jetzt grübeln konnte. "Schlaf gut, Kirra. Danke für alles."
   Heute war das erste Mal gewesen, dass er über seine Vergangenheit nachgedacht hatte. Nicht nur ein flüchtiger Gedanke an damals, sondern wirkliches Nachdenken. Er hatte ja auch kaum Zeit dazu gehabt. Die Ereignisse hatten sich nach seinem Erwachen überschlagen. Die MaKri, die große Stadt und die Aufregung um den Maigan. Danach war er eher unbeholfen durch den Dschungel gestapft und war die eine Hälfte der Zeit mit dem Überleben beschäftigt gewesen, und die andere Hälfte nicht aus dem Staunen über die Wunder dieses Ortes herausgekommen.
   Sein Blick fiel auf Kirra. Mit ihr hatte alles begonnen normal zu werden. Sie hatte ihn quasi an die Hand genommen und ihm ihre Welt gezeigt. Sie war seine erste Konstante in diesem Leben, auf die er sich verlassen und stützen konnte.
   Und ihr Anblick war inzwischen so vertraut. Er hatte aufgehört in ihr eine MaKri zu sehen, einen Puma-Menschen. Sie war einfach nur noch jemand, mit dem er gerne unterwegs war. Ein Freund und Führer.
   Seine Gedanken drifteten zu Ginuthal. Er hatte oft von ihr geträumt, vor und auch nach ihrem Tod. Doch niemals war ein so verzweifeltes Echo zurückgeblieben. Lag es nur am Fieber? Wohl kaum. Ginuthal war sein Führer in ihrer Welt gewesen und mit ihrem Tod hatte er seinen Platz in ihr verloren. Jetzt lag sein eigener Tod zwischen ihm und dem Jungen Wald. Jetzt war es entgültige Gewissheit, dass er seine Geliebte nie wiedersehen würde.
   Vielleicht war ja auch Ginuthal nun an einem anderen Ort, in einem anderen Leben.
   Ein verrückter Gedanke schoss ihm durch den Kopf. Eingehend musterte er Kirra und lauschte in sein Herz. Nichts. Zumindest kein Gefühl der Vertrautheit oder gar Liebe. Natürlich nicht. Kirra war ganz anders als Ginuthal. Aufgeweckt frech statt tiefsinnig humorvoll, wild satt ruhig besonnen und vieles mehr. Und noch etwas war anders, stellte er lächelnd fest. Kirra wirkte viel mehr wie eine Beschützerin, als jemand, der beschützt werden musste.
   Dennoch hatte er sie in sein Herz geschlossen. Oder gerade deswegen?
   Sie würde auf ihn aufpassen, bis er auf eigenen Beinen stand, dessen konnte er sicher sein.
   Er wartete, bis sie eingeschlafen war und schlich sich davon. Ein neues Leben lag vor ihm und er wusste nicht einmal annährend, wie er es angehen sollte. Also würde er ein wenig in den Bäumen herrumklettern und den Mond anschauen. Das half ihm beim Denken.
  
"Und? Was hältst du davon?", fragte Kirra und deutete mit einer umfassenden Geste auf das ganze Dorf. Es war von ihrem Standpunkt aus fast vollständig zu überschauen, ragte aber wie erwartet in mehreren Ebenen in die Höhe. Auch hier führten Hängebrücken von Baum zu Baum, wo sich die Häuser um die Stämme schlangen.
   "Einladend. Ich glaub, hier werde ich mich wohlfühlen.", gab er zurück, nachdem er sich eine Weile umgesehen hatte. "Es wirkt sehr ruhig und friedlich."
   Kirra blickte ihn hoffnungsvoll an. "Du willst wirklich hier bleiben?"
   "Warum nicht? Vermutlich habe ich hier noch am ehesten Ruhe vor MaKri, die nach mir suchen."
   In diesem Moment wurden sie von ein paar Kri bemerkt, die mit dem Abschaben von Tierfellen beschäftigt waren, und sie rannten auf die Neuankömmlinge zu. "Kirra! Willkommen zu Hause, mein Kind.", rief eine der Frauen und umarmte sie dann stürmisch.
   "Hallo, Mutter. Ich bin froh, wieder hier zu sein."
   Die anderen Kri umringten sie und musterten Talaan neugierig. "Das ist aber nicht der junge Mann, mit dem du aufgebrochen bist.", stellte der eine fest. "Dieser Junge aus dem Osten."
   "Er ist tot, Merrel. Menschen haben ihn auf dem Gewissen." Ein zorniges Raunen ging durch die Versammelten. "Mutter, Freunde, das ist Shimar. Er hat mich in der Nähe der Großen Stadt gefunden, als ich gerade von Menschen angegriffen wurde. Und er will sich hier niederlassen."
   Vielsagende Blicke wurden ausgetauscht und Kirras Mutter sah ihn freudestrahlend an. "Hast du dich endlich entschieden zu heiraten, Tochter?"
   Talaan bekam einen Hustenanfall, als er sich an seiner eigenen Luft verschluckte und Kirra zischte ein empörtes "Mutter!". Gefährlich ruhig sagte sie dann: "Er hat nur genug von der Stadt, das ist alles. Und als ich ihm erzählt habe, dass hier eine weitere helfende Hand jederzeit willkommen ist, hat er mich begleitet."
   Er schickte Kirra in Gedanken ein großes Dankeschön. Besser hätte er es nicht machen können, und sie war völlig glaubwürdig in ihrem Dorf.
   Kirras Mutter seufzte übertrieben traurig und warf Talaan einen vorwurfsvollen Blick zu. "Du bist hier natürlich willkommen, Shimar." Und mit einem Seitenblick auf ihre Tochter fügte sie hinzu: "Du kannst natürlich bei uns wohnen, bis wir etwas anderes für dich gefunden haben."
   Talaan verkniff sich ein breites Grinsen über Kirras zornige Miene. "Ich nehme deine Gastfreundschaft gerne an."
   Kaum schien ihr Gespräch beendet, da stürmten die anderen Kri auch schon mit Fragen auf sie ein. "Ihr habt den Maigan gesehen?", "Und seine Magie?" und unendlich mehr. Kirra begann zu berichten, was sie in der Stadt erlebt hatte und Talaan schwieg, bis sie ihm unauffällig einen Ellebogen in die Rippen stieß.
   "Er ist ein weiser Mann.", sagte er daraufhin und warf ab und zu ähnliche Kommentare ein. Die Versammelten waren von diesen Neuigkeiten derart begeistert, dass ihnen gar nicht bewusst wurde, wie er sich eigentlich aus dem Gespräch heraushielt.
   So ging es eine ganze Weile, da immer mehr Kri dazukamen und natürlich alles von Anfang an hören wollten. Zu Talaans Glück war dies hier nur ein kleines Dorf und so fand der Strom der Neugierigen bald ein Ende.
  
Bei Kirras Familie fand dann eine kleine Willkommensfeier statt. Talaan wurde allen vorgestellt. Kirras Vater Nashem, seine zweite Frau Eliha und Kirras jüngere Schwester Loma hießen ihn mit einer Wärme willkommen, als ob er bereits ein Teil der Familie wäre. Allerdings war ihre Art bei weitem nicht so aufdringlich wie die Lihas, Kirras Mutter.
   Die bemutterte ihn so fürsorglich, dass er den Eindruck nicht los wurde, dass sie bereits ihren Stiefsohn in ihm sah. Nashem amüsierte sich scheinbar köstlich über die ganze Situation, während Loma ihn und Kirra mit offener Neugier musterte.
   Talaan betrachtete das alles auch erheitert, wunderte sich aber darüber, warum Kirra plötzlich seine Blicke mied. Sie schlug selbst dann die Augen nieder, wenn er mit ihr sprach.
   Am Abend entbrannte sogar ein heftiger Streit, als Liha Talaan im gleichen Zimmer wie Kirra einquartieren wollte. Erst nach heftigen Protesten Kirras und Talaans wiederholten Versicherungen, er schlafe sowieso lieber auf einem Baum, legte sich der Sturm wieder.
  
Kirra kuschelte sich auf ihr Lager aus weichen Tierfellen und war trotz des ganzen Ärgers mit ihren Eltern froh, wieder zu Hause zu sein. Endlich in einem richtigen Bett schlafen zu können, nachdem sie die letzten Tage nur feuchten Boden ertragen musste, war es einfach wert.
   Es raschelte, als sich Loma auszog und sich auf ihr eigenes Bett legte. "Liha hat ihn ja richtig rangenommen.", kicherte sie. "Du kannst von Glück reden, wenn Shimar morgen wirklich noch hier ist und nicht die Flucht ergriffen hat."
   "Und wenn schon. Dann habe ich wenigstens Ruhe vor Mutter.", erwiderte sie knapp.
   "Komm schon, mir kannst du nichts vormachen. Er ist einfach zu süß."
   "Fängst du jetzt auch schon an?", fauchte Kirra. Sie hatte es ziemlich satt, dass sie für andere so durchschaubar war. "Du benimmst dich wie ein halbreifes Mädchen."
   Lomas Kichern war nicht zu überhören. "Ich habe bemerkt, wie du ihn angesehen hast.", behauptete sie.
   "Ich hab' ihn überhaupt nicht irgendwie angesehen!", protestierte Kirra inbrünstig.
   "Das ist es ja." Sie klang köstlich amüsiert. "Du hast ihn so gut wie gar nicht angeblickt. Du hast dich wie ein scheues Reh benommen."
   "Ich?!" Aber natürlich hatte sie ja recht. Sie hatte sich bemüht, sich möglichst von Talaan abzugrenzen, und Mutter war das sofort aufgefallen. Dabei war es ihr so schwer gefallen, ihn nicht ständig anzusehen. Sie murmelte etwas protestierendes.
   "Schmollst du etwa?", fragte Loma drohend. Noch bevor Kirra etwas antworten konnte, war ihre Schwester über ihr und bohrte ihre Finger in Kirras Bauch und begann sie abzukitzeln. Diese versuchte sich zur Wehr zu setzen und startete kichernd einen Gegenangriff. Schon bald wälzten sich die beiden wild tobend am Boden.
   Als sie endlich zur Ruhe kamen, hatte Loma die Oberhand gewonnen. Beide atmeten schwer, aber Kirra war eindeutig das Opfer gewesen. "Hierbei war ich schon immer besser als du.", behauptete Loma stolz und fügte hinzu: "Und jetzt erzählst du mir alles, oder ich mache weiter."
   Und so begann Kirra zu reden. Loma machte es sich neben ihr bequem und lauschte gespannt. Je mehr Kirra ihrer Schwester von Talaan erzählte, ihr gegenüber hieß er natürlich Shimar, desto deutlicher wurden ihr ihre eigenen Gefühle für ihn. Als sie endete, starrte sie verträumt zur Decke und lächelte breit.
   "Oh je, dich hat es aber richtig eingefangen, nicht wahr?", seufzte Loma theatralisch, "Hast du schon mit ihm geschlafen?"
   Kirras zog ein wenig verärgert die Stirn in kraus. "Nein." Sie hatte immer noch den Moment im Gedächtnis, als Talaan sie so einfach von sich geschoben hatte, kurz bevor Maresh aufgetaucht war, um sie in die Große Stadt zu bringen. Er schien keinen Gefallen an ihr zu finden.
   "Oha! Dann ist es wohl richtig ernst."
   Kirra gab ihrer Schwester einen Stoß mit dem Ellebogen in die Rippen. "Du glaubst wohl, ich paare mich mit jedem?", fragte sie gefährlich ruhig.
   "Komm schon, große Schwester, er sieht einfach gut aus und ist auf seine Art sogar humorvoll. Welchen Grund bräuchtest du mehr? Gib's zu, es ist dir ernst, und deswegen willst du nicht mit ihm..."
   Kirra gab ein frustriertes Knurren von sich. "Ist ja schon gut, meine Güte, Loma! Du musst unbedingt tiefer bohren!"
   Loma drückte ihre Schwester kurz herzlich. "Ich freu' mich ja für dich, Schwesterherz. Ich bin doch nur neugierig." Und mit einem hinterhältigen Lächeln fügte sie hinzu: "Weiß er schon von seinem Glück?"
   Stumm schüttelte Kirra den Kopf. Loma hatte wohl Recht. Sie war ihm gegenüber zu scheu. Morgen würde sie in die Offensive gehen.

  
Am nächsten Morgen, erwachte Talaan mit der Dämmerung und erblickte Kirra, die ihn auf seinem Ast hockend ansah. "Wie lange bist du schon hier?", fragte er verschlafen. Er streckte sich in alle Richtungen, um die Müdigkeit aus seinen Muskeln zu vertreiben.
   "Nicht lange.", antwortete sie nur. "Komm mit, ich muss dir etwas zeigen." Mit diesen Worten verschwand sie flink zwischen dem Gewirr der Blätter.
   Hastig folgte er ihr nach. Als er unten ankam, wartete Kirra schon ein Stück entfernt auf ihn. "Beeil dich, sonst verpassen wir es!", rief sie und rannte fort.
   Ein wenig verwirrt begann er ebenfalls zu laufen und schloss zu ihr auf. "Wohin willst du, Kirra? Wir haben nicht einmal einen Speer dabei."
   Sie warf ihm nur ein fröhliches Lächeln zu und meinte. "Das ist eine Überraschung. Sei nicht so neugierig."
   Sie hasteten jetzt einen Hügel hinauf, der sich vor ihnen weit nach oben auftürmte. Zumindest so weit, wie es die dichtstehenden Bäume erkennen ließen. Oben angekommen hielten sie an. Talaan blickte sich um und sah nichts als den Dschungel. Nicht ein Tier regte sich.
   "Nicht hier.", sagte sie, "Da oben." Sie kletterte so geschickt den Stamm empor, dass Talaan nicht mithalten konnte. Er fragte sich, was es dort oben wohl zu sehen gab, das es eine solche Eile verlangte.
   Als er die letzten Äste hinter sich gebracht hatte, wusste er es. Im Osten erhob sich gerade die Sonne in einer feuerroten Glut über den Horizont. Der Regenwald selbst wurde nach Osten hin hügelig und aus den Tälern stiegen dicke Nebelschwaden auf, so dass nur die Kuppen der Hügel zu sehen waren.
   "Wie über den Wolken.", hauchte er ehrfurchtsvoll. Auf solch eine Schönheit war er nicht gefasst gewesen. Der Dschungel wirkte so frisch und rein, als wäre er neu geboren worden. Das Licht der Sonne ergoss sich über die Bäume und überall, wo sie den Nebel berührte, färbte sie ihn rötlich.
   Schweigend sahen die Beiden zu, wie die Sonne weiter nach oben stieg, erhaben langsam in ihrer Unsterblichkeit. Talaan sog diesen Anblick in sich auf. Solche Momente waren selten. Momente, in denen das Herz wahrhaft offen ist, solche Schönheit in sich aufzunehmen, um sie zu bewahren.
  
Kirra wandte ihren Blick von diesem wunderbaren Schauspiel ab und sah statt dessen Talaan an, der mit glänzenden Augen und staunend geöffneter Schnauze nach Osten blickte. Sie war oft allein hergekommen und hatte sich geschworen, diesen Anblick mit niemandem zu teilen. Aber jetzt stand sie hier, Talaan direkt neben ihr und es war ihr Geschenk an ihn.
   "Trotz meines langen Lebens habe ich selten etwas derart wunderschönes gesehen, Kirra.", flüsterte er und sah ihr direkt in die Augen. Das Herz hämmerte in ihrer Brust und ihre Lungen kribbelten wie verrückt, als sie sich nach vorn beugte und ihn zärtlich küsste.

   Talaan wich überrascht einen Schritt von ihr zurück und musterte sie ungläubig. "Kirra?" War das wieder eines ihrer Spiele, die sie mit ihm trieb? "Was..."
  
