Anima.
Eine Geschichte von Sebastian \x84Rash_Ktah“ Grawan.
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Alle Charaktere und die gesamte Storyline sind (C) des Autors.
-1-
Schmutzige Regentropfen schlugen in einem fortw\xE4hrenden Crescendo auf allem auf, was ihren Weg aus dem wolkenverhangenen Himmel beendete.
Sie zerplatzten auf verdreckten, sich durch die Strassen der Stadt qu\xE4lenden Autos, auf den sich \xFCber die \xFCberv\xF6lkerten Gehwege dr\xE4ngelnden Menschen und an den in der Nacht noch dunkler erscheinenden Mauern der hoch \xFCber den K\xF6pfen der Fu\xDFg\xE4nger aufragenden H\xE4user.
Die Menschen hatten sich ob des dauerhaft schlechten und weihnachtlich kalten Wetters in schwere M\xE4ntel geh\xFCllt und Miryaden von Regenschirmen stie\xDFen aus der Masse der Fu\xDFg\xE4nger heraus wie dunkle und nasse Pilze. Grau-wei\xDFe Atemwolken standen vor den regennassen Gesichtern.
Das Jaulen der sich \xFCber die verstopften Stra\xDFen schleppenden Autos vereinigte sich mit den mannigfaltigen Ger\xE4uschen der unz\xE4hligen Menschen und dem stetigen Prasseln des Regens zu einem nahezu orchestralen Heulen, welches sich bis zu den h\xF6chsten H\xE4usern der Stadt empor schwang und die Stadt unter einer Glocke aus L\xE4rm einschloss.
Grelle Neonlichter, welche \xFCberall in den Strassen und in den Schaufenstern der Gesch\xE4fte zu finden waren, wurden durch den am Boden wabernden Nebel ged\xE4mpft und nahmen dem Treiben auf den Stra\xDFen das letzte bisschen Licht.
Die Abgase der Autos und der stadtnahen Fabrikkomplexe, die dampfenden Gullydeckel, der Schwei\xDF der Menschen und die unz\xE4hligen anderen Ger\xFCche, welche aus allen Richtungen \xFCber die Strassen wehten, mischten sich zu einem Geruchscocktail, welcher nur mehr als s\xE4uerlich und unangenehm zu bezeichnen war.
Im Zwielicht der Nacht w\xE4lzten sich die Massen an Menschen und Autos \xFCber die Wege und Strassen, schienen kein festes Ziel zu haben. Ampeln blitzen auf, Stra\xDFenlaternen flackerten unstetig. Weihnachtslichterketten und -werbungen s\xE4umten die Gehwege.
Kreischen. Quietschen. Schreien. Jaulen.
Jeder, der nicht an diesen Anblick und die Ger\xE4usche gew\xF6hnt gewesen w\xE4re, h\xE4tte in all dem Treiben nur ein heilloses Chaos aus L\xE4rm, Bewegungen und flackerndem Licht erkannt.
Dave Simmons war keiner dieser Unwissenden und Verwirrten. Er kannte diese Stadt.
Der Cop stand entspannt an einen Zeitungsstand gelehnt, den Kopf leicht in den Nacken gelegt, die Augen halb geschlossen.
Die Menge der Menschen dr\xFCckte sich stetig an ihm vorbei, als er die Augen f\xFCr einen kurzen Moment vollkommen schloss und nur noch die Ger\xE4usche und den Gestank der Stadt auf sich einwirken lie\xDF.
Dave war schon seit 15 Stunden auf den Beinen, seine Doppelschicht dauerte nun schon 11 Stunden an. Noch eine weitere Stunde und er w\xFCrde endlich unter der Dusche stehen, den Gestank und die K\xE4lte der Stadt von sich abwaschen und nach Hause fahren k\xF6nnen, wo seine Frau Carroll bereits auf ihn warten w\xFCrde.
In einer kurzen Bewegung \xF6ffnete er seine Augen, stie\xDF sich leicht von dem Zeitungsstand ab und mischte sich wieder in die vorbeiziehende, gesichtslose Masse an Menschen.