In ihrer Brust verkrampfte sich etwas. Dieser überraschte, fragende Ausdruck in seinem Gesicht schnitt tiefer in ihr Herz als seine Ablehnung sie zu küssen. Er glaubte ihr nicht! Sie spürte, wie ihr Tränen in die Augen drängten und sie schob sich halb blind an ihm vorbei.
   Damit verschwand sie nach unten. Talaan blickte ihr immer noch ungläubig nach. Kein Spiel. Sie hatte so schrecklich verletzt ausgesehen. Er hatte ja keine Ahnung... "Kirra!", rief er ihr nach. "Kirra, warte!" Hastig folgte er ihr.
   Unten fand er sie mit dem Rücken an den Baum gelehnt sitzend vor. Sie kämpfte sichtlich mit den Tränen. Als er neben ihr niederkniete, wandte sie ihr Gesicht von ihm ab. Er wollte ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter legen, wagte es aber doch nicht sie zu berühren.
   "Kirra.", sagte er erneut mit der sanftesten Stimme, zu der er fähig war. "Ich wollte dich nicht verletzen..."
  
Seine Stimme war so fürsorglich, dass es um so mehr schmerzte. "Es war mein Fehler.", brachte sie mühsam hervor. Wieso hatte sie geglaubt, er würde ihre Gefühle erwidern? Er war ein Maigan und er war auf seine Art unsterblich, Jahrhunderte alt.
   "Wir müssen reden."
   "Warum sollten wir reden?" Sie warf ihm einen trotzigen Blick zu und wandte sich dann wieder ab. "Du liebst mich nicht, das ist alles. Es gibt nicht mehr zu sagen."
   Er schüttelte traurig den Kopf. "Ich will dich nicht verlieren, Kirra.", brachte er mühsam hervor. "Du bedeutest mir mehr als irgend jemand sonst auf dieser Welt. Aber es ist nicht so einfach."
   Sie sah ihn abschätzend an. Auf dieser Welt? Lag in diesen Worten eine tiefere Bedeutung? Versuchte er vielleicht jetzt auch bei ihr seine Halbwahrheiten, mit denen er so gerne sein wahres Selbst vor anderen verschleierte? Aber seine Augen, seine verdammten, faszinierenden Augen, spiegelten keinen Doppelsinn. "Wenn du mich nicht liebst, dann ist das eben so. Was soll daran nicht einfach sein?"
   "Du weist, was für eine Vergangenheit ich habe."
   "Ist es Ginuthal?" Eifersucht auf eine Tote, die sie nicht einmal kannte, brandete in ihr hoch.
   Er schüttelte den Kopf. "Sie ist in meinem Herzen lebendig, aber nicht auf die Art und Weise wie du, Kirra. Ich war nun mal vor einem Monat noch ein Mensch. Ich kann diesen Teil von mir nicht einfach so abstreifen."
   "Was meinst du?"

   Er suchte bedächtig nach den richtigen Worten. "Dieses Leben, diese Gestalt, die MaKri. Das ist alles so neu für mich und... gewöhnungsbedürftig. Und wie sehr ich dich auch mag, bist du so...", er wollte das nicht sagen, aber es musste sein, "...anders als alle, mit denen ich je eine tiefere Bindung einging."
  
Kirra schluckte hart. Ihr Hals fühlte sich auf einmal trocken an. "Siehst du in mir keine Frau?", hauchte sie ungläubig.
   Zorn brodelte in ihm auf. Wie sollte er ihr sagen, was er empfand, wenn er es selbst nicht genau wusste? Aber ihm kam eine Idee, wie er ihr es deutlich machen konnte. "Könntest du dich in einen Menschen verlieben, Kirra?"
   Sie legte unverständig den Kopf schief. "Ich weiß nicht. Ja. Vielleicht. Kommt auf sein Wesen an, glaube ich."
   Er nickte zustimmend. "Ich habe auch keine Probleme damit, dein Ich in mein Herz zu schließen. Begreifst du das?"
  
Sie schüttelte verneinend den Kopf. Ihre Tränen drängten wieder hoch. "Alles was ich sehe, wenn ich dich anblicke, ist ein MaKri den ich liebe. Und ich bin auch eine."
   Es führte kein Weg daran vorbei, merkte er, sie musste sehen, um zu begreifen. "Schließ deine Augen, Kirra."
   "Was?"
   "Bitte.", beschwor er sie eindringlich. "Und öffne sie nicht, was du auch hören magst."
   Zögernd folgte sie seinem Wunsch. Er wollte nicht, dass sie ihm bei der Verwandlung zusah. Er wollte nicht, dass sich später in ihren Träumen sein Gesicht in das eines Menschen verwandelte. Er wollte für sie immer ein MaKri sein.
  
Ein unterdrücktes Stöhnen und ein seltsamer, leise rauschender Ton drangen zu ihr durch die Dunkelheit. Was tat er nur? "Sieh mich an, Kirra." Sie öffnete ihre Augen und erschrak beinahe zu Tode. Mit einem Aufschrei sprang sie zurück, stolperte über die Wurzeln und fiel hin.
   "Kirra. Ich bin's.", kam Talaans Stimme aus dem Mund des Menschen. Aber sie klang falsch, irgendwie glatt und ohne den rauen Unterton, der jedem Kri mehr oder weniger eigen war.
   "Warum tust du das?!", schrie sie ihn an.
   "Kirra, du würdest es sonst nicht verstehen. Beruhige dich und sieh mich an."
   Sie atmete tief durch und zwang sich zur Ruhe. Noch nie war sie einem Menschen so nahe gewesen.

   Endlich begriff sie es, merkte er, oder sie begann zu begreifen. "Kannst du mich jetzt noch lieben Kirra? In dieser Gestalt?"
   "Das bist nicht du!", widersprach sie zornig.
   "Doch, Kirra. Mein Kern ist der selbe, mein Ich bleibt mir treu."
  
Sie wollte etwas sagen, brachte aber keinen Ton heraus. Sie sah einen Menschen vor sich, den sie eigentlich lieben sollte. Aber seine Augen waren schwarz, sein Gesicht so seltsam flach. Die Nase stach aus dem Kopf hervor und sah aus wie ein Fremdkörper. Und die Haut... Haut! Das Fell auf dem Kopf war absurd lang, dafür war sein ganzer Körper mit bleicher, fellloser Haut bedeckt. Das traurige Lächeln in seinem Gesicht offenbarte kleine, flache Zähnchen. Seine Füße...
   Kirra schloss die Augen und sammelte sich. Dies war Talaan, aber er sah so erschreckend befremdlich aus. Mitfühlend sah sie ihn wieder an. "Sehe ich so für dich aus? Dermaßen anders als die Frauen deiner Art?"
   Er lächelte sein ernstes Lächeln. Dieses Lächeln erkannte sie wieder, auch wenn es in diesem Gesicht befremdlich wirkte. "Du bist von meiner Art, Kirra. Ich bin ein MaKri. Nur eben noch nicht so lange."
   "Das ist verrückt.", entfleuchte es ihr.
   "Wem sagst du das?", seufzte er, "Mach die Augen zu."
   Kurz darauf sah sie wieder in seine rubinroten Augen. "Aber was soll ich tun? Ich..." kann doch nicht aufhören dich zu lieben.
   Er reichte ihr eine Hand und half ihr auf. "Gib mir Zeit, Kirra." Sanft nahm er sie in die Arme und legte seinen Kopf auf ihre Schulter. "Gib mir einfach nur Zeit."
   Sie erwiderte seine Umarmung und schloss die Augen. Ihre Gedanken rasten und sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Wenn er nur bei ihr blieb, konnte das genügen. Für eine Weile.

  
Die folgenden Tage lernte er das Dorf und seine Umgebung kennen. Die MaKri waren alle sehr freundlich zu ihm und schienen sich wirklich über ein neues Gesicht zu freuen. Sie banden ihn sofort in ihren Alltag ein und so half er hier und da, wo er etwas von dem Handwerk beherrschte.
   Seine wahre Leidenschaft entdeckte er in der Arbeit mit Holz. Er liebte es, mit diesem lebendigen Material etwas zu erschaffen. So kam es, dass er schon bald damit beschäftigt war, an dem Haus für ein frisch vermähltes Paar mitzuarbeiten.
   "Du solltest dir auch eins bauen.", schlug ihm Kirra eines Tages vor.
   "Wozu? Du weißt, dass ich auf Bäumen schlafe."
   "Und was machst du in der Regenzeit? Wenn du denkst, dass ich dich wieder gesund pflege, kannst du das gleich in den Wind schreiben."
   Also begann er für sich selbst ein Haus zu bauen. Er und zehn andere MaKri. An dem Morgen, als er mit Nashem zusammen anfangen wollte, waren sie einfach da und packten mit an. So lief alles im Dorf. Es war ein friedliches, unkompliziertes Leben.
   Nun ja, in mancher Hinsicht friedlich und unkompliziert. Von wenigen Gelegenheiten abgesehen, hielt sich Kirra von ihm fern. Nicht nur das, manchmal suchte sie sogar das Weite, wenn er ihr im Dorf über den Weg zu laufen drohte. Die wachsende Entfernung schmerzte und nichts, was er zu ihr sagte, konnte etwas daran ändern. Er war dabei seinen besten Freund zu verlieren.
   In wenigen Tagen war sein neues Heim fertig und er zog ein.
  
Talaan saß mit geschlossenen Augen auf den Fellen, die sein Bett darstellten, und konzentrierte sich auf das Messer, dass vor ihm auf dem Boden lag. Schon drei Tage lang hatte er versucht, es mit Hilfe der Magie anzuheben, war aber immer gescheitert. Die wenigen Menschenzauber, die er auswendig konnte, beherrschte er inzwischen problemlos, also war er zu denen übergegangen, an die er sich unvollständig zu erinnern glaubte.
   Es war ihm gelungen, einen Zusammenhang zwischen der Form des Geistessymbols und der dazugehörigen Wirkung zu erkennen. Nun versuchte er den umgekehrten Weg. Doch er konnte das richtige Symbol des Levitationszaubers nicht finden.
   Ein weiteres Mal versuchte er es. Das Zeichen in seinem Kopf schimmerte matt, als würde es keine rechte Lust verspüren, ihm einen Dienst zu erweisen. Er nahm den Halbkreis am oberen Ende und bog ihn ein wenig auf. Sofort erlosch das Symbol fast vollständig. Nachdem dieser Fehler korrigiert war, versuchte er, einen ausgezackten Schrägstrich zu verstärken und erreichte das gleiche Ergebnis.
   Frustriert fegte er das nutzlose Zeichen beiseite und ersetzte es durch das der Kraftkugel. Eine kleine, bläuliche Sphäre, die keine rechte Konsistenz hatte, erschien in seiner Hand und er schleuderte sie nach dem Messer, sodass es über den Fußboden durch das halbe Haus schlitterte.
   Plötzlich platzte Jurrea herein. "Maigan!", rief sie völlig aufgeregt und Talaan versteifte. Was für ein Narr er doch war, am hellerlichten Tag mit Magie herumzuexperimentieren. Die MaKri kannten keine Türen, die man schließen konnte, nur einfache Löcher in der Wand.
   "Jurrea..."
   "Ein Maigan ist im Dorf!", rief die Jägerin außer sich.
   "Hör zu, ich wäre froh, wenn du das niemandem weitererzählst, wirklich.", sagte Talaan niedergeschlagen. So wie sich Jurrea aufführte, würde Talaans Leben hier genauso werden wie in der Großen Stadt.
   Jurrea musterte ihn, als ob er von fliegenden Rindern erzählen würde. "Warum soll ich das niemandem sagen? Das ganze Dorf weiß es! Komm mit, Shimar, und sieh ihn dir an!"
   "Ihn?" Talaan runzelte die Stirn und brauchte eine Weile, bis er verstand, dass die Jägerin nicht von ihm sprach. Ein zweiter Maigan? Das war außergewöhnlich. Er sprang auf die Beine und folgte Jurrea, die bereits wieder davongerannt war.
  
Der Maigan war auf Anhieb zu erkennen. Nicht, weil er der einzige Fremde im Dorf war, sondern weil sich einfach alle um ihn drängten. Und er trug einen derart reich mit Silberstickereien verziertes Lendentuch, dass es schon beinahe obszön war.
   Doch der Rest des Mannes war überhaupt nicht so, wie Talaan es erwartet hatte. Er schien schon älter zu sein und wirkte wie ein erfahrener Mann, der schon einiges vom Leben gesehen hatte. Sein Gebaren war ruhig und ein wenig zurückhaltend, auch wenn er das Bad in der Menge sichtlich genoss.
   "Ich bin in euer Dorf gekommen, weil ich auf der Suche nach meinem Geistesbruder bin. Wie mir berichtet wurde, hat er die Große Stadt vor einiger Zeit unerwartet verlassen und ist seit dem nicht mehr gesehen worden.
   Wie ihr ja wisst, hat es noch nie zwei Maigan zur selben Zeit gegeben. Und es heißt ja, er habe die Erste Schrift enträtselt. Ich brenne darauf zu erfahren, wie ihm das gelungen ist."
   "Es tut uns sehr Leid, aber er ist nicht hier gewesen, Maigan Sorral.", sagte der Häuptling daraufhin. "Was sollte er auch in einem kleinen Dorf wie dem unseren?"
   "Es gibt immer mehr Gründe für etwas, als es den Anschein hat." Sorral ließ seinen Blick über die Menge schweifen. Als Talaan nicht länger als die anderen angesehen wurde, atmete er erleichtert auf. "Es hieß er sei nach Osten gegangen, aber gesehen hat ihn niemand auf seinem Weg."
   Merrel trat vor und neigte sein Haupt. "Ich wage kaum darum zu bitten, aber würdest du unserem Dorf die Ehre erweisen und deine Gabe einsetzen?"
   "Es ist mir eine Ehre." Zu den Umstehenden sagte er: "Mach ein wenig Platz in dieser Richtung und holt einen Speer."
   Die Kri teilten sich in der Richtung, in die Sorral gewiesen hatte. Eine junge Jägerin trat mit stolz erhobenem Haupt vor und reichte ihm ihren Speer.
   "Wirf ihn.", forderte er sie auf, anstatt ihn zu nehmen, "So weit und hoch du kannst."
   Die Jägerin holte aus und schleuderte den Speer in einem hohen Bogen fort. Sorral konzentrierte sich und die Luft begann zu knistern. Kleine, zerfaserte Blitze ballten sich um seine erhobene Faust und er schleuderte sie nach der fliegenden Waffe.
   Talaan sah sofort, dass der Blitz verfehlen würde, aber plötzlich änderte er die Richtung und folgte dem Speer. Der schlug auf dem Boden auf und blieb zitternd stecken. Mit einem lauten Donnern prallte der Blitz auf den Speer und entlud sich krachend. Zurück blieb die qualmende Spitze und ein paar verkohlte Holzsplitter.
   Die Bewohner starrten noch einen Moment mit ehrfürchtigem Staunen auf die schwelenden Überreste und brachen dann in begeistertes Jubeln aus. Talaan rieb sich nachdenklich das Kinn. Ein zielsuchender Kugelblitz war selbst für ihn etwas Neues.
   Er musste mit Sorral sprechen. Mit einem anderen Maigan über die Magie der Geistessymbole zu reden, würde vielleicht ein wenig Licht ins Dunkel bringen.
   "Willst du dich vielleicht ein paar Tage bei uns aufhalten, Maigan Sorral?", fragte der Häuptling, nachdem sich die Dorfbewohner ein wenig beruhigt hatten. "Es wäre uns eine Freude, dich als Gast bei uns willkommen zu heißen und wir würden gerne an deiner Weisheit teilhaben."
   "Ich freue mich über dein Angebot, Häuptling, und nehme es gerne an. Das Wenige, was ich an Weisheit besitze, werde ich gerne mit euch teilen."
  
Das Fest, das daraufhin folgte, war auf Wunsch Sorrals schlicht gehalten und das Dorf vergnügte sich mit Musik, Tanz und reichlich gebratenem Fleisch und Früchten. Stets saßen einige Kri bei dem Maigan und lauschten seinen Worten.
   Talaan beobachtete Sorral unentwegt und musste anerkennend feststellen, dass er sich den Dörflern mit ernster Ruhe widmete. Er hörte aufmerksam ihren Sorgen, Geschichten oder Fragen zu und gab ihnen immer erst nach einigem Nachdenken eine Antwort oder machte Kommentare zu dem Gesagten.
   Am Abend wehrte er höflich, aber bestimmt weitere Anliegen ab und bestand darauf, an dem Fest teilzuhaben. Und die Kri gaben bereitwillig nach. Talaan verstand allmählich, was er selbst falsch gemacht hatte. Dieser Maigan ließ sich seine Rolle nicht jederzeit aufzwängen.
   Sorral schloss sich den Tanzenden an und Talaan verlor ihn aus den Augen, als plötzlich Kirra auftauchte und darauf bestand, er solle lernen, nach Art der MaKri zu tanzen. Nach einigem gutmütigen Gelächter seitens der Dorfbewohner hatte er den Bogen raus. Eine Weile vergaß er seine Sorgen und genoss das Zusammensein mit Kirra.
  
Allmählich nährte sich das Fest seinem Ende und Talaan schaffte es, Sorral abzupassen, als er gerade über eine Strickleiter den Dorfplatz verlassen hatte.
   "Kann ich dich wohl unter vier Augen sprechen, Maigan Sorral?"
   Sorral hielt nicht an, sondern strebte weiter auf sein Ziel zu. Talaan schloss sich ihm an. "Es tut mir leid, mein junger Freund, aber der Tag war lang genug für mich. Du bist gewiss nicht der erste Neugierige heute."
   Talaan neigte ehrerbietend sein Haupt. "Niemand versteht das besser als ich, glaube mir, aber es ist wichtig."
   "Komm morgen wieder, mein Junge. Es ist immer wichtig, doch selten derart, dass es nicht einen Tag warten kann. Ich werde dich gerne morgen als Ersten auf dem Dorfplatz empfangen, um deine Fragen zu beantworten."
   Talaan fing den Blick Sorrals ein und versicherte ihm mit fester Stimme: "Es ist wichtig." Er musterte die anderen MaKri in der Nähe. Sie waren zu nah. "Ich muss euch allein sprechen, wozu sich der Wald bei Nacht besser eignet als die Brücken über dem Dorfplatz."
   "Gut, ich glaube dir." Sorral seufzte und sah sehnsüchtig in die Richtung, in die er gegangen war. "Auch wenn ich es bedauere, meine Verabredung warten zu lassen." Ein hintersinniges Lächeln erschien auf seinem Gesicht. "Es ist schon erstaunlich, aber seit ich ein Maigan bin, scheine ich für das andere Geschlecht wieder an Attraktivität gewonnen zu haben."
   Talaan deutete mit einer Hand in die kürzeste Richtung zum Wald. "Ich werde nicht die ganze Nacht in Anspruch nehmen."
   Sorral folgte ihm. Während sie durch das Dorf gingen, Hängebrücken entlang, an Häusern vorbei und Leitern hinab, hielt es Talaan für besser, sein eigentliches Anliegen zurückzuhalten. Statt dessen meinte er beiläufig: "Ich bin überrascht, dass unser Schamane von seinen Geistesbrüdern nicht erfahren hat, dass es einen weiteren Maigan gibt."
   "Ich wollte nicht, dass es bekannt wird. Der Dschungel ist nicht mehr sicher, seit die Menschen nahezu ungestraft umherziehen. Und ich würde es bedauern, wenn MaKri auf der Suche nach mir ums Leben kommen."
   "Was haltet ihr davon, dass es auf einmal zwei Maigan gibt?"
   Sorral legte die Stirn in Falten. "Wenn ein Maigan vom Schicksal erwählt wird, um unserem Volk in Zeiten der Not Beistand zu leisten, was für ein Übel mag dann erst das Erscheinen eines zweiten Maigan bedeuten?"
   "Den Untergang der MaKri vielleicht.", antwortete Talaan düster. Er hatte schon des öfteren MaKri unter der vorgehaltenen Hand über Auswirkungen eines Krieges mit den Menschen reden hören. Es gab einfach zu wenige ihres Volkes.
   "Nun, das ist eine Möglichkeit, an die ich nicht zu denken wage. Aber wer weiß schon, was die Zukunft für uns bereithält? Ich kann mir schwerlich eine Macht vorstellen, die unser Volk auszulöschen vermag."
   Talaan sah ihn überrascht an. "Soll das heißen, dass noch niemand das Orakel befragt hat?"
   Sorral warf ihm einen verwunderten Seitenblick zu. "Natürlich wurde es befragt. Aber wie du wissen solltest, ist das Orakel nicht in der Lage, die Zukunft vorherzusehen. Zumindest nicht so, wie wir Sterblichen das verstehen."
   "Selbstverständlich." Talaan würde Kirra dazu einige Fragen stellen müssen. Das Orakel hatte für die MaKri eine große Bedeutung.
   "Es hat uns das Herz des Feindes offenbart.", fuhr Sorral beinahe flüsternd fort. "Es ist finster und ihm liegt gar nichts an unserem Überleben. Sollten wir zwischen ihm und seinen Zielen stehen, werden die Menschen des Westens uns angreifen."
   "Wir werden unsere Felle teuer verkaufen.", knurrte Talaan entschlossen. Was wollten diese Menschen von ihnen? Das Ziel des Feindes war der Schlüssel zu allem.
   Sorral schüttelte betrübt den Kopf. "Das Furchteinflößendste ist aber, dass es einen Punkt in vielen möglichen Zukünften gibt, hinter den das Orakel nicht sehen kann. Und das kann nur eines bedeuten: Es wird vernichtet, wenn wir im Kampf versagen."
   Talaan sah ihn erschrocken an. "Das Orakel vernichtet? Es ist unsterblich!"
   Sorral nickte nachdenklich und erwiderte nur: "Ja, nicht wahr?"
   Den Rest ihres Weges legten sie schweigend zurück. Keiner der beiden hatte noch rechte Lust zu reden.
  
"Wir sind weit genug gegangen, mein junger Freund. Fangen wir unser wichtiges Gespräch damit an, wer du bist."
   "Kann ich mich darauf verlassen, dass unser Gespräch unter uns bleibt?" Sorral sah ihn nur wartend an. "Nun gut, mein Name ist Talaan."
   Ein Schmunzeln erschien langsam auf dem Gesicht des Älteren. "Ich hätte wissen müssen, dass ich mich nicht auf die Lobgesänge aus der Großen Stadt verlassen darf."
   "Hast du einen Anderen erwartet?"
   "Du solltest erhaben sein und eine Aura der Weisheit sollte dich umgeben, um dem zu entsprechen, was ich hörte. Ich hatte auch nicht erwartet, dass du so jung wärst." Sorral musterte ihn eingehend. "Wir sind wohl beide Opfer von übertriebener Heldenverehrung."
   "Wir sind keine Helden.", erwiderte Talaan daraufhin ernst. Seit Sorral über die Vernichtung des Orakels gesprochen hatte, war ihm schlagartig zum ersten Mal richtig bewusst geworden, was auf ihn zukam.
   Sorral seufze tief und meinte: "Vermutlich hast du Recht. Noch hat keiner von uns beiden etwas bedeutsames getan. Trotzdem bin ich glücklich darüber, dass das Schicksal mich als Maigan erwählt hat. Es macht mich stolz, dass ich unserem Volk in einer Weise helfen kann, wie sie anderen verwehrt bleibt."
   "Du wirst töten, Sorral.", gab Talaan finster zu bedenken. "Viele Male, und ich ebenso. Das wird unseren Stolz auf unsere Gaben dämpfen."
   Sorral sah ihn eindringlich an. "Du sprichst wie ein alter Krieger, den ich einst kannte, und nicht wie der junge Mann, der du bist."
   "Das Leben ist mir heilig, Sorral, das ist alles. Es ist das wertvollste Gut auf Erden. Und es werden einfache Soldaten sein, die durch unsere Hand sterben. Diejenigen, welche den Krieg mit uns begehren sind außerhalb unserer Reichweite."
   Sorral wirkte bedrückt, als er antwortete: "Du hast wohl recht. Aber zu deinem Trost lass dir sagen, dass dich die Ältesten nicht an der Front kämpfen lassen werden. Deine Gabe der Heilung wird in unseren Lagern wertvoller sein."
   "Glaubst du wirklich?" Zornig auf diese verdammten Menschen, auf den Krieg und auf seine eigenen Fähigkeiten fauchte Talaan: "So einfach ist das leider nicht." Er beschwor einen Feuerball und schleuderte ihn nach einem kleinen Baum, der sofort in Flammen aufging. "Die Menschen werden sterben, wo ich hingehe!" Er formte eine Kraftkugel, diesmal groß und wütend pulsierend, und ließ sie auf den Baum zusausen. Er zerbarst krachend unter dem heftigen Aufprall. "Und obwohl ich es hasse zu töten!", stieß er wütend hervor und ließ die Erde vor sich beben und aufbrechen. "Werde ich es tun." Die Pflanzen, Gras und Steine versanken in der kochenden Erde. "Weil ich nicht zulassen werde, dass sie die MaKri auslöschen!" Er griff im Geiste nach der Erde, verband sie mit einem Versteinerungszauber. Stalagmiten brachen überall aus dem Boden hervor und verwandelten den Dschungel in vielen Schritten Umkreis in einen undurchdringlichen Stachelwald.
   Ungläubig sah sich Talaan um, als sein Zorn verrauchte. Er hatte das Fleckchen Wald hier verwüstet. "Wir müssen diesen Krieg irgendwie verhindern, Sorral. Ich möchte nicht soviel Blut an meinen Händen kleben haben."
   Sorral hingegen sagte nur: "Ein Maigan mit solcher Macht kann nur bedeuten, dass es einen Krieg geben wird. Einen gewaltigen Krieg." Dann riss er seinen Blick vom verwüsteten Wald los. "Ist das der Grund, warum du die Erste Schrift benutzen konntest? Weil du mehrere Gaben beherrschen kannst?"
   Talaan schüttelte den Kopf. "Nein es... es lag an etwas anderem. Warum konntest du den Zauber nicht verwenden?"
   Sorral sah ihn an, als ob Talaan gefragt hätte, warum der Himmel nicht grün ist. "Ich habe das Muster in meinem Geist geformt, so wie ich auch die Blitze herbeirufe, aber ich habe seine Magie nicht nutzen können."
   Talaans Augen leuchteten auf. "Du verwendest auch Geistessymbole? Das könnte ja heißen..."
   Mit dem Zeigefinger fuhr er durch die Luft und ließ eine bläulichweiß schimmernde Spur zurück. Eine Weile arbeitete er konzentriert und hatte bald das recht einfache Zeichen der Ruhe fertiggestellt. Nun schwebte es vor ihnen in der Luft. Ein kleines Kunstwerk aus räumlich verschlungenen, gebogenen und geraden Linien.
   "Versuch es.", forderte er Sorral auf. "Konzentriere dich dabei auf die Flammen vor uns."
   Sorral sah das Symbol zweifelnd an. Er kniff die Augen zusammen und warf einen Blick zu dem brennenden Baum. Es geschah nichts. "Ich bin nicht wie du. Ich kann es nicht lernen.", sagte er schließlich.
   "Das Symbol ist mehr als nur Linien, Sorral. Du musst auch verstehen, was seine Magie bewirkt, um sie nutzbar zu machen." So erklärte Talaan ihm ausführlich, wieso Ruhe Feuer zum Erlöschen bringen konnte, wie sich die Fäden der Magie zusammensetzten und vieles mehr.
   Plötzlich erloschen die Flammen mit einem Schlag.
   Triumphierend strahlte Sorral Talaan an. "Ich kann es lernen! Es war nicht leicht, aber es ging!"
   Talaan strich sich nachdenklich über das Kinn. Wenn ein Maigan einen Zauber einfach lernen konnte... "Wie hast du den Blitzzauber erlangt?"
   Sorral zuckte mit den Schultern. "Ich weiß nicht... Vor knapp vier Wochen, als ich von einem Tiger angegriffen wurde, hatte ich ihn plötzlich im Kopf. Das hat mir das Leben gerettet. Wie es in den Überlieferungen steht: Es war eine Wahl des Schicksals."
   War es möglich durch Zufall einen Zauber zu entdecken? Wenn ja, war es Talaan verst\xE4ndlich, warum es nur so selten einen Maigan gab.
   "Hör mal, Sorral. Ich würde dir gerne diesen kleinen Luftbildzauber beibringen. Ich bin begierig, diesen Kugelblitz zu beherrschen."
   Also lernte Sorral das Muster. Wieder hatte er anfangs Schwierigkeiten, meisterte es dann aber doch noch. Dann begann er sein eigenes Kunstwerk des Kugelblitzes.
  
Kirra saß am Rande der Plattform, die Talaans Haus umgab, und ließ die Beine baumeln, als er kam. Ihre Anwesenheit überraschte ihn. Seit dem Tag, an dem sie ihn geküsst hatte, war sie ihm stets ausgewichen und hatte es vermieden, mit ihm allein zu sein. Diese wachsende Entfernung tat weh. Es war so schön gewesen, heute mit ihr zu tanzen.
   "Kirra!" Er half ihr auf die Füße. "Was tust du denn hier?"
   Sie wirkte ein wenig mürrisch, als sie antwortete. "Loma hat diesen Sorral eingesponnen. Unser Zimmer ist für zwei schon klein, deswegen dachte ich mir, dass ich vielleicht bei dir übernachten könnte, bis er das Dorf verlässt."
   Talaan lachte amüsiert auf. "Also war es Loma, von der Sorral gesprochen hat. Aber sie ist doch sechzig Jahre jünger als er! Ich meine, selbst wenn MaKri hundertachtzig Jahre alt werden..."
   Kirra lächelte und sah ihn herausfordernd an. "Ich schätze, die Schwäche für erfahrene Männer liegt bei uns in der Familie."
   "Wenn das so ist, komm rein.", erwiderte er grinsend und bereute seine Aufforderung beinahe, als er kurz einen traurigen Ausdruck in Kirras Miene ausmachte.
   "Kirra... Hältst du das für eine gute Idee? Hier zu schlafen, meine ich."
   Sie zog ärgerlich die Stirn zusammen. "Wenn du mich nicht hier haben willst..." Sie packte energisch ihr Bündel und wollte sich an ihm vorbeischieben.
   "Ich habe dich nie gemieden, Kirra. Du warst es.", sagte er ernst und gab ihr den Weg frei. Sie blickte ihn böse an und ging.
   "Bitte bleib, Kirra.", flehte er sie leise an. Ihre Schritte wurden unsicher und nach ein paar Metern hielt sie an und drehte sich um. Doch sie sah ihn nur stumm an.
   Talaan wurde nicht schlau aus ihr. "Warum hast du heute mit mir getanzt, wenn du nichts mit mir zu tun haben willst? Um in meinen Wunden zu bohren?"
   Sie ging in eine leicht geduckte Position über. Sie macht sich kampfbereit! "In deinen Wunden bohren?!", fauchte sie. "Was ist mit meinen?"
   Talaan senkte traurig den Kopf. "Glaubst du, es tut mir nicht weh, wenn du dich von mir entfernst?"
   Langsam entspannte sie sich wieder und fuhr die Krallen ein. "Ich brauchte ein paar Tage Abstand, das ist alles.", murrte sie.
   Erleichtert atmete er auf. Sanft fragte er: "Und warum bist du heute Abend so gereizt?"
   Kirra kratzte mit ihren Zehenkrallen über das Holz der Hängebrücke. "Ich glaube ich bin eifersüchtig auf Loma.", murmelte sie so leise, dass sich Talaan nicht sicher war, ob diese Worte überhaupt für seine Ohren bestimmt waren.
   Er ging zu ihr hin und reichte ihr eine Hand. "Kommst du? Mein Haus steht jederzeit für dich offen."
   Lächelnd ergriff sie seine Hand und drückte kurz fest zu, wie um sich zu vergewissern. "Ich weiß, Talaan."
  