Er war in dieser Stadt geboren, war von ihr aufgezogen worden und kannte jeden ihrer Wesensz\xFCge. Aus diesem Grund war es relativ leicht f\xFCr ihn sich einen Weg durch die Menge der ihn umgebenden Menschen zu bahnen, sogar wenn die vorweihnachtliche Gesch\xE4ftigkeit sie alle in un\xFCbersichtlichen Massen auf die Strassen getrieben hatte.
Dave war nun schon seit 6 Jahren f\xFCr die Polizei auf der Strasse t\xE4tig und er hatte in dieser Zeit alles gesehen, was er sich jemals vorstellen h\xE4tte k\xF6nnen. Er hatte vollkommen heruntergekommene Huren, Drogenabh\xE4ngige und deren Dealer, Diebstahl und Mord gesehen. Er hatte den Gestank von halbverwesten K\xF6rpern in der gl\xFChend hei\xDFen Sommerzeit gerochen und halb steifgefrorene Kinder, welche heimatlos durch die Strassen der Stadt irrten, gesehen.
Er hatte mehr gesehen und geh\xF6rt, als er jemals hatte sehen und h\xF6ren wollen, aber er hatte sich trotzdem nie selbst vorgeworfen, diesen Job auszu\xFCben.
Er war nicht gl\xFCcklich, aber er wusste, dass irgend jemand diese Arbeit machen m\xFCsste, oder diese Stadt w\xFCrde nur noch mehr in einem Sumpf aus Verbrechen und menschlichem Schmutz versinken. Im Grunde war er gern ein Cop... einer der Guten.
Dave dr\xFCckte sich an einer Gruppe wild photographierender, japanischer Touristen vorbei und kollidierte v\xF6llig unvorbereitet mit dem Weihnachtsmann.
Der Boden, welcher ihm bei seinem Sturz empfing, war kalt, nass und schmutzig. Dave landete schmerzhaft auf der Seite, drehte sich im Dreck auf den R\xFCcken und versuchte so schnell wie m\xF6glich wieder auf die Beine zu kommen. Dieses Unterfangen wurde ihm jedoch von den um ihn herum str\xF6menden Menschen nahezu unm\xF6glich gemacht und so verharrte er einige Augenblicke am Boden sitzend und starrte auf die Szenerie vor sich.
Der f\xFCllige Mann, welchen Dave soeben angerempelt hatte, steckte in einem schreiend roten Weihnachtsmannkost\xFCm und wurde von einem halben Dutzend kleinw\xFCchsiger Elfen umschw\xE4rmt, welche abwechselnd zu einem der beiden nun am Boden liegenden M\xE4nnern starrten und dabei wild fluchten.
Dave wollte gerade aufstehen um den F\xFCssen der Passanten zu entgehen, als eine der Elfen auf ihn zu schritt und ihn dabei mit Fl\xFCchen eindeckte. Die kleinw\xFCchsige, in gr\xFCne Kleidung geh\xFCllte Frau hob eine Faust als wenn sie damit nach Dave schlagen wollte und starrte ihn dabei w\xFCtend an. Die anderen Elfen h\xFCpften derweil um sie herum und halfen dem gefallenen Weihnachtsmann gemeinsam auf die F\xFC\xDFe.
Dave starrte vollkommen entgeistert auf die Szene, die sich fast in Zeitlupe vor seinen Augen abspielte und fragte sich, in welchen schlechten Film er nun geraten sei.
Die Elfe sprang vor, die Faust schwingend, um den verwirrt am Boden sitzenden Polizisten anzugreifen.
Sie erreichte ihn nie, denn aus dem Nichts regneten pl\xF6tzlich grobe Mauersteine aus heiterem Himmel auf die Passanten herab. Dave rollte sich erschrocken zur Seite, als einer der scharfkantigen Steine die auf ihn zuspringende Elfe an der Schl\xE4fe erwischte und sie blutend zu Boden st\xFCrzen lie\xDF.
Der Regen aus Stein war kurz, aber er schickte mehr als eine handvoll Menschen zu Boden.