Mit offenen Augen lag sie wach und ließ ihre Augen auf Talaan ruhen. Der schlief friedlich mit ihr zugewandtem Gesicht nur eine Armlänge von ihr entfernt. Lächelnd erinnerte sie sich daran, dass er wie selbstverständlich ihre Felle so nahe bei seinem Nachtlager ausgebreitet hatte. Er wollte sie in seiner Nähe haben.
   Sie hatten viel miteinander geredet und gescherzt, bis ihr Gespräch auf Sorral gekommen war. Da wurde Talaan bedrückt und wortkarg. Er sprach von Krieg, dem Tod des Orakels und Kampfmagie. Und zum ersten Mal sah Kirra in ihm einen Maigan. Talaan schien seine Rolle endlich ernst zu nehmen, aber sie wusste nicht, ob ihr das gefiel.
   Jetzt war er eingeschlafen und sein Gesicht wirkte von allen Sorgen befreit. Nun war er wieder der unbekümmerte junge Mann, in den sie sich verliebt hatte. Keine seltsame Vergangenheit, kein vom Schicksal Erwählter.
   Sein Anblick schmerzte, aber auf eine bittersüße Weise. Vorsichtig, aus Angst ihn zu wecken, strich sie ihm liebevoll über die Stirn. Ein Lächelnd lag auf seinen Lippen, als sie ihre Hand wegnahm.
   Dieses Lächeln erwärmte ihr Herz und sie schlief mit diesem Bild im Gedächtnis schließlich ein.

  
Sorral blieb längere Zeit im Dorf und traf sich jeden Abend mit Talaan im Wald, wo er nach und nach alle Zauber lernte, die Talaan beherrschte. Er tat sich hierbei ziemlich schwer, wenn es um friedliche Dinge wie Heilung oder Schlaf ging.
   Andere Zauber, Kampfmagie, die ihm Talaan später beibrachte, lernte er hingegen ohne Mühe, obwohl die Muster zum Teil viel komplexer waren. Wie es schien hatten er und Talaan gleichermaßen ein Talent für tödliche Thaumaturgie.
   Sie versuchten auch gemeinsam neue Zauber zu entwickeln, hatten aber keinen Erfolg damit.
   Kirra ließ sich inzwischen bei Talaan häuslich nieder. Sie gingen öfters gemeinsam jagen oder erledigten zusammen andere Aufgaben, die im Dorf anfielen. Das brachte ihnen einige Bemerkungen der Dorfbewohner ein, wann sie denn endlich heiraten und Kinder kriegen wollten.
   In diesen Tagen schien wieder alles normal zu sein. Mit ihrer fröhlichen Art hielt sie die Sorgen von ihm fern und er führte weiter das Leben eines ganz normalen MaKri.
   Doch Sorrals Worte ließen ihn nicht los, er schob sie nur jedes Mal beiseite. Aber es wurde immer schwerer. Mit jedem Tag, an dem er Kirra mehr in sein Herz schloss, wurde seine Angst sie zu verlieren größer. Ein Krieg der selbst das Orakel vernichten konnte?
  
"Guck nicht so trübsinnig.", sagte Kirra und riss ihn aus seinen Gedanken. Sie saßen gerade am Rande des Dorfes und nahmen die von ihnen erjagten Guons aus. "Du steckst mich noch an."
   Ihr fröhliches Lächeln schaffte es beinahe wieder, seine Sorgen zu vertreiben. Beinahe. Es wird vernichtet, wenn wir im Kampf versagen. "Erzähle mir vom Orakel.", bat er sie ernst.
   Kirras Lächeln bröckelte. "Es gibt gewiss andere MaKri, die dir viel mehr darüber erzählen könnten als ich."
   "Aber ich kann sie nicht fragen. Jeder Andere würde sich doch sehr wundern, dass ich so gut wie Nichts darüber weiß. So weit aus dem Norden kann man nicht kommen."
   Sie legte ihren Kopf neugierig schief und musterte ihn fragend. "Wie lange soll das noch gehen, Talaan? Wie lange wirst du dich noch hinter dem Namen Shimar verstecken und jeden, den du kennst täuschen?"
   Diese Frage hatte er sich selbst oft genug gestellt. Und er hatte immer noch keine Antwort darauf. "Ich weiß es nicht. So lange wie möglich?" Er wollte doch nur ein normales Leben führen. War das zuviel verlangt? "Spätestens wenn der Krieg kommt... Lass mir noch Zeit, ja?"
   Kirra grinste ein nicht ganz so gelungenes, fröhliches Grinsen. "Von mir bekommst du soviel Zeit, wie du willst."
   "Das Orakel..."
   Schwermütig seufzend gab sie es endlich auf, vom Thema abzulenken. "Was willst du hören?"
   "Alles was du weißt. Was ist das Orakel? Wo kommt es her?"
   Kirra begann zu kichern, diesmal echt und unbeschwert. "Die Frage aller Fragen gleich zuerst. Nicht einmal die Gelehrten sind sich einig, was es ist. Wir wissen nur, dass es lebt, da es zu uns spricht und wir wissen, dass es unsterblich seien muss. Es war schon da, als die Kri dieses Land zu besiedeln begannen. Das ist ewig her, weißt du. Es gibt schon längst keine Aufzeichnungen mehr aus dieser Zeit. Nur die Erste Schrift des Orakels, natürlich."
   Kirras Augen glommen nun mit Faszination. "Und es ist unglaublich weise, sagt man. Bisher gab es niemanden, der von den Antworten, die es gab, enttäuscht war. Außer den Narren, die keine ernste Fragen im Herzen trugen."
   "Jeder darf es besuchen?"
   "Jeder Kri darf die Halle des Lichts betreten. Auch die TaKri kommen, um es zu konsultieren, obwohl sie den Dschungel sonst meiden. Es soll sogar Menschen gegeben haben, die es um Rat ersuchten.
   Es gibt nur eine Regel: Man muss eine Frage haben, die einem viel bedeutet. Sie muss nicht von großem Wert für Andere sein, nur der eigne Glaube an ihre Wichtigkeit zählt. Nur dann zeigt sich das Orakel."
   "Und? Hast du es schon besucht?"
   Kirra schüttelte bestimmt den Kopf. "Bisher waren die kompliziertesten Fragen, die sich mir stellten, mit wem ich zusammen auf die Jagd gehe oder so was in der Art. Weißt du mein Leben war unkompliziert, bis ich dich getroffen habe?" Sie sah ihn halb belustigt vorwurfsvoll, halb traurig an.
   Jetzt wurde ihm mulmig zu Mute. Wenn er sie dort sitzen sah war er schon glücklich. Allein ihr Anblick reichte, und dazu ihre Stimme. Aber was sollte er ihr sagen? Dass er sie auf eine Weise liebte, die er selbst nicht verstand? Dass er sie liebte, ihr tierisches Äußeres ihn aber davon abhielt sie zu küssen?
   Also ließ er sie weiter in dem Glauben, dass sich sein Herz noch nicht entschieden hatte. "Kirra, ich..."
   Sie legte einen Finger auf die Lippen und zwinkerte ihm ermutigend zu. Ihre Traurigkeit wirkte wie weggefegt. "Das Orakel beantwortet auch nicht jede Frage.", nahm sie den Faden wieder auf. "Es kann zwar in die Zukunft sehen, aber aus irgend einem Grunde sieht es unendlich viel davon. Der Blick in die Vergangenheit scheint ihm auf eine ähnliche Weise verwehrt."
   "Aber was ist mit der Ersten Schrift des Orakels? Sie ist doch eine Art Prophezeiung."
   "Das wird wohl auf ewig das Geheimnis des Orakels bleiben. Keiner weiß, warum es den Kri die Schrift anvertraute. Es kann keine bestimmte Zukunft sehen."
   Das verwirrte ihn jetzt endgültig. Was war ein Orakel wert, wenn es nicht in die Zukunft sehen konnte? "Was für eine Frage kann ich ihm denn dann stellen?"
   Kirra lächelte geheimnisvoll und machte eine theatralisch weit ausholende Geste mit den Händen. "Das wirst du wissen, wenn du sie gefunden hast.", erklärte sie in einem rezitierenden Tonfall und brach sofort in ein Kichern aus. "Das hat zumindest die alte Rerrena jedem erzählt, der sie danach fragte. Sie ist eine der großen Gelehrten, die das Orakel ihr Leben lang studiert haben."
   Kirra wurde auf einmal wieder ernst und ihre Stimme war nachdenklich, als sie fortfuhr: "Sie wird wohl Recht haben. Bisher ist noch nie jemand vom Orakel enttäuscht worden, wie ich schon sagte."
   "Ob ich es aufsuchen sollte? Ich weiß wirklich nicht, was ich tun soll."
   "Solang das deine Frage ist, brauchst du vermutlich gar nicht erst losziehen.", antwortete sie nur und zuckte mit den Schultern. "Jetzt aber genug geredet! Wir müssen das Fleisch im Dorf verteilen, bevor es noch mehr Fliegen anzieht und verdirbt."
   Sie machten sich daran, das Fleisch in die ausgeschabten Felle zu tun. "Eine Frage noch, Kirra. Warum hast du vorhin versucht abzulenken?"
   Kirra zögerte in ihrer Bewegung, sah aber nicht auf. "Ich wollte nicht, dass wir darüber sprechen.", murmelte sie leise. "Ich mag es nicht, wenn du dir Sorgen machst. Die Sorgen werden dich noch früh genug finden."
   Mit diesen Worten packte sie das fleischgefüllte Fell und stapfte in Richtung des Dorfes.
  
Die beiden wurden immer unzertrennlicher. Und als Sorral das Dorf schließlich verließ, blieb Kirra einfach weiter bei Talaan wohnen. Sie gewöhnte sich allmählich daran von Talaan wie eine kleine Schwester behandelt zu werden. Und er war sowieso glücklich, wenn Kirra in seiner Nähe war.
   So verging Woche um Woche, bis der Tag kam, an dem sich für sie alles ändern sollte.
  
An diesem Tag war Kirra besonders ausgelassen. Sie lief die ganze Zeit mit einem fröhlichen, hintergründigen Lächeln durch die Gegend und warf Talaan bedeutungsvolle Blicke zu.
   "Sag mal, was ist eigentlich los?", fragte er sie schließlich amüsiert. Ihre gute Laune färbte geradezu ab.
   "Schon vergessen, was für ein Tag heute ist?"
   "Heute?" Er hatte keine Ahnung.
   "Wir haben vor genau drei Monaten eine Wette abgeschlossen.", half sie ihm auf die Sprünge.
   Jetzt ging ihm ein Licht auf. Entweder sie warf ihn in einen Fluss oder er verdiente sich einen Kuss. "Und deswegen freust du dich so?"
   "Egal wer gewinnt, es wird spaßig.", antwortete sie mit einem breiten Grinsen.
   Jetzt verstand er entgültig. "Versprich mir, dass du nicht mogelst!"
   Sie warf ihm einen gespielt beleidigten Blick zu. "Und dir den Sieg schenken? Ich kann es gar nicht erwarten, dich im Fluss um dein Leben kämpfen zu sehen."
   "Das wird sich noch zeigen! Wann wollen wir anfangen?"
   "Warum nicht gleich?"
   "Gut. Wer zuerst mit dem Reh wieder im Dorf ist hat gewonnen." Mit einem schelmischen Grinsen schnappte er einen Speer, der an einem Baum lehnte, und rannte los.
   "Das ist ungerecht, du Schuft!", rief sie ihm nach. Triumphierend erhob er die Waffe über den Kopf.
  
Drei Stunden später kehrte er mit einem erbeuteten Reh auf dem Rücken ins Dorf zurück. Er hatte ewig suchen müssen, um überhaupt eins aufzuspüren. Irgendwie hatte er die dumpfe Ahnung, das Kirra ihm die ganze Zeit über verschwiegen hatte, wo sich hier in der Gegend Rehe tummelten.
   Und tatsächlich saß Kirra bereits auf dem Dorfplatz und nahm ihre Beute aus. "Du hast dir Zeit gelassen! Bist du so versessen auf ein Bad im Fluss?" Sie sah ihn triumphierend an.
   Er murmelte etwas von "Glück" und machte sich dann systematisch daran, sein eigenes Reh zu zerlegen. Kirra war natürlich längst vor ihm fertig und genoss es sichtlich, ihm bei der Arbeit zuzusehen. Sie war mit jedem Haar ihres Fells der strahlende Sieger.
   "Mach dir nichts daraus. Wenn du den heutigen Tag überlebst, werde ich dir zeigen wo du Rehe in Massen finden kannst.", stichelte sie.
   Ein allerliebstes Lächeln war die Antwort. "Ich werde es genießen, den Staub aus meinem Fell zu waschen."
   "Sicher."
   Kirra würde noch ein Wunder erleben. Er hatte sich umgehorcht. Die meisten MaKri hassten das Wasser in größeren Mengen und nur wenige konnten wirklich schwimmen. Wasser machte ihm aber nichts aus.
  
Am frühen Nachmittag standen sie am Ufer jenes Flusses, der sich in der Nähe des Dorfes durch den Dschungel schnitt. Sie waren auf einen Ast geklettert, der wie eine Leitplanke über dem Wasser schwebte.
   "Das ist deine letzte Chance!", droht sie ihm. "Du weißt was zu tun ist, um dem hier zu entkommen."
   Er wusste, dass sie es nicht ernst meinte. Seit ihrem ersten und einzigen Kuss hatte sie ihn nie gedrängt. "Dich selbst ins Wasser schubsen?", fragte er.
   "Du!", rief sie aufbrausend und stieß ihn heftig vom Ast hinunter. Er erlaubte sich eine elegante Drehung und tauchte mit einem Kopfsprung ein. Das Wasser zerrte bei jeder Bewegung ein wenig an seinem Fell, aber es war bei weitem nicht so schlimm wie er erwartet hatte. Er machte ein paar Tauchzüge, wobei er zuerst nicht mit seinen veränderten Beinen zurechtkam.
   Als er auftauchte, sprudelte er vergnügt einen Wasserstrahl aus seinem Mund und ließ sich dann auf dem Rücken treiben. Die Sonne wärmte sein nasses Fell sofort auf. "Ah, ist das herrlich.", seufzte er genüsslich und paddelte ein wenig vor sich hin, bis Kirra über ihm in sein Gesichtsfeld kam.
   Sie starrte ihn ungläubig an. "Du kannst schwimmen!"
   Er erlaubte sich ein selbstgefälliges Grinsen. "Habe ich dir das nicht erzählt? Muss ich vergessen haben."
   Lachend schüttelte sie ihren Kopf. "Ein Kri, dem das Schwimmen Freude bereitet. Ich schätze, wir sind quitt."
   "Oh, das glaube ich nicht. Komm doch rein!" Er griff nach ihrem Schwanz, der vom Ast herunterbaumelte und sie zog ihn panisch im letzten Moment zurück.
   "Ich kann nicht schwimmen!", fauchte sie. "Ich will nicht triefend nass und halbtot unten an der Flussbiegung an Land gespült werden, wie ich es eigentlich dir zugedacht hatte."
   "Soll ich es dir beibringen?"
   Sie legte den Kopf schief und schien abzuwägen, ob er verrückt war oder nicht. "Wozu? Es gibt nur sehr wenige Gewässer im ganzen Regenwald, in denen man nicht stehen kann."
   "Wenn man es einmal beherrscht, ist es, als könne man fliegen.", schwärmte er. Zum Beweis holte er tief Luft und tauchte unter. Er vollführte eine Rolle, glitt in geschlängelten Bahnen mal nach links, mal nach rechts und fühlte sich dabei schwerelos und frei.
   Er tauchte auf und sah Kirra erwartungsvoll an. Sie schaute immer noch zweifelnd drein, aber in diesem Moment wusste er, dass er sie hatte. "Komm schon, Kirra. Ich lasse dich schon nicht ertrinken."
   Mit einem gequälten Lächeln gab sie endlich nach. "Ein Versuch ist es wert."
   "Ein wenig flussabwärts ist ein flaches Ufer?", fragte er nach. "Dort können wir anfangen. Wer zuerst da ist gewinnt!" Mit diesen Worten begann er loszuschwimmen.
  
Kirra war natürlich schneller und wartete demonstrativ gelangweilt auf ihn. "Ich glaub, ich habe es mir anders überleget.", versuchte sie zu entkommen.
   "Nichts da,", unterband er jeglichen Widerstand, "komm schon rein. Das Wasser ist angenehm warm."
   Er paddelte ein wenig umher. Als er Kirra wieder ansah, lag ihr Oberteil am Boden und sie war gerade damit beschäftigt, ihren Gürtel zu öffnen. "Was tust tu da?", fragte er entgeistert.
   Sie hielt inne. "Was meinst du?"
   "Warum ziehst du dich aus?" Er heftete seinen Blick auf ihr Gesicht.
   "Eine dumme Frage, ich will ins Wasser. Ist das bei den Menschen etwa nicht üblich?"
   Er schluckte. Er hatte bereits am Rande mitbekommen, dass die MaKri wohl nicht so viel Wert auf Kleidung legten und Nacktheit für etwas vollkommen natürliches hielten. Für sie war Kleidung nur praktisch, um empfindliche Körperteile zu schützen. Aber dass sich Kirra jetzt vor seinen Augen auszog passte ihm gar nicht. "Nicht so richtig, nein."
   Sie runzelte kurz die Stirn. "Ich werde jedenfalls meine Kleidung nicht im Wasser tragen, das ist albern und unpraktisch." Damit wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder ihrem Gürtel zu.
   Sein Blick zuckte kurz zu ihrem Busen hinunter. Das vorne hellere, beinahe weiße Fell bedeckte ihn natürlich vollkommen, überließ von der Form ihrer Brüste allerdings nichts der Vorstellung. Sie waren recht klein und wohlgeformt und passten wunderbar zu ihrer athletischen Figur.
   Als ihr Lendentuch zu Boden viel, drehte er ihr den Rücken zu und machte ein paar Schwimmzüge. Er wendete und sie stand immer noch am Ufer. Es war nicht leicht, alles unterhalb ihres Halses zu ignorieren, zumal sein Kopf auf Höhe ihrer Füße war.
   "Wasser ist widerlich.", maulte sie und tippte vorsichtig mit einem Ballen in das Wasser. Rasch zog sie ihren Fuß zurück. "Es ist kalt und wenn man rauskommt ist das ganze Fell nass."
   Freiwillig würde sie nicht ins Wasser kommen, soviel war klar. Es blieb ihm wohl nichts anderes übrig, als seine Scheu zu überwinden und zu versuchen, ihren Körper nicht ständig anzustarren. Er paddelte zu ihr und blieb vor ihr stehen. "Wenn du dein Fell noch nicht nass gemacht hast, gibt es keinen Grund, dich jetzt schon zu beschweren."
   Blitzschnell griff er nach ihrer Hand und zog sie in Richtung Wasser. Sofort versteifte sich Kirra und leistete Widerstand. Also ließ er sich nach hinten fallen und zog sie zu sich runter. Er brachte einen Fuß zwischen sie beide, setzte ihn auf ihren Bauch und warf sie so über sich hinweg weg ins Wasser.
   Es platschte laut als Kirra unter Wasser verschwand. Mit einem Prusten tauchte sie wieder auf und sprang auf die Beine. "Wie kannst du..."
   Er brach ihren Zorn mit dem freundlichsten Lächeln, das er zustande brachte. "Und? So schlimm wie befürchtet?"
   Immer noch verärgert rümpfte sie die Schnauze. Er liebte es, wenn sie das tat. Sie sah dann richtig putzig aus, aber das hätte er ihr nie ins Gesicht gesagt. "Nein."
   "Und jetzt, wo du einmal nass bist, können wir ja anfangen. Komm mit."
   Sie wateten weiter ins tiefere Wasser, wo sie beide noch bequem stehen konnten. "Es ist wichtig, dass du ruhig bleibst. Das Wasser ist nicht dein Feind, sondern dein Freund. Es trägt dich, wenn du nicht wild herumstrampelst." Er zeigte ihr, worauf es bei den einfachsten Schwimmzügen ankam. Brustschwimmen war wohl das einfachste, also beschränkte er sich darauf.
   Dann forderte er sie auf, es ihm nachzumachen. Er schob unterstützend eine Hand unter ihren Bauch und ließ ihr Zeit, sich an das ungewohnte Gefühl zu gewöhnen. Kirra lernte schnell, auch wenn es sie einige Überwindung kostete dem Wasser zu vertrauen.
  
Nachdem sie ihre ersten selbstständigen Schwimmversuche gemeistert hatte, wobei sie immer den Anschein erweckte gleich unterzugehen, sah sie zum Himmel auf und meinte: "Lass uns aufhören. Ich bin vollkommen erschöpft und wir brauchen noch ein wenig Sonne, um unser Fell zu trocknen."
   Sie gingen zum Ufer. Kirra stieg als Erste aus dem Wasser und Talaan konnte dem Anblick ihres appetitlich gerundeten Pos nicht wiederstehen. Der Schwanz in der Mitte störte ihn auf einmal wenig.
   Als sie sich plötzlich zu ihm umdrehte, schnellte sein Blick fort, aber er war sich nicht sicher, ob sie es nicht doch bemerkt hatte. Er fragte sich, wieso ihm erst jetzt auffiel, wie gutaussehend ihr Körper war. Beziehungsweise das, was unter ihrem Fell verborgen lag. Dabei hatte er sie schon des öfteren von hinten ohne Kleidung gesehen. Das blieb nicht aus, wenn man zusammen wohnte.
   "Das müssen wir wieder machen, Talaan.", sagte sie mit einem zufriedenen Lächeln. Oder war es ein wissendes? "So schlimm, wie ich dachte, ist das Wasser nicht." Kirra schüttelte sich heftig und das Wasser spritze in alle Richtungen.
   Talaans Lendentuch klebte schwer an seinem Körper. Jetzt verstand er, warum Kirra ihre Kleidung vorher ausgezogen hatte. Er musste es jetzt sowieso irgendwie loswerden. Kirra wrang gerade ihren Schwanz aus und schien ihn nicht zu beachten.
   Wird Zeit zu lernen, wie ein MaKri zu denken., dachte er und streifte sein nasses Lendentuch rasch ab. Er hängte es an einem Ast in die Sonne, damit es schneller trocknete. Als er sich umdrehte, musterte ihn Kirra ohne Scheu. Er war sich seiner Nacktheit sehr wohl bewusst, aber wenigstens war in diesem Körper sein Glied in einer Scheide verborgen. Es war schon seltsam, dass er auf einmal nicht mehr den Eindruck hatte, das ein Fell eine Art Kleidung war. Weder bei ihm noch bei Kirra.
  
Ohne einen Kommentar legte sich Kirra in das Gras und ließ sich die Sonne auf den Bauch scheinen. Ihr waren Talaans Blicke selbstverständlich aufgefallen und aus seinem leicht beschämten Verhalten schloss sie, dass ihm wohl gefallen hatte, was er sah. Sein Anblick war auch keine Beleidigung für ihr Auge gewesen. Sie hatte eine Schwäche für den Schwanzansatz von Männern, was wohl auch mit dem Hintern zu tun hatte, der dazugehörte.
   Es raschelte neben ihr im flachen Gras, als sich Talaan ebenfalls zum Trocknen hinlegte. Für ihren Geschmack lag er ein wenig zu anständig weit weg. Sie lächelte in sich hinein. Das würde sie ändern können.

   Genüsslich schloss er die Augen und ließ die Sonne ihr Werk tun. Die Wärme kroch in seinen leicht unterkühlten Körper und ließ ihn genüsslich schnurren. Verdutz stellte er fest, dass er es tat. Er hatte noch nie geschnurrt, aber es schien ihm passend. Wieder Instinkte. "Allein dafür lohnt es sich, Schwimmen zu gehen.", meinte er.
   "Pah! Das kann ich auch haben, ohne nass zu werden.", widersprach sie.
   Eine Weile teilten sie ein angenehmes Schweigen und genossen die Wärme.
  
Als ihr Fell auf der Vorderseite trocken war, rollte sie sich herum, natürlich in seine Richtung. Sie streckte sich behaglich und auf eine Weise, von der sie wusste, dass sie ihre Figur zu Geltung brachte. Nicht unzufrieden bemerkte sie, dass Talaans Blicke über ihren Körper huschten. Sollte er ruhig glauben, sie währe sich ihrer erwachten Anziehungskraft auf ihn nicht bewusst. Er sollte schmoren.
   Talaan kam nicht umhin sich ebenfalls auf den Bauch zu drehen, tat es aber auf der Stelle. Sonst währe er gegen Kirra gestoßen und einen Rückzug, fort von ihr, wollte er nicht. Sie spielte mit ihm und er hatte vor, diesmal mitzuspielen.
   Die Zeit verstrich und Kirra schien einzuschlafen. Oder war es nur ein Trick? Ihr Atem ging langsam und gleichmäßig. Mit einem wohlig Schnurren wälzte sie sich herum und kam dicht neben ihm wieder auf dem Rücken zu liegen. Jetzt war er sicher, dass sie nicht schlief.
   Aber es war ihm egal. Er drehte sich auf die Seite, stütze seinen Kopf auf eine Hand und sah sie unverhohlen an. Ihm war noch nie aufgefallen, wie feminin ihr Gesicht war. Ihr Kopf war kleiner als der von männlichen Kri und zarter in der Form. Mit geschlossenen Augen sah sie so friedlich und zauberhaft aus.
   Sanft strich er mit seinen Fingerspitzen über den Rücken ihrer Schnauze und ihre Stirn. "Was du heute mit mir machst ist nicht fair, Kirra.", flüsterte er.
  
Als sie seine zärtliche Berührung im Gesicht spürte, begann ihr Herz lautstark zu pochen und sie schlug die Augen auf. Er hatte es endlich getan. Sie schenkte ihm ein warmes Lächeln. "Irgendwann musst du ja einsehen, dass du nicht mein großer Bruder bist."
   Ihr Lächeln erwärmte sein Innerstes. All seiner Zuneigung, die er für sie schon seit langem empfand, bot sich jetzt ein Weg sich auszudrücken. Er beugte sich über sie und küsste sie. Das Fell über ihren Lippen strich sinnlich über seines, als er das tat. Ihr Kuss wahr unglaublich sanft.
  
Sein Kuss war zaghaft und sie wagte es nicht, sofort mehr von ihm zu fordern. Er liebkoste sie mit einer Innigkeit, wie sie Kirra bei seiner manchmal frechen, aber oft doch sehr ernsten Art nie für möglich gehalten hatte.
   Als seine Hand, die auf ihrem Bauch ruhte, nach oben wanderte und ihre linke Brust bedeckte, teilte sie ihre Lippen und ihre Zunge tastete nach seiner. Er schrak vor diesem ungewohnten Gefühl ihrer rauen, langen Zunge zurück.
   "Daran werde ich mich erst mal gewöhnen müssen.", stellte er lächelnd fest. Und er wollte es.
   Kirra ergriff seine Hand und legte sie sachte zurück auf ihren Bauch. "Wir müssen uns beide ein wenig Zeit lassen."
   Er küsste sie erst auf die Nase und dann wieder auf den Mund. Vorsichtig befühlte er mit seiner Zunge ihre spitzen Zähne, taste nach ihrer Zunge und gab ihr ein kurzes Lecken. Dann zog er sich zurück und sie folgte ihm. Ihre Zunge war rauer als eine menschliche, fühlte sich aber dennoch unglaublich zärtlich an, als sie kurz über seine glitt. Sie kosteten voneinander. Kurze, liebevolle Zungeküsse wechselten sich mit einfachen, innigen Küssen ab.
   Sie atmeten beide schwer, als sie sich voneinander trennten. Erst jetzt wurde er sich bewusst, dass er sich eng an sie geschmiegt hatte und sie sich in den Armen hielten. Er sah tief in Kirras saphirblaue Augen und sie in die seinen.
  
Seine rubinroten Augen schwebten über ihr und in diesem Moment gab es auf der Welt nichts anderes für sie. "Du weißt, dass ich dich liebe, nicht wahr, Kirra?", sagte er mit seiner sanftesten Stimme. Auf diese Worte hatte sie lange genug gewartet und sie zu hören war eine Befreiung. Nie wieder würde sie ihre wahren Gefühle ihm gegenüber verbergen müssen.
   Sie schlang ihren Schwanz verführerisch um den seinen und nickte. "Seit langem schon. Du hast dir nur reichlich Zeit gelassen, mich als begehrenswert zu entdecken." Wie begehrenswert, spürte sie deutlich an dem, was gegen ihre Hüfte drückte. Erst jetzt wurde sie sich wirklich bewusst, dass sie sich vollkommen nackt aneinander kuschelten und sie schob sich mit einem leichten Bedauern von ihm fort.
   Als er bemerkte, warum sie auf Abstand ging, wurde er verlegen und sah zu Boden. "Tut mir leid."
   "Was denn?", fragte sie und ließ eine Hand über seine Brust streichen. Sie konnte jeden angespannten Muskel darunter fühlen und wollte so gern mehr von ihm. "Dass du ein Mann bist? Soweit ich weiß, waren es wir beide, die sich nicht gerade schüchtern benommen haben."

   Er war verunsichert. Er glaubte in ihren Augen Bedauern zu sehen, als sie ihre Hand zurückzog. Aber als er mit seinem Schwanz ihr Bein empor streichelte, nahm sie ihn sanft beiseite und sagte: "Du solltest dich besser wieder anziehen."
   Widerstrebend nickte er und stand auf. Die Luft, die um sein hartes Glied strich wirkte kalt im Vergleich zu ihrem Körper. Talaan ging zu dem Ast, wo sein Lendentuch hing und zog es an. Er versuchte seine Erregung ein wenig unter Kontrolle zu bringen, aber es gelang ihm nur sehr schwer. Sein Verlangen war stärker, als alles, was er bisher kannte. Das war das Raubtier in ihm, seine Instinkte.
   "Gehen wir?", fragte er und drehte sich zu ihr um.
   Kirra trug inzwischen ebenfalls wieder ihr Lendentuch, aber ihr Oberteil lag immer noch im Gras. Sie kam auf ihn zu, umarmte und küsste ihn. "Sei kein Narr, Talaan. Ich stoße dich doch nicht von mir fort, nachdem ich so lange gewartet habe."
   Vollkommen verwirrt ließ er sich von ihr zu Boden ziehen und schon bald lag sie über ihm und liebkoste seine Schnauze mit ihrer eigenen. Sie rieb ihre Wange sanft an ihm. Ihr Busen schmiegte sich gegen seine Brust und ihr Schwanz schlängelte sich um sein Sprunggelenk. Talaan war von dieser geballten Sinnlichkeit vollkommen überfordert und konnte nur genießen.
   "Ich verstehe überhaupt nichts mehr.", gab er wonnig schnurrend zu.
   Ihre Zunge leckte über die Innenseite seines Ohres und jagte einen erregenden Schauer durch seinen Körper. "Berühre mich, wo du willst, Geliebter.", wisperte sie. "Aber alles unter unsere Kleidung ist tabu."
   Er gab ihr die gleiche Zärtlichkeit zurück und sie schnurrte kehlig. "Ich will dich nicht drängen, aber... warum nicht mehr?" Die MaKri gingen eigentlich sehr offen und freizügig mit ihrer Sexualität um. Soweit er das mitbekommen hatte, war Loma in der letzten Zeit mit drei verschiedenen Männern zu Hause erschienen. Sie hatte mit ihnen die Nacht verbracht und ihre Mütter hatten nicht einen Ton darüber verloren.
  
Sie hörte mit ihren Zärtlichkeiten auf und sah ihm ernst in die Augen. "Verstehst du es denn nicht?"
   "Nein."
   Kirra streichelte liebvoll seinen Kopf. Sie vergaß immer wieder, das er ihre Bräuche nicht kannte "Ich möchte nicht nur ein paar Nächte mit dir verbringen, Geliebter, sondern mein ganzes Leben." Er sah sie überrascht an, aber dann wurde daraus ein breites, glückliches Grinsen, aus dem wieder ein himmlisch verliebtes Lächeln wurde.