Schreie wallten um Dave herum auf, als er sich aufrichtete, um nicht von den Menschen, welche um ihn herum in Panik gerieten, umgerannt zu werden.
Der Cop sprang aus dem Weg einer stark blutenden alten Frau, welche taumelnd zu Boden ging und dabei zwei der Elfen mit sich riss.
Ein weiterer Schauer aus Steinen ergoss sich \xFCber der nun v\xF6llig in Panik versinkenden Masse.
Schreie dr\xF6hnten in Daves Ohren.
Dave sah sich um, versuchte sich in dem Chaos, welches um ihn herum ausbrach, zu orientieren. Ein kurzer Blick nach Oben, an einem der den Gehweg s\xE4umenden H\xE4user hinauf, er\xF6ffnete ihm einen Anblick, den er nicht erwartet h\xE4tte.
Durch den Regen und den Nebel hindurch konnte er keine wirklichen Details ausmachen, aber auf dem Dach des Hauses neben ihm meinte er helle Blitze zu erkennen. Ein Schusswechsel?
Mit einem Satz versuchte Dave durch die Menge der Menschen zu gelangen. Er lie\xDF den Weihnachtsmann, seine Elfen und die in Panik durcheinanderlaufenden Menschen hinter sich und sprintete in die Gasse, welche das Haus von dem die Steine regneten und ein anderes voneinander trennte.
Die Gasse war dunkel und der Boden durch den Regen und einige Fl\xE4chen aus halbgeschmolzenem Schnee glitschig. Dave konnte seine eigene dreckige Silhouette in einer \xF6ligen Pf\xFCtze vor sich erkennen, bis er weiterrannte und sein Abbild zu allen Seiten weg spritze, als er mit seinem Schuhen durch das brackige Wasser hastete.
Die panischen Ger\xE4usche der Menschen hinter sich seltsam abged\xE4mpft wahrnehmend sah Dave sich nach einer M\xF6glichkeit um, auf das Dach des Hauses zu gelangen. Er musste den Verursacher des Steinregens aufzusp\xFCren und stoppen, oder noch mehr Menschen w\xFCrden verletzt werden.
Seine Hand tastete nach seinem Funkger\xE4t, um Hilfe f\xFCr die verwundeten Menschen zu rufen und Unterst\xFCtzung f\xFCr sich selbst, aber seine Hand griff ins Leere. Er musste das Funkger\xE4t bei dem Zusammenprall mit dem Weihnachtsmann oder dem Gew\xFChl danach verloren haben.
Dave stoppte seinen Lauf, drehte sich kurz um und sah auf dem Gehweg weitere Menschen in einem erneuten Schauer aus herabst\xFCrzenden Steinen zu Boden gehen. Er hatte keine Zeit zu verlieren.
Mit einem angespannten Keuchen wandte sich der Cop einer nahen Feuerleiter zu, welche er auf seinem Weg durch die Gasse schon ins Auge gefasst hatte. Die Leiter war an die Seite des Hauses auf dem Dave die Verursacher des Chaos vermutete, montiert und f\xFChrte \xFCber einige schr\xE4ge Leitern und wackelig erscheinende Balkons in die H\xF6he. Das Dach des Geb\xE4udes lag gute 30 Meter \xFCber Dave. Mit einem weiteren Keuchen schwang er sich an die erste Leiter und begann in die H\xF6he zu klettern.
Seine ersten Schritte nach oben w\xE4ren fast seine letzten gewesen, als sein linker Fu\xDF von einer der rutschigen Leitersprossen abrutschte und er mehrere Meter in die Tiefe gefallen w\xE4re, h\xE4tte er sich nicht mit beiden H\xE4nden an eine h\xF6here Sprosse geklammert.
\x84Verdammt,“ grunzte er, als ihm die Schmerzen Tr\xE4nen in die Augen trieben und er seinen Fu\xDF langsam und tastend wieder auf eine der Sprossen stelle.