   "War das ein Heiratsantrag?" Als sie wieder den Kopf schief legte und ihn einfach nur fragend von oben her ansah, hatte er seine Antwort. "Du und ich? Ein Leben lang?" Sie nickte. "Nichts würde mich glücklicher machen." Er zog sie zu sich und küsste sie lang und innig.
   "Aber was hat unsere Hochzeit hiermit zu tun?", fragte er schließlich.
   Sie gab ihm einen Kuss auf die Nase. "Das ist nun mal Sitte bei den MaKri. Einen Monat lang müssen wir jetzt uns und dem Dorf beweisen, dass es unsere Liebe ist, die uns bindet, nicht der Wunsch miteinander zu schlafen."
   Mit ausgefahrener Kralle fuhr er mit seinem Zeigefinger ihren Rücken hinab. "Aber Anfassen ist erlaubt?"
   Sie wiegte bedächtig den Kopf hin und her. "Es ist nicht ausdrücklich verboten." Dann begann sie an seinem Hals zu knabbern. "Wir müssen es ja auch keinem erzählen."
  
Als sie Kirras Eltern ihren Entschluss mitteilten, war es ausgerechnet Liha, die es am ruhigsten aufnahm. Sie umarmte Talaan herzlich und sagte nur: "Bist du endlich zu Verstand gekommen, Shimar."
   Nashem und Eliha beglückwünschten beide überschwänglich und hießen ihn in der Familie willkommen. Nur Loma wirkte ein wenig bedrückt. "Jetzt nimmst du mir meine Schwester endgültig weg.", schmollte sie und drückte ihn dennoch fest, als sie ihn umarmte.
   Talaan grinste. "Du schienst nicht gerade darunter gelitten zu haben, dass du euer Zimmer für dich hattest."
   Loma sah leicht verlegen zu Boden. "Damit ist ja jetzt erst mal für einen Monat Schluss. Reißt euch bloß zusammen, ihr beiden, sonst dauert es noch länger."
   Eliha und Liha bereiteten daraufhin ein ausgiebiges Essen zu, das schon einer kleinen Verlobungsfeier nahe kam. In Anwesenheit der eingeladenen Kräuterfrau legten Kirra und Talaan das Versprechen ab, den letzten Monat enthaltsam gewesen zu sein und dass sie es auch im nächsten seien würden.
   Kirra zog wieder zu ihrer Familie und das ganze Dorf wurde benachrichtigt, dass Talaan und sie das Verlobungsgelübde abgelegt hatten. Jeder Dorfbewohner würde ab jetzt Anstandsdame spielen.
   Obwohl Kirra der Sitte wegen auszog, war Talaan die nächsten Tage sehr glücklich. Wann immer er mit ihr zusammen war, sie küsste und in den Armen hielt, gab es für ihn nur noch sie auf der Welt.
   Doch nach vier Tage holte ihn diese Welt gnadenlos wieder ein.
  
Er kehrte gerade mit Nashem von der Jagd zurück. Als sie das Dorf betraten, sahen sie sofort die aufgeregt herbeigelaufene Menge, die vier am Boden liegenden Jägerinnen umringte. Loma war eine von ihnen. Die Kräuterfrau hatte drei von ihnen bereits Bandagen angelegt und verband gerade die vierte.
   "Wie geht es ihnen?", fragte Talaan ernst. Wenn es sein müsste, würde er sie hier und jetzt heilen, auch wenn dies das Ende seiner Maskerade wäre.
   Die Kräuterfrau sah nicht auf, als sie antwortete: "Sie haben sie schlimm zugerichtet, Shimar. Knochenbrüche, tiefe Schnittwunden und Prellungen. Aber sie werden es mit guter Medizin und viel Ruhe überstehen."
   Talaan kniete neben Loma nieder. Kirra saß bei ihr und hielt ihre Hand. Als sie ihn bemerkte, sah sie ihn flehend an. "Sie hat große Schmerzen, Geliebter." In ihren tränenfeuchten Augen schimmerte das verzweifelte Flehen, er sollte ihre Schwester von dem Leiden befreien.
   Sein Gewissen focht einen kurzen Kampf mit seinem Bedürfnis nach einem normalen Leben. Loma sah so schwach aus. In ihrem immer fröhlichen Gesicht war kein Lächeln mehr zu sehen, nur Tränen, die aus ihren geschlossenen Augen hervorquollen und im Fell ihrer Wangen verschwanden. Das Gewissen siegte.
   Er strich sanft eine Träne Lomas mit seinem Finger weg. "Was haben sie dir nur angetan?", flüsterte er, ergriff ihren Kopf mit beiden Händen und öffnete sich ihr. In diesem Moment spürte er jede ihrer Wunden. Eine tiefe, dicht unter ihrem Herzen, wo auch zwei Rippen zertrümmert waren. Die Sehnen ihres rechten Sprunggelenks waren durchtrennt und vieles mehr. Die Qualen, die sie aushielt waren schrecklich.
   Also formte er das Symbol der Heilung. Er griff mit seiner Magie nach ihren Verletzungen und versuchte sie zu heilen. Es war schwer. Ihr Schmerz riss ständig an den Fäden seiner Konzentration und so viele Wunden auf einmal waren mehr, als er gewohnt war. Die Elfen hatten nie gekämpft.
   Nach einer halben Ewigkeit trug er den Sieg davon. Girrads eine Wunde zu heilen war dagegen ein Kinderspiel gewesen. Fürsorglich strich er über Lomas Kopf. Ihre Augen öffneten sich zitternd.
   "Was..."
   Er legte ihr einen Finger auf die Lippen. "Du brauchst jetzt Ruhe, Loma. Schlaf. Kirra, bleib bei ihr!"
   Ohne zu Zögern wandte er sich der nächsten Verwundeten zu, ohne auf das eingetretene Schweigen zu achten. Sie war bei weitem nicht so schwer verwundet wie Loma und war schnell geheilt. Die dritte hatte viele tiefere Schnitte und Brüche erlitten und ihre Heilung nahm einige Zeit in Anspruch. Ihre Schmerzen schwächten ihn zunehmend. Als er mit der letzten Jägerin fertig war, fühlte er sich unglaublich müde. Die Verletzungen der anderen zu spüren war leider notwendig, um die Heilströme lenken zu können.
   Das ganze Dorf sah ihn schweigend an. Unter ihnen entdeckte er Merrel, in dessen Fell getrocknetes Blut klebte.
   "Eine Menschenpatrouille?", fragte er ihn.
   Der alte Krieger schüttelte erbost den Kopf. "Das war keine Patrouille mehr. Zehn Menschen haben uns angegriffen. So wie die ausgerüstet waren, war das eine Erkundungsgruppe. Sie suchen irgend etwas oder bereiten sich auf den Krieg vor."
   Eine Hand legte sich auf Talaans Schulter. Inzwischen war in vielen Gesichtern das Staunen einem freundlichen Lächeln gewichen, das bemerkte er, während er sich umdrehte. Nosher, der Schamane, stand vor ihm.
   "Ich muss dich sprechen, Shimar. Jetzt."
   Talaan nickte. "Gleich." Und zu den anderen MaKri sagte er laut: "Kümmert euch um die Verwundeten. Tragt sie am besten in ihre Hütten. Sie brauchen viel Wasser, Ruhe und Essen."
   "Das werden wir tun, Shimar.", antwortet Nashem. Nur das. Keiner der Dorfbewohner verfiel in irgend welche Maigan-Lobpreisungen. Erleichtert atmete Talaan auf.
   Dann folgte er Nosher. "Was gibt es, Schamane?"
   "Mein Geistesbruder Tonri hat mich heute Nacht in meinen Träumen besucht. Ich habe eine Botschaft der Ältesten der Großen Stadt für Maigan Talaan.", berichtete er gelassen mit leiser Stimme.
   Talaan blieb wie vom Blitz getroffen stehen und starrte ihn an. "Du wusstest es schon vorher?"
   "Komm weiter, oder die Leute werden neugierig, Talaan."
   Er tat wie ihm geheißen und folgte ihm weiter. "Du hast doch nicht ernsthaft geglaubt, die Ältesten der anderen Siedlungen wären nicht eingeweiht?" Nosher lachte amüsiert in sich hinein. "Dein Geheimnis war bei uns sicher. Wir Ältesten sind keine Kinder mehr, die nichts für sich behalten können."
   Talaan seufzte erleichtert. "Ich danke euch. Es war mir sehr wichtig, ein normales Leben zu führen."
   Nosher warf war ihm einen ernsten Blick zu, "Damit ist es jetzt vorbei, fürchte ich. Die Ältesten der Großen Stadt haben eine Botschaft für dich, wie ich bereits sagte. Ich habe sie sofort nach meinem Erwachen für dich aufgeschrieben." Mit diesen Worten überreichte der Schamane Talaan eine Schriftrolle.
   Talaan begann zu lesen:
   "Erwählter Maigan Talaan!
   Von allen Siedlungen her erreichen uns inzwischen die Meldungen über Zusammenstöße mit den Menschen. Nach der Befragung eines gefangenen Soldaten hat sich nun auch der Grund für ihre Anwesenheit ergeben. Sie sind auf der Suche nach der Halle des Lichts, in dem das Orakel lebt.
   Jetzt, da der Grund für die Übergriffe der Menschen bekannt ist, eröffnen sich neue Möglichkeiten. Das Orakel befindet sich in unserem Einflussbereich, was unser Volk in die Position bringt, Forderungen zu stellen. Wir, der Ältestenrat, haben einem vertrauenswürdigen menschlichen Händler eine Botschaft mitgegeben, in der wir dem Herrscher des Westens Verhandlungen über einen begrenzten Zugang zum Orakel anbieten.
   Dein Geistesbruder Sorral hat dich bereits über das mögliche Ende des Orakels in Kenntnis gesetzt. Auch wir und alle anderen Ältesten der MaKri fürchten seine Vernichtung. Der einzige Weg, sie abzuwenden liegt in einer Überwachung der Menschen durch die MaKri. Wenn uns ein Krieg auslöscht, wird das Orakel ohne Schutz sein.
   Da unsere wahre geringe Anzahl dem Feind weiterhin verborgen bleiben muss, werden die Verhandlungen in der Hauptstadt des Westens, Tullma, stattfinden. Du, Maigan, bist der einzige Kri, welcher der menschlichen Sprache mächtig ist und wirst deshalb diese Verhandlungen leiten.
   Erwähle eine Delegation und halte dich bereit. Ein Krieg würde das Ende der MaKri bedeuten. Die Zeit deiner Bestimmung ist nahe.
   Der Segen des Schöpfers sei über dir, Maigan Talaan.
   Die Ältesten der Großen Stadt."
   Ungläubig las er den Brief ein zweites Mal durch. Sie wollten, dass er die Verhandlungen führte? Das musste ein schlechter Scherz seien. Nun, er hatte schon einmal erfolgreich zwischen den Elfen und den Menschen vermittelt, aber das war neunhundert Jahre her und damals hätte ein Versagen nicht zur Auslöschung der Elfen geführt.
   Kopfschüttelnd und in Gedanken versunken, ließ er Nosher ohne ein weiteres Wort stehen und ging zu seinem Haus.
  
Am Abend dieses Tages kam Eliha ihn besuchen. Sie fand ihn auf den Brief der Ältesten starrend vor. Er bemerkte ihr Eintreten nur am Rande.
   "Wie fühlst du dich, mein Junge? Kirra sagte, du warst heute Mittag ziemlich mitgenommen."
   "Was?" Talaan hob wie aus einem Traum erwacht den Kopf und sah sie zum ersten Mal bewusste an. "Ach so, ja... Es geht mir wieder gut, danke. Das Heilen solch schwerer Wunden hat mich nur sehr erschöpft. Wie geht es Loma?"
   "Sie hat sich erholt." Eliha schmunzelte. "Sie ist jetzt schon beinahe wieder so frech wie vorher."
   "Es tut mir leid, dass ich euch alle belogen habe.", sagte er plötzlich. Das hatte ihm die Wochen über am meisten zu schaffen gemacht. Jedes mal, wenn ihn jemand mit Shimar anredete, kam er sich wie ein Betrüger vor.
   "Wir werden es verkraften... Talaan. Auch wenn ich mich erst an diesen seltsamen Namen gewöhnen muss." Wie um ihn zu proben, murmelte sie nochmals. "Talaan."
   "Wie... hat es das restliche Dorf aufgenommen? Sind sie mir böse?"
   Eliha lachte laut auf. "Böse? Nein, mein Junge. Sie sind alle unglaublich stolz darauf, dass eine Tochter des Dorfes die Frau eines Maigan wird. Und sie sind ziemlich verwundert darüber, wie ein so bescheidener Junge wie du ein Maigan seien kann." Sie hob mahnend den Zeigefinger. "Aber glaube jetzt bloß nicht, dass auf einmal alle vor dir auf die Knie fallen und um deine Weisheit betteln, wie sie es bei Sorral getan haben."
   Schmunzelnd schüttelte Talaan den Kopf. "Wohl kaum."
   Sein Blick viel zufällig wieder auf den Brief und er wurde ernst. Er würde dem Dorf sowieso nicht lange erhalten bleiben.
   "Was ist los, Talaan? Du starrst dieses Stück Papier an, als würde es dein Todesurteil enthalten."
   Wie passend. "Vielleicht tut es das auch. Die Ältesten der Großen Stadt wollen, dass ich zu den Menschen im Westen gehe, um mit ihnen Friedensverhandlungen zu führen. Ich weiß nicht, ob ich das schaffen kann."
   Eliha kniete neben ihm nieder und legte ihm tröstlich eine Hand auf die Schulter. "Das musst du auch nicht, Junge. Du bist nicht allein und musst auch nicht alleine bewältigen, was dir aufgetragen ist. Unser Volk ist eine Gemeinschaft, vergiss das nie."
   "Aber wen soll ich mitnehmen? Sorral wird mitkommen, um mir den Rücken freizuhalten, falls es zum Kampf kommt. Ich bräuchte auch noch jemanden, der sich genauer mit dem Orakel befasst hat und einen Schriftgelehrten vielleicht. Kennst du einen?"
   Eliha legte auf die gleiche Art ihren Kopf fragend schief, wie es auch Kirra zu tun pflegte. "Kirra hat Recht, du bist manchmal ganz schön seltsam. Du kennst unsere großen Gelehrten nicht?"
   "Nein. Es tut mir leid, dass ich dir nicht sagen kann warum, aber ich weiß nur sehr wenig über unser Volk."
   Eliha zog eine übertrieben schmollende Miene. "Noch mehr Geheimnisse? Ich schätze das ist das Vorrecht eines Maigan."
   "Hilfst du mir?"
   Sie legte einen Arm um seine Schulter und drückte ihn mütterlich. "Natürlich. Also, pass auf. Der alte Reshero ist vermutlich..."
  
Auf diese Weise vergingen die nächsten Tage in eifriger Geschäftigkeit. Talaan rief mit Noshers Hilfe all jene zusammen, die er für seine Friedensmission brauchte. Wenn sie eintrafen gab es viel zu bereden. Er holte sich Meinungen über mögliche Verhandlungsstrategien ein, lernte viel über das Orakel, die Menschen des Westens und die MaKri und zerbrach sich den Kopf darüber, wie er alles zusammenbringen konnte. Die besten Näherinnen des Dorfes fertigten prachtvolle Kleidung an, die durch schlichte Muster und gute Qualität bestachen. Sie waren eines Friedensstifters würdig.
   Zwei Tage vor der geplanten Hochzeit traf eine Botschaft Tonris ein. Der Herrscher des Westens wäre "hocherfreut" über die Möglichkeit von "zivilisierten Verhandlungen". Die "diplomatischen Würdenträger." wären jederzeit willkommen. Die "unglücklichen Zusammenstöße" im Dschungel würden für die Zeit der Verhandlungen ausgesetzt. Das ganze Geschwafel ließ Talaan Übles ahnen.
   Mit dieser Neuigkeit ging Talaan zu Kirra. Sie wirkte bedrückt. "Wirst du jetzt gleich aufbrechen?", fragte sie schließlich leise. Sie versuchte erfolglos ihre Traurigkeit zu verbergen.
   Talaan schlang seine Arme um ihre Hüften und gab ihr einen leidenschaftlichen Kuss. "Und meine Hochzeit verpassen? Um nichts in der Welt."
   Kirra kämpfte ihr Lächeln nieder. "Aber die Verhandlungen..."
   "Können noch drei Tage warten." Er zögerte weiterzusprechen. War es egoistisch, was er jetzt fragen wollte? "Kommst du mit nach Westen, Geliebte? Es ist wahrscheinlich gefährlich, aber ich liebe dich zu sehr, um so lange von dir getrennt zu sein. Erst recht, wo wir doch heiraten."
   Ihre Augen glühten auf. "Du willst mich mitnehmen?", rief sie erfreut. "Und welche Aufgabe soll ich in deinem Stab haben? Das werden die Ältesten wissen wollen."
   Er schenkte ihr einen langen, sehr zärtlichen Kuss und sah ihr verliebt in die Augen, als er ihr antwortete: "Du bist für mein seelisches Wohlergehen zuständig."
   Kirra ließ ihre Zunge kurz verführerisch über sein Ohr gleiten. "Natürlich begleite ich dich, Geliebter. Deine Seele ist zu wertvoll, um sie anderen zu überlassen."
  