Einige lange Augenblicke vergangen, in denen Dave nahezu bewegungslos an der Leiter hing und die Ger\xE4usche um sich herum auf sich einwirken lie\xDF. Der Wind pfiff jaulend durch die enge Gasse. Das Geschrei der Menschen auf dem Gehweg war kaum zu vernehmen, auch wenn nun einige der Fu\xDFg\xE4nger im Begriff waren, in die Gasse zu laufen, um den Steinen zu entgehen. Daves eigener Atem klang scharf in seinen Ohren.
Dann riss er sich zusammen und setzte seinen Weg nach Oben fort.
Schritt f\xFCr Schritt, Sprosse f\xFCr Sprosse, Balkon f\xFCr Balkon n\xE4herte sich Dave dem Dach. Der Wind fuhr kalt unter seine Kleidung und die noch immer sp\xE4rlich fallenden Regentropfen drangen unangenehm in seine Augen, w\xE4hrend er angespannt in die H\xF6he starrte.
Nur noch wenige Meter und er w\xFCrde das Dach erreicht haben, welches wie alle anderen in dieser Gegend flach gebaut war.
Dumpfe Schl\xE4ge hallten durch die Nacht, ihr Ursprung lag auf dem Dach \xFCber Dave.
Stark keuchend kletterte er die letzten der rutschigen Sprossen hinauf und sp\xE4hte \xFCber die Br\xFCstung des Daches. Eisiger Wind fegte ihm entgegen und trieb ihm erneut Tr\xE4nen in die Augen, ungesch\xFCtzt, wie er nun war.
Dave versuchte so schnell wie m\xF6glich das Dach zu \xFCberblicken, seine Hand fuhr in der selben Sekunde zu seiner sich in einem G\xFCrtelhalfter befindlichen Pistole.
Das Dach war, im Gegensatz zu den Gehwegen der Stadt, noch mit ungeschmolzenem Schnee bedeckt. Der Schnee lag auf dem Boden des Daches und bedeckte auch die unz\xE4hligen Schornsteine und weiteren Aufbauten, die \xFCberall zu erkennen waren und Daves Sicht extrem einschr\xE4nkten.
Ihm blieb keine andere Wahl als auf das Dach zu steigen, wenn er sich besser umsehen wollte.
Sich gegen den eisigen Wind stemmend, erklomm er die Br\xFCstung des Daches und landete nur Augenblicke sp\xE4ter keuchend und kniend auf dem schneebedeckten Boden. Nahezu h\xE4tte er erneut den Halt unter den F\xFC\xDFen verloren, aber dieses Mal konnte er sich mit einer Hand an einem nahen Schornstein festhalten.
Halb kniend sah Dave sich um, versuchte in dem Chaos aus Regen, aufgewirbeltem Schnee und der nahezu undurchdringlichen Dunkelheit irgend etwas zu erkennen.
Es dauerte trotz der schlechten Sichtverh\xE4ltnisse nur einige Augenblicke, bis er etwas sehr seltsames entdeckte. Zwischen den Schornsteinen, Antennenmasten und Mauern konnte er ein unnat\xFCrlich schimmerndes Licht erkennen.
Dann dr\xF6hnte pl\xF6tzlich ein ohrenbet\xE4ubendes Knallen \xFCber das Dach. Vollkommen \xFCberrascht wurde Dave von einer unsichtbaren Faust aus Wind und Eis zu Boden geworfen und nach hinten mit der Schulter gegen eine nahe Wand geschleudert. Gesteinsbrocken wirbelten \xFCberall um ihn herum und schlugen teilweise nur Zentimeter neben ihm auf den Boden und in die Mauern ein.
All dies dauerte nur wenige Sekunden, dann herrschte wieder das Jaulen des Windes auf dem Dach.
Dave rollte sich herum und kam kniend wieder auf die F\xFC\xDFe. Keuchend sah er nach, ob einer der Steine ihn nicht doch getroffen hatte, aber anscheinend war das Gl\xFCck mit ihm gewesen.
Nach Vorn blickend und seine Pistole entsichernd, welche er verkrampft in seiner Hand hielt, stand er wieder auf und begann im Schutz der Mauern auf das flackernde Licht vor ihm zuzulaufen.
Das Licht war keine 10 Meter mehr entfernt sch\xE4tzte Dave, w\xE4hrend er sich durch den matschigen Schnee weiter voran trieb. Mit einer Hand versuchte er den eisigen Wind, welcher gnadenlos auf sein Gesicht einpeitschte, abzublocken. Mit der anderen umklammerte er seine Pistole.
Blau flackernd schimmerte das Licht nun hinter einem der n\xE4chsten Schornsteine hervor. Dave hastete zu einer nahen Mauer und warf sich in Deckung.
\x84Polizei! Stellen sie ihre Aktivit\xE4ten ein!“ Dave versuchte das Jaulen des Windes zu \xFCbert\xF6nen, schrie so laut er konnte, aber er war sich nicht sicher, ob es ihm gelungen war.
Erst passierte einige Sekunden lang gar nichts, dann \xFCbert\xF6nte ein langgezogenes Heulen und Schreien den Wind.
\x84Polizei,“ br\xFCllte Dave erneut, dann sp\xE4hte er um die Mauer in Richtung des flackernden Lichtes. Verdammt, er konnte noch immer nichts erkennen.
Sekunden verstrichen, das Heulen verebbte.
\x84Shit, dann halt auf die harte Tour,“ murmelte Dave. Er sprang um die Ecke seiner Deckung und sprintete, die Pistole im Anschlag, auf das blaue Gl\xFChen zu.
Er passierte eine Mauer, dann eine weitere, dann die letzte.
Er erblickte die Szenerie vor sich.
Daves Augen weiteten sich, sein Mund verzog sich zu einem angsterf\xFCllten Schreien.
Die folgenden Sekunden liefen wie in einer extremen Zeitlupe ab und Dave f\xFChlte sich vollkommen unf\xE4hig seinen K\xF6rper oder seinen Geist zu kontrollieren. Bilder verschwammen ineinander, \xFCberlagerten sich mit Ger\xE4uschen und Gef\xFChlen und lie\xDFen Dave in ein dunkles, vollkommen unlogisches und chaotisch br\xFCllendes Loch fallen.
Einen Augenblick lang stand Dave noch auf seinen F\xFCssen, seine Waffe umklammert, dann sp\xFCrte er den Wind an seiner Kleidung rei\xDFen. Hatte er seine Waffe abgefeuert?
Er f\xFChlte sich schwer. Fiel er? Wohin? Wie tief?
Ein unerwarteter Aufprall raubte Dave seines Atems und seiner Sinne.
-2-
Dumpfe Ger\xE4usche drangen an Daves Ohren.
Es schien, als schwebte er auf einer warmen, n\xE4ssenden Wolke durch ein unerkl\xE4rlich fremdes Nichts. Er f\xFChlte seinen K\xF6rper nicht, seine Gedanken schienen wie grelle Blitze durch die Dunkelheit seines Geistes zu blitzen.
Die Zeit war nicht existent. Es schien, als ob er eine Ewigkeit an ein und der selben Stellen schweben w\xFCrde. Vielleicht waren aber auch nur Sekunden vergangen.
Dave konnte keinen klaren Gedanken fassen. Alles, was auf ihn einwirkte, waren undeutliche Gef\xFChle.
Es schien ihm, als ob er nicht allein war, als ob sich Wesen um ihn herum aufhalten w\xFCrden. Deuteten sie auf ihn? Sprachen sie zu ihm? Waren sie \xFCberhaupt existent?
Dave schwebte durch die Finsternis seines eigenen Geistes und die Welt, das Universum, schien sich chaotisch um ihn herum zu drehen.
Dann, pl\xF6tzlich, blitzten Sterne um seinen tauben und stummen Geist. Lichter und Ger\xE4usche sch\xE4lten sich aus dem Nichts, legten sich st\xF6rend um seinen K\xF6rper.
Dave wollte sich wegdrehen, sich vor den qu\xE4lenden Eindr\xFCcken abwenden und sch\xFCtzen, aber sein K\xF6rper versagte ihm den Dienst.
Sein Geist \xF6ffnete sich wie eine Blume zu den Strahlen der Morgensonne und die reale Welt st\xFCrzte auf Dave ein.
\x84Mr. Simmons?“ Die Stimme drang seltsam verzerrt und dumpf an Daves Ohren, aber er konnte ihren Wortlaut und den sich daraus ergebenden Sinn einigerma\xDFen verstehen.
Er wollte antworten, aber das einzige, was er hervorbringen konnte, war ein knurriges St\xF6hnen, welches in seinem Geist seltsam nachhallte.
Eine Hand legte sich auf seine Stirn. Sie war warm und f\xFChlte sich unnat\xFCrlich an. Keine Haut.
\x84Liegen sie bitte ruhig, Mr. Simmons,“ sagte die Stimme nun.
Langsam, nach und nach, er\xF6ffnete sich Dave noch eine Welt neben den Ger\xE4uschen, welche an sein Ohr drangen und dem Gef\xFChl, an der Stirn ber\xFChrt zu werden. Er \xF6ffnete seine Augen.
Zuerst erkannte er nur ein grelles Licht, welches ihn dazu zwang, seine Augen sofort wieder zu schlie\xDFen. Dann, nachdem er sich zwang die Lider erneut zu heben, sch\xE4lten sich graue Schemen aus dem Licht. Es dauerte trotzdem noch einige Augenblicke, bis Dave in den Schemen auch Formen und Bewegungen erkennen konnte.
Ein wei\xDFes Zimmer erschloss sich in den folgenden Sekunden Daves Augen.
Graue Schr\xE4nke. Piepende Apparaturen. Ein Fenster, der Ausblick nach Au\xDFen durch eine herabgelassene Jalousie verwehrt. Ein Bett.
Er selbst lag in dem Bett, war durch unz\xE4hlige Kabel an die blinkenden und summenden Ger\xE4te im Zimmer angeschlossen. Eine wei\xDFe Decke bedeckte seinen K\xF6rper.
Gestalten standen um das Bett herum, drei an der Zahl. Eine von ihnen nahm nun langsam seine in einem Glacéhandschuh steckende Hand von Daves Stirn und trat einen Schritt zur\xFCck. Er, es war ein Mann, trug einen wei\xDFen Arztkittel und schob sich nun seine Brille zurecht. Die beiden anderen Gestalten unterschieden sich nicht gro\xDF voneinander, anscheinend waren es Arztgehilfen oder etwas \xE4hnliches.
Daves Blick fixierte sich auf den Arzt neben sich, er f\xFChlte sich aber zu schwach, um seinen Kopf auch nur ein kleines St\xFCck zu bewegen. So bewegten sich nur seine Augen und, einen Augenblick sp\xE4ter, auch seine Lippen, ohne jedoch ein Ger\xE4usch zustande zu bringen.
\x84Schonen sie sich, Mr. Simmons,“ sagte der Arzt langsam. Nun konnte Dave die Stimme vollkommen verstehen, seine Ohren loteten H\xF6hen und Tiefen des an ihn gerichteten Satzes genau aus.
Er schloss seine Augen.
\x84Auch wenn es erfreulich ist, dass sie nun endlich wieder bei Bewusstsein sind, Mr. Simmons, muss ich trotzdem darauf bestehen, dass sie sich auch weiterhin schonen m\xFCssen...“
Dave unterbrach den Vortrag des Arztes mit einem gurgelnden: \x84Was...“
Der Arzt stoppte seine Rede. Dave \xF6ffnete erneut seine Augen und richtete seinen Blick auf den wei\xDFgekleideten Mann.
\x84Sie fragen was geschehen ist?“ Der Arzt blickte kurz zu seinen Helfern, welche damit besch\xE4ftigt waren Notizen in kleine schwarze B\xFCcher zu kritzeln und die summenden und piependen Apparaturen zu kontrollieren.
\x84Das w\xE4re eher eine Frage, die wir ihnen gern gestellt h\xE4tten.“
Dave blickte unverst\xE4ndlich zu dem Arzt hinauf, welcher meilenweit von ihm entfernt zu stehen schien. Dave f\xFChlte sich allein. Er hatte Kopfschmerzen.
\x84Ihre Kollegen fanden sie am Boden einer Gasse zwischen zwei H\xE4usern in der 5. Strasse. Ganz in der N\xE4he habe es, so sagte man mir, einen kleineren Tumult oder eine Panik gegeben. Oh, nebenbei, ich bin Dr. Dawson, ich bin ihr Arzt.“
Dave wollte etwas erwidern, seine Lippen widersetzten sich allerdings seinen Befehlen und schienen aufeinander zu kleben.
\x84Sie lagen inmitten einem Haufen aus Kartons und M\xFClltonnen. Anscheinend sind sie gest\xFCrzt. Mir wurde gesagt, dass auf einem der an die Gasse angrenzenden H\xE4user Fu\xDFspuren von ihnen im Schnee gefunden wurden, die sehr abrupt endeten.“
Dave blickte den Arzt nur an. Er f\xFChlte, wie seine Brust sich schwer hob und senkte, als er die k\xFChle Atemluft in seine Lungen sog und ausatmete.
\x84Sie werden sich fragen, wieso ich ihnen all diese Fragen stelle, obwohl ich nur ihr Arzt bin. Ich habe meine Gr\xFCnde. Einerseits muss ich ihr Krankheitsbild festlegen und andererseits wurde ich von ihren Kollegen mit den n\xF6tigen Informationen und Fragen an sie ausgestattet. Des weiteren ist dies hier die Intensivstation und unqualifizierte Besucher sind unerw\xFCnscht. Ihren Kollegen blieb also keine Wahl, als mich mit ihrer Befragung zu beauftragen. Um ehrlich zu sein muss ich auch sagen, dass ich diese Aufgabe nicht ganz ohne eigenes Interesse angenommen habe. Sie waren die letzten Wochen eine Art lebendes R\xE4tsel Dave... f\xFCr die Polizei, wie auch f\xFCr die sie behandelnden \xC4rzte.“
Daves Augen weiteten sich leicht, als er das Wort \x82Wochen’ vernahm, aber sogar diese winzige Bewegung verst\xE4rkte seine Kopfschmerzen nur noch mehr.
\x84Schonen sie sich,“ sagte Dr. Dawson erneut, bis er seine vorherige Rede fortsetzte.
\x84Ich wei\xDF, dass sie ersch\xF6pft sein m\xFCssen. Sie waren 23 Tage bewusstlos. Aber es ist auch wichtig zu erfahren, wie es zu den Vorf\xE4llen in der 5. Strasse kommen konnte.“
Daves Gedanken gingen auf eine stille Reise. Die Worte des Arztes verschwammen, verstummten und verloren an Sinn, als die Tatsache, dass er 23 Tage bewusstlos gewesen war, sich mit scharfen Krallen in Daves Herz bohrte.
\x84Mr. Simmons.“
\x84Mr. Simmons!“
\x84Dave!“ Der Arzt versuchte Daves Aufmerksamkeit zu gewinnen und ber\xFChrte ihn mit der flachen Hand an der Schulter.
Mit einem schmerzhaften Zucken wurde Daves Geist in die Realit\xE4t zur\xFCckgerissen. Seine Lippen verzogen sich zu einem erschrockenen Knurren. Dann setzten seine Kopfschmerzen wieder ein und trieben ihm den kalten Schwei\xDF auf die Stirn.
Der Arzt, Dr. Dawson, sah beunruhigt auf seinen Patienten herab und runzelte die Stirn. Dann murmelte er einige kurze Worte zu einem seiner Gehilfen und wandte sich danach wieder Dave zu. Der Gehilfe verlie\xDF unterdessen den Raum.
F\xFCr eine Sekunde konnte Dave die Ger\xE4usche au\xDFerhalb seines Zimmers vernehmen: Lachen, Schreien, Weinen, gesprochene Worte, das Quietschen von Metallr\xE4dern auf Linoleumboden.
Dann fiel die T\xFCr zu und schnitt all die Ger\xE4usche und Eindr\xFCcke augenblicklich ab.
\x84Dave... es ist von allerh\xF6chster Wichtigkeit, dass sie mir einige Fragen beantworten, auf die ihre Kollegen keine Antworten gefunden haben.“
Der Arzt l\xF6ste seine Handfl\xE4che von Daves Schulter. Der \xFCbriggebliebene Gehilfe bl\xE4tterte einige Seiten in seinem Notizblock um und wartete anscheinend darauf, dass der Arzt weitersprach und irgendwelche Fragen an Dave richtete.
\x84Wie ich schon erw\xE4hnte entdeckte die Polizei ihre Spuren auf einem nahen Dach, wo sie aber pl\xF6tzlich und abrupt endeten. Das Dach war vollkommen verw\xFCstet. Steinsplitter der Verw\xFCstung trafen auf einem nahen Gehweg vorbeigehende Fu\xDFg\xE4nger teilweise schwer. Einige von ihnen konnten das Krankenhaus jetzt noch nicht verlassen. Und dies bringt mich zu dem R\xE4tsel, vor dem wir alle stehen, wenn wir sie, Dave, ansehen.“
Daves Gedanken sangen in seinem Kopf ein schmerzhaftes Lied. Er konnte keinen klaren Gedanken fassen.
\x84Dave...,“ begann Dr. Dawson wieder, \x84was ich mit all dem sagen will, ist folgendes: es ist vollkommen ungekl\xE4rt, wieso sie auf dem Haus waren, wieso das Dach verw\xFCstet war und wie sie einen Sturz aus mindestens 30 Meter H\xF6he nahezu unverletzt \xFCberstehen konnten.“
Ein Bild blitze in Daves Kopf auf. Er erkannte ein unstetiges Licht, eine Ber\xFChrung. Er f\xFChlte den Wind an seiner Kleidung rei\xDFen. Nur einen Bruchteil eines Augenblicks lag alles Offen vor seinem Geist, dann verschloss sich seine Erinnerung vor ihm und lie\xDF ihn sich schmerzhaft aufb\xE4umen.
Erschrocken zuckte der Arzt zusammen, dann dr\xFCckte er Dave an den Schultern wieder auf sein Bett. Er versuchte Dave in einem hastigen Befehlston zur Ruhe zu bringen: \x84Mr. Simmons!“
Daves Geist stand in Flammen. Er konnte sich an nichts erinnern.
Sein K\xF6rper zuckte unter dem festen Griff des Arztes.
Er wollte schreien, sich befreien. Er wollte weg, nur weg.
Den Stich der Spritze f\xFChlte Dave nicht mehr, denn l\xE4ngst war sein Geist in einen Alptraum aus Schmerz und Blut herabgerissen worden.
-3-
Erneut schwamm Dave in der Finsternis seiner eigenen Bewusstlosigkeit.
Nun aber, nachdem sein K\xF6rper einige Momente der Realit\xE4t genossen hatte, sponnen sich Erinnerungen und Erfahrungen der Au\xDFenwelt in die Finsternis ein.
W\xE4hrend Dave sich scheinbar schwerelos um seine eigene Achse drehte und von der beruhigenden und kalten Finsternis umschlossen war, schimmerten unstetige Bilder und Sinneseindr\xFCcke an seinem Geist vorbei.
Er sah das Hausdach vor sich. Er sp\xFCrte seine Handfl\xE4chen, wie sie auf dem kalten Stein der Br\xFCstung lagen, w\xE4hrend sein K\xF6rper den nahen Balkon verlie\xDF und das Dach betrat. Er h\xF6rte sein Blut rauschen und seinen Atem scharf zwischen seinen Lippen austreten. Er f\xFChlte den rauen Wind auf seinem Gesicht, das kalte Metall der Waffe in seiner verkrampften Faust.
Er sah sich selbst \xFCber die Schulter, als er langsam durch den matschigen Schnee stapfte, welcher das Dach bedeckte. Ein bl\xE4uliches Schimmern war zwischen einigen Schornsteinen hindurch zu erkennen.
Dann begann