Aufgeregt zupfte Talaan an seinem Gewand herum. Er war es einfach nicht mehr gewohnt, etwas anderes als ein Lendentuch zu tragen und die bevorstehende Hochzeit ließ ihn jede unbequem sitzende Falte deutlich spüren.
   Die drei Jägerinnen Shanri, Jurrea und Limari, die er vor einem Monat geheilt hatte, standen leicht abseits in seinem Haus und versuchten erst gar nicht, ihr Grinsen zu verbergen. Eigentlich war es Brauch, dass Braut und Bräutigam jeweils von ihrer Familie zum Dorfplatz geführt wurden. Die Jägerinnen hatten um die Ehre gebeten, diesen Platz einnehmen zu dürfen.
   "Warum so nervös, Maigan?", fragte Jurrea amüsiert.
   Talaan sah sie kurz strafend an. "Wenn du deine Hochzeit hinter dir hast, kannst du mich ja noch mal fragen."
   Er versuchte sich die ganze Zeit einzureden, dass dies ja schließlich nicht seine erste Hochzeit war und er keine Zweifel haben brauchte, dass Kirra es sich kurzfristig doch noch anders überlegte. Aber es half nichts. Kirra würde heute seine Frau werden, und er hatte das Gefühl, vor Glück platzen zu müssen.
   In Gedanken ging er noch einmal seinen Hochzeitsschwur durch, den er für Kirra erdacht hatte. Ein weiterer Brauch der MaKri. Und ein schöner dazu, wie er fand.
   Merrel steckte den Kopf zur Tür herein. "Es kann losgehen, Talaan. Bist du bereit?"
   "Ob ich bereit bin?" Wenn es nach ihm gegangen wäre, stände er jetzt schon auf dem Dorfplatz.
   Talaan wollte bereits zur Tür hinausstürmen, als ihm zwei der Jägerinnen die Tür mit ihren Speeren versperrten. "Geduld ist nicht deine Tugend, wie es scheint. Wir sind deine Ehrenwache und du wirst nicht ohne uns gehen."
   Mühsam beherrschte sich Talaan und trat einen Schritt zurück. "Tut mir leid. Ich bin nur so..."
   "Aufgeregt.", schloss Limari und bezog vor ihm Stellung, während Shanri und Jurrea sich rechts und links hinter ihm postierten. Sie sollten ihm "den Weg freikämpfen", sollte sich irgend jemand zwischen ihn und seine Liebe stellen.
   Quälend langsam setzten sie sich in Bewegung. Talaans Lungen schienen mit Hunderten von Ameisen gefüllt, die ständig in ihnen umherkrabbelten. Auf einmal war er sicher, dass er keinen Ton hervorbringen würde, wenn er Kirra gegenüberstand. Während sie über die Hängebrücke schritten ging er zum tausendsten Male den Hochzeitsschwur durch.
   Weiter ging der Marsch, Hängebrücken entlang, eine Strickleiter hinab und dann auf die wartenden Dorfbewohner zu. Die Menge teilte sich langsam und ließ sie passieren. Vertraute Gesichter umgaben ihn, nickten und lächelten ihm zu. Dies war seine Heimat. Schließlich trat er auf die kleine Fläche aus bläulichem, warmen Stein, die das Zentrum des Dorfes war. Häuptling Joshad wartete bereits auf ihn.
   An der Bewegung in der Menge der versammelten Kri konnte Talaan erkennen, dass sich Kirra mit ihrer Familie von der anderen Seite her näherte. Die letzten MaKri wichen beiseite und Kirra trat auf die freie Fläche.
   In diesem Moment war für Talaan alles vergessen. Seine Aufregung, Joshad, das versammelte Dorf verschwanden und er hatte nur noch Augen für Kirra. Sie trug ein weißes, ärmelloses Kleid, dass unterhalb des Gürtels in ein langes Lendentuch überging. Bei jeder ihrer Bewegungen schimmerte der Stoff in silbernen und goldenen Farbtönen, die das Kleid in der Sonne erstrahlen ließen. Der Gürtel selbst war aus grünlich glänzendem Silber gefertigt und zu ineinander verschlungenen Ranken geformt. Auf ihrem Kopf ruhte ein Kranz aus blauen Orchideenblüten. All das ließ Kirra wie einen schimmernden Engel erscheinen und Talaans Herz sang. Er hatte das Gefühl, noch nie solche Schönheit erblickt zu haben.
  
Als Kirra Talaan gegenübertrat, war sein unfassbares Staunen nicht zu übersehen. Kirra fühlte sich unter seinen Blicken mit einem Mal wunderschön und all ihre Zweifel, ob sie ihm gefallen würde, waren wie weggeblasen. Er trug ein schlichtes, weißes Gewand mit langen Ärmeln. Schlicht, so wie es seiner Art entsprach. Dafür trug er aber das wohl zauberhafteste, verliebteste Lächeln im Gesicht, das sie je an ihm gesehen hatte.
   Feierlich streckte sie ihm ihre rechte Hand entgegen, die Innenseite zu ihm gewand. Ohne den Kontakt zu ihren wunderschönen Augen zu verlieren, legte er seine Hand gegen die ihre und verschränkte die Finger. Nur am Rande bemerkte er, wie Joshad ein weißes Band mehrmals um ihre vereinten Hände schlang. Talaan würde sie sowieso nicht loslassen, bevor sie seine Frau war.
   Feierlich verkündete der Häuptling: "Diese beiden MaKri haben erst sich und nun dem ganzen Dorf bezeugt, dass ihre Gefühle füreinander wahrhaft tiefe Liebe ist. Sie sind heute hier erschienen, um sich ein Leben lang aneinander zu binden.
   Kirra, Tochter von Liha und von Nashem, und du, Talaan, Sohn unseres Volkes, seid ihr euch darüber im Klaren, welche Verpflichtung ihr mit diesem Bund euch selbst und unser Art gegenüber übernehmt?"
   "Das bin ich.", antwortete er in Einklang mit Kirra. Aber er dachte jetzt nicht an Kinder und deren Erziehung. Jetzt war nur Kirra.
   "Dann sprecht eure Schwüre."
  
Kirras Herz pochte so laut in ihrer Brust, dass sie sicher war, Talaan würde es hören. Doch seine Augen, die in ihre Seele zu blicken schienen, beruhigten sie ein wenig, als sie zu sprechen begann. "Talaan, ich liebe dich seit dem Tag, an dem du so verloren wirktest, als dich die Große Stadt wieder gefangen nahm. Obwohl ich es war, die dir meine Heimat zeigte, war es dein kindliches Staunen und deine Liebe zu allem Lebenden, die mich alles neu entdecken ließ.
   Seit jenen Tagen ist meine Liebe zu dir stets gewachsen. Selbst, als du mich noch nicht lieben konntest, hast du zu mir gehalten und so unsere Liebe gerettet. Ich werde dich mein Leben lang in meinem Herzen tragen, zu dir stehen in allen Zeiten und da sein, wann immer du mich brauchst. Das gelobe ich, hier vor Zeugen, denn in unserer Liebe gedeihe ich."

   Ihre Augen waren tanzende Juwelen in jenem Moment, als sie die Worte sprach, welche sich in der Magie dieses Augenblicks unauslöschlich in sein Gedächtnis brannten. Er ließ all seine Liebe zu ihr in das fließen, was er ihr daraufhin erwiderte: "Auch du hast zu mir gehalten, warst mein Freund, als ich dringend einen brauchte. Wann aus meiner Freundschaft zu dir Liebe wurde, kann ich nicht sagen, Kirra. Aber was ich weiß ist, dass wir unzertrennlich sind, seit ich dir in jener Nacht meine Vergangenheit offenbarte.
   Jetzt stehe ich vor dir und bin mir nichts auf der Welt so sicher, wie meiner Liebe zu dir. Ich werde dich ewig lieben, auch über den Tod hinaus und über die Grenzen aller Welten. Das gelobe ich vor Zeugen, denn unsere Liebe erfüllt meine Seele."
  
Kirras Herz floss über, als sie jene Worte hörte. Für jeden Anderen außer sie konnte Talaans Schwur nur halb soviel Bedeutung haben. Sie beugte sich über ihre gebundenen Hände und küsste ihn innig.
   Nachdem sie den wunderbarsten aller Küsse beendeten, schnitt Joshad das weiße Band entzwei. "Diese Fesseln braucht ihr nicht mehr, denn ihr seit jetzt durch stärkere Bande vereint. Von ganzem Herzen wünsche ich euch ein erfülltes, gemeinsames Leben."
   Die Dorfbewohner brachen in lauten Jubel aus. Talaan zog seine Frau zu sich heran, umarmte sie sanft und rieb seine Schnauze zärtlich an ihrer. "Du bist noch nie so wunderschön gewesen wie heute, Kirra.", flüsterte er ihr ins Ohr. "Aber wann immer ich dich von nun an sehe, wirst du in meinem Geist eine Krone aus Orchideen tragen."
   Als Antwort gab sie ihm einen weiteren, liebevollen Kuss und blickte ihm danach tief in seine rubinroten Augen. "Mein Mann.", flüsterte sie lächelnd. "Das müssen wir feiern."

  
Das daraufhin folgende Fest stand dem, welches für Sorral ausgerichtet worden war, in nichts nach. Es war ein fröhliches Beisammensein, zu dem das ganze Dorf und Talaans "Gäste" eingeladen waren. MaKri saßen in lockeren Gruppen zusammen, scherzten ungezwungen, lachten, aßen gebratenes Fleisch und köstlich frische Früchte oder sie tanzten zu Trommeln und Flöten, die überall erklangen. Hatte mal einer der Musiker keine Lust mehr, fand sich immer ein anderer, der den leeren Platz einnahm. So war ständig Bewegung in dem Fest und je nachdem wer spielte, waren mal fröhliche und mal besinnliche Töne zu hören.
   Als die Dämmerung kam, wurde dem Dorf ein seltenes und beeindruckendes Schauspiel zuteil. Der Gelehrte Reshero sang. Er war einer der wenigen Kri, die mit jenem seltenen Talent gesegnet waren, und sein klarer Bariton zog alle in seinen Bann. Reshero trug Heldensagen aus längst vergessenen Tagen ebenso vor wie amüsante Lieder über die Liebe.
   Als aus der Dämmerung Nacht geworden war und Reshero immer noch sang, beugte sich Kirra zu Talaan herüber. "Wir sollten die Gunst des Augenblicks nutzen, um uns aus dem Staub zu machen, Geliebter.", flüsterte sie. Dann glitt sie mit ihrer Zunge betont langsam über die empfindliche Innenseite seines Ohrs. Sofort schien seine Lunge in wärmenden Flammen aufzugehen.
   Er liebkoste ihre Schnauze mit seiner. "Glaubst du nicht, sie werden böse auf uns sein? Schließlich ist das unser Hochzeitsfest."
   Sie küsste ihn verspielt auf seine ledrige Nase. "Sie werden mit dem Fest nicht eher aufhören, bis wir morgen früh mit unseren Malen aus dem Haus treten."
   "Welche Male?"
   Kirra gab ihm einen leidenschaftlichen Zungenkuss, der das Brennen in seinen Lungen noch stärker werden ließ. "Das musst du schon selbst herausfinden, mein Gatte."
   Talaan warf einen abschätzenden Blick in die Runde. Niemand schenkte ihnen Beachtung. "Nichts lieber als das, Schönheit meines Herzens.", antwortete er endlich. "Lass uns gehen."
   Unauffällig traten sie aus dem Schein der hellen Feuer und schlichen zu ihrem Haus.
  
Als sie vor der Tür der Hütte standen, zog er Kirra zu sich und hob sie hoch.
   "He, was machst du?", rief sie überrascht.
   Er küsste sie lächelnd, während sie auf seinen Armen lag. "Ein alter, menschlicher Brauch." Mit diesen Worten trat er durch die Tür.
   "Du willst mich also auf Händen tragen...", bezirzte sie ihn und schmiegte ihren Kopf an seinen Oberarm. "Pass auf, dass du nicht stolperst." Kaum hatte sie das gesagt, schlang sich plötzlich ihr Schwanz um seinen Fuß. Mit einem überraschten Aufruf gingen sie gemeinsam zu Boden. Sie rollten ab und kamen schließlich zu liegen.
  
Kirra lag auf ihm und nutze die Gelegenheit sofort aus. Sie leckte ihm zärtlich über ein Ohr und hörte zufrieden sein erregtes Einatmen. Sie wiederholte diese Liebkosung einige Male mit langsamen, verführerischen Zügen bis Talaan wonnig zu schnurren anfing.
   Ihre leicht raue Zunge beschwor eine Erregung und ein Begehren in ihm, wie er es nicht für möglich gehalten hatte. Die Ohren der Kri waren sehr empfänglich für Zärtlichkeiten.
   "Traue niemals einer MaKri, wenn sie nur das Eine will.", verriet sie ihm amüsiert. Es folgte ein ausgiebiger, liebender Kuss. Talaan sah lächelnd zu ihr auf und strich mit seinem Handrücken ihre Schnurrhaare nach hinten. "Mal sehen, ob ich dich auch zum Schnurren bringen kann."
   Sie rollten herum und Kirra bot ihm willig ihr linkes Ohr dar. Genüsslich begann er es zu liebkosen. Er ließ sich ausgiebig Zeit für jeden einzelnen Zungenschlag und die Pausen dazwischen. Schon bald begann Kirra mit einem Schnurren, dass ihm die Nackenhaare stehen ließ.
   Seine Liebkosungen wanderten ihre Schnauze hinauf. Ihr seidiges Fell fühlte sich unglaublich unter seiner empfindlichen Zunge an und verhieß eine ganz neue Welt an zärtlichen Möglichkeiten. So sanft er nur konnte küsste er sie.
  
Sie genoss jede seiner Berührung in ihrem Gesicht mit geschlossenen Augen, bis sie auf einmal endeten. Verwundert schlug sie die Augen auf und erblickte ihn, wie er sie einfach nur ansah. Seine Blicke huschten über ihr Gesicht und schienen jedes Detail aufzusaugen.
   "Was ist?", fragte sie fröhlich. Sein verliebtes Lächeln schmeichelte ihr.
   Zärtlich streichelte er über ihren Kopf. "Wenn ich dich ansehe frage ich mich, wie ich zuvor all die... Weiblichkeit, deine Schönheit... nicht bemerken konnte." Er küsste sie erneut und tastete mit seiner Zunge nach ihrer. Sie umschlangen einander, leckten, liebkosten. Seine Hand glitt über den weichen Stoff ihres Kleides und ruhte bald auf dem sanft gerundeten Hügel ihrer linken Brust. Talaan übte behutsamen Druck aus und erforschte ihre Weichheit.
   Sie verfolgte seinen Mund noch ein Stück, als er seinen Kopf hob, gab ihn aber schließlich frei. Sie fühlte sich ihm so nahe und sehnte allmählich jene Berührungen und Zärtlichkeiten herbei, die sie im letzen Monat nicht hatten teilen dürfen.
   Als hätte er ihre Gedanken verstanden, sagte er in verführerischen Tonfall. "Sag mir, was du magst. Wir MaKri haben doch bestimmt andere Vorlieben, bei all dem Fell und..."
   "Wieso sagen?", fragte sie und rollte mit ihm herum, so dass sie auf seinem Schoß saß. "Ich werde es dir zeigen." Sie fuhr mit beiden Händen in sein wie eine Weste geteiltes Gewand, schob es beiseite und legte so seinen Oberkörper frei. Sie genoss einen Moment den Anblick seiner muskulösen Brust und begann dann, mit ihren Händen über das weißliche Fell streichen. Es war noch weicher und ein wenig länger als das sandfarbene am restlichen Körper und ließ jeden angespannten Muskel darunter deutlich unter ihren Fingern hervortreten.

   Ihre fellbedeckten Hände glitten federgleich über sein Fell und berührten ihn auf die sanfteste Weise, die er je erfahren hatte. Ihre Finger streichelten seine Brust, wanderten allmählich nach unten und kraulten das Fell um seinen Bauchnabel. Auf einmal fuhr sie ihre Krallen aus und bohrte sie in seinen Bauch. Der Kontrast zu ihren sanften Fingern ließ ihn erregt erschaudern. Ihre wieder leicht eingefahrenen Krallen strichen durch sein Fell und kratzen sinnlich über seine empfindliche Haut darunter, während sie mit ihnen wieder nach oben kam. Kirra grub sie kurz in seine Brust, wobei sie ihm tief in die Augen sah, während er sich genießerisch wand.
   Dann begann sie sein Fell mit ihrer Schnauze aufzuwühlen. Manchmal ließ sie dabei ihre Zunge durch sein Haar gleiten und entlockte ihm jedes Mal ein leises Schnurren. Sie hatte ihn noch nie auf diese Weise liebkost, und er wusste auch warum. Es war das wohl sinnlichste Gefühl, das er kannte und sie hatte es für heute Nacht aufgehoben. Ab und zu streute sie ein wenig Krallen ein. Die Abwechslung aus sanftem Fell, sinnlicher Zunge und erregenden Krallen war einfach wunderbar.
  
Allmählich näherte sich Kirra seinen Lenden. Ohne ihre Liebkosungen mit Zunge und Schnauze zu unterbrechen, begann sie den Gürtel seines Lendentuchs zu öffnen. Sie strich Tuch und Gürtel nach unten und entblößte sein Glied, das bereits voll aufgerichtet aus seiner Scheide ragte. Lächelnd stellte sie fest, dass es genau die Größe hatte, die sie bevorzugte. Der Geruch seiner Erregung war für ihre feine Nase nun deutlich zu riechen. Kirra brauchte keinen Blick in sein Gesicht zu werfen, um zu wissen, was er jetzt am meisten wollte.
   Und sie verwehrte es ihm. "Lass uns zu unserem Bett gehen.", schlug sie vor. Sie sah die kurze Enttäuschung in seinem Gesicht, aber sie wich sofort einem Lächeln. "Alles, was du willst, Geliebte."
   Mit einem Satz sprang er auf und mit zwei weiteren lag er schon auf den Fellen ihres Bettes. Mit betont lasziven Pendeln ihres Schwanzes folgte sie ihm auf ruhigere Art. "Alles was ich will? Leg dich auf den Bauch."
   Er gab ihr einen verwunderten Blick und tat dann, wie ihm geheißen. Sie machte es sich neben ihm gemütlich und ließ dann ihre voll ausgefahrenen Krallen in Schlangenlinien seinen Rücken hinabfahren. Er bäumte sich auf und sein Rücken bog sich durch, als sie das tat. Ein kehliges Fauchen entrang sich seinem Hals.

   Als er wieder zurücksackte seufzte er wonnig. Eigentlich hielt er nicht viel von Kratzen, aber in seinem jetzigen erregten Zustand waren ihre Krallen eine Quelle der Wohllust. Mit einem Male spürte er ihre Zähne in seinem Nacken. Sie knabberte sinnlich an seinem Hals, an seinem Schulteransatz und leckte noch einmal kurz an seinem Ohr. Dann richtete sie sich wieder auf.
  
Kirras Hände glitten nach unten und legten sich auf seinen Po. Verführerisch lag er vor ihr und sie grub ihre Finger in sein Gesäß. Die erwartete Reaktion blieb nicht aus und seine Muskeln wurden fest, sein Schwanz zuckte. Sie hatte in der Tat eine Schwäche für seinen Po.
   Sie brachte seine Schenkel ein wenig auseinander, um besser an sein Geschlecht zu kommen. Sie streichelte seinen Sack mit ihren Fingerspitzen und spielte ein wenig mit seinen Hoden.

   Talaan grunzte frustriert. Sie spielte mit ihm und er genoss es, aber er wollte endlich ihre Zunge und ihre Lippen an seiner Härte spüren. Kirra kicherte amüsiert. "Gedulde dich noch ein bisschen, es lohnt sich.", säuselte sie verführerisch. Sie schob ihre Hand unter seine Lenden und hob seine Hüften ein wenig an.
   "Heb deinen Schwanz!", forderte sie in einem verheißungsvollen Schnurren auf. Er hatte keine Ahnung, was sie vorhatte, bis sich ihre Schnauze unter seinen Schwanz schob und ihre Zunge über seinen Anus glitt. Und sie ließ es nicht bei einem Zungenschlag bewenden, sondern leckte die zarte, empfindliche Haut mit ihrer feuchten Zunge, während ihre Hand seine Hoden und seine Scheide streichelte. Diese Kombination war unglaublich erregend. Noch nie hatte das eine Frau bei ihm getan, aber er liebte es vom ersten Moment an. Ab und zu leckte sie seine Hoden, wobei ihre Zunge sich um ihre Rundungen schmiegte. Seine Erregung nahm Ausmaße an, die er nur noch schwer beherrschen konnte. "Kirra!", keuchte er. Sie ließ von ihm ab und ließ ihn auf den Rücken rollen.
   "Du solltest vielleicht...", brachte er mühsam hervor, aber ein kehliges Knurren aus seinem Mund unterbrach ihn, als sich ihre Schnauze um sein Glied schloss. Exquisite, nasse Wärme umgab es völlig, als sie es ganz in den Mund nahm. Ihre Zunge glitt seinen Schaft empor und versprach wahre Lust. Dann begann sie, an seinem Phallus zu saugen und fegte für einen Moment sein klares Denken beiseite. Ein Schnurren drang unkontrolliert aus seiner Kehle.
   Plötzlich war es vorbei. Er öffnete seine Augen und sah zu ihr hinunter. Sie lächelte absolut verführerisch, als sie ihn mit erotisch rauem Flüstern fragte: "Willst du, dass ich weitermache? Der Abend ist noch lang genug."
   Kirra versprach lustvolle Erlösung und lockte ihn. Er kämpfte mit seiner Erregung. Er wollte kommen, aber er wollte auch richtig mit ihr vereint sein. Er wollte nicht nur nehmen, sondern auch geben. Seine Erregung unterlag. Talaan kämpfte sie soweit nieder, dass er wieder halbwegs klar denken konnte.
   "Hilf mir, dich aus diesem Kleid rauszubekommen.", antwortete er ihr, woraufhin Kirras Lächeln noch breiter wurde. Sie stand auf und drehte ihm den Rücken zu. Noch bevor er ebenfalls auf den Füßen war, glitt Kirras Kleid schon zu Boden.
   Sie musste seinen überraschten Gesichtsausdruck bemerkt haben, denn sie kicherte amüsiert. "Unsere Kleidung ist immer so gemacht, dass sie praktisch ist. Und was ist unpraktischer als ein Hochzeitskleid, dass man nur schwer aufbekommt?" Sie zwinkerte ihm über die Schulter zu und winkte ihn mit ihrem Schwanz zu sich heran. "Und, was hast du jetzt vor?"
   Talaan stellte sich hinter sie und sog ihren Duft ein. Sie roch verführerisch weiblich... und erregt. "Ich werd's dir zeigen..." Er begann an ihrem Nacken zu knabbern, vorsichtig aus Angst sie mit seinen spitzen Fangzähnen zu verletzen.
  
"Nicht so zaghaft.", ermutigte sie ihn. Er wurde ein wenig selbstbewusster und begann ihre Muskeln mit den Zähnen zu massieren. Kirra belohnte ihn mit einem wonnigen Schnurren. Seine kräftigen Arme schlangen sich um sie und gaben ihr ein wunderbares Gefühl von Geborgenheit. Er schmiegte sich gegen sie und ließ eine Hand zu ihrem Schoß hinabgleiten, mit der anderen streichelte er ihre Brüste.
   Als seine Hand über den Hügel ihrer Lenden strich, seufzte Kirra wonnig. Sie hatte sich so lange nach dieser Berührung gesehnt, nach seiner Berührung gesehnt. Sie presste ihr Geschlecht in seine Hand und begegnete seinen Bewegungen mit einem Kreisen ihrer Hüften. Der Druck seiner Hand wurde allmählich stärker und Talaan begann ihren Venushügel leidenschaftlich zu massieren. Sein Ballen drückte auf ihren Hügel und massierte ihren Kitzler, während seine Finger über ihre Scham glitten. Ihre Erregungen breitete sich unter lustvollen Krämpfen von ihrem Geschlecht in ihrem ganzen Körper aus und ließ sie noch lauter schnurren. Seine Hände kneteten sanft ihre Brüste und steigerten ihre Lust um so mehr. Wenn er nicht gleich aufhörte, würde sie auf der Stelle kommen. Aber sie wollte ihn in sich spüren, wenn sie kam. Bevor sie es sich anders überlegen konnte, drehte sie sich um und gab ihm einen heißblütigen Zungenkuss, dann stieß sie ihn grob von sich fort.

   Sie standen sich beide schwer atmend gegenüber und blickten sich herausfordernd in die Augen. Ihr Po hatte mit jeder Bewegung ihrer Hüften an seiner Männlichkeit gerieben und er war so weit, dass er auf diese Weise kommen wollte. Doch Kirras feurig raues Verhalten konnte nur eins bedeuten.
   Also streckte er sich auf dem Lager aus. Noch bevor er richtig lag, war Kirra über ihm, presste ihn zu Boden. Er spürte, wie sie nach seiner Männlichkeit griff und sie zu ihrem Geschlecht führte. Dann hielt sie inne und sah ihm tief in die Augen. "Ich liebe dich, Talaan." Mit diesen Worten senkte sie ihre Hüften herab und nahm ihn in sich auf.
   Einen Moment lang lagen sie beide einfach nur regungslos da und gaben sich ganz dem Gefühl hin, mit dem anderen vereint zu sein. Sie konnten ihre Herzen pochen hören und spürten den Atem des anderen heiß in ihre Ohren schlagen.
   "Ich liebe dich auch, Kirra.", flüsterte er schließlich.
   Kirra begann ihre Hüfte auf und ab zu bewegen. Mit jedem Atemzug, mit jeder Bewegung ihrer Hüften strich ihr seidiges Fell über seinen ganzen Körper und das erregt ihn beinahe genauso stark, wie das Gefühl in ihr hin und her zu gleiten. Lange würde er nicht mehr durchhalten, aber Kirra war auch nahe, das konnte er spüren.
   Er wollte sie küssen, aber sie stieß seine Schnauze mit ihre beiseite und sah ihn herausfordern an. Er versuchte es erneut und sie stieß seine Schnauze erneut beiseite. "Genug der Zärtlichkeiten.", keuchte sie und entblößte ihre Fangzähne. Mit einem kehligen Knurren schlug sie sie in seinen Schulteransatz.
   "Au! Verdammt, du hast mich gebissen!", rief er schockiert und versuchte sie von sich zu schieben.
   Kirra hörte auf, ihre Hüfte zu bewegen, löste sich von ihm und sah ihn besorgt an. "Habe... habe ich... dir weh getan?", brachte sie zwischen erregten Atemzügen hervor.
   Verwirrt stellte Talaan fest, dass das eigentlich nicht der Fall wahr. Das dumpfe Pochen in seinem Nacken war eher angenehm und erregend. "Nein.", brachte er schließlich hervor. "Eigentlich nicht."
   "Darf ich dich wieder beißen?", fragte Kirra und ihre Lenden begannen sich wieder zu bewegen. Die darauf folgende Erregung nahm Talaan die Sprache und er konnte nur nicken. Er drehte seinen Kopf zur Seite und bot ihr seinen Nacken an.
   Kirra schmiegte sich wieder an ihn und begann an ihm zu knabbern. Er wusste nicht, wie er seine Erregung aushalten sollte und tat es ihr gleich. Sein Knabbern wurde immer rauer, bis seine Zähne ihre Haut durchstießen. Kirra trieb ihr Zähne wieder in ihn und er konnte nicht anders und biss zu. Seine Zähne gruben sich in ihren Nacken und ihre Muskeln boten einen seltsam befriedigenden Widerstand. Er kam auf der Stelle und schrie ein kehliges Knurren in ihre Schulter. Kirra wand sich über ihm in ihrem eigenen Klimax und Wellen der Schwäche brandeten über ihn hinweg, als er sich heiß pulsierend in sie entlud. Kirras Scheide zog sich pulsierend um sein Glied zusammen.
   Als sein Höhepunkt allmählich verebbte, zog er vorsichtig seine Zähne aus ihr und begann instinktiv die leicht blutenden Bissmahle zärtlich zu lecken. Kirra tat bei ihm das Selbe. Erschöpft und schrecklich verliebt streichelte er sanft über ihren Rücken. "Du hättest mich vorwarnen können, Geliebte.", sagte er schmunzelnd mit milder Stimme und versorgte weiter ihren Nacken.
   Sie kicherte leise in sich hinein. "Ich habe dir doch gesagt, wir würden dem Dorf unsere Male zeigen. Beißen sich die Menschen denn nicht?"
   Talaan ließ von ihrer Schulter ab und antwortet: "Nein, zumindest nicht so." Dann küsste er sie innig. "Aber ich bin schrecklich froh, dass ich keiner mehr bin."
  
Tatsächlich feierte das Dorf noch, als sie nach Sonnenaufgang wieder auf den Dorfplatz traten. Einige Erwachsene und fast alle Kinder hatten dem Schlaf dann doch nachgegeben und lagen zusammengerollt hier und da auf dem Boden, aber keiner war nach Hause gegangen.
   Talaan war auch nach Schlaf zumute, denn er hatte diese Nacht nicht allzu viel davon bekommen. Er lächelte Kirra wie ein verliebter Narr zu. Es hatte gewisse Vorteile, ein Kri zu sein.
   Als sie von den Dörflern entdeckt wurden, rief eine Jägerin: "Ein Hoch auf die Frischvermählten!" Und das Dorf brach in ohrenbetäubenden Jubel aus. Sie führten sie wieder zu ihren Plätzen und bis auf diejenigen, die sich gerade verschlafen die Augen rieben, wirkte es, als wären sie nicht weggewesen.
   "Macht ihr das jedes Mal, wenn hier jemand heiratet?", fragte er lächelnd zu Kirra gebeugt. Die Lebensfreude dieser Wesen überraschte ihn immer wieder.
   "Natürlich. Es gibt keinen besseren Grund für ein Fest, als eine Hochzeit." Sie stupste seine Schnauze mit ihrer an. "Wir sind jetzt mit die Zukunft dieses Dorfes."
   "Daran könnte ich mich gewöhnen.", seufzte er glücklich und ließ seinen Blick über die feiernden MaKri wandern.
   Seine unbeschwerte Fröhlichkeit verflog mit einem Schlag, als seine Augen auf der Orakelgelehrten Rerrena zu ruhen kamen. Sie war nicht hergekommen um zu feiern. Sie war hier, weil sie seinem Ruf gefolgt war. Rerrena und die anderen. Er suchte die Menge nach ihnen ab. Tonri, der Schamane der großen Stadt, natürlich Maigan Sorral und der Schriftgelehrte Reshero.
   Keiner von ihnen wirkte so richtig ausgelassen. Heute war der Tag des Aufbruchs. Verantwortung, so schwer wie ein ganzer Berg ruhte auf ihren Schultern. Sie würden gemeinsam nach Westen gehen.
   Dorthin, wo nach Meinung etlicher MaKri felllose Dämonen lebten, die sich Menschen nannten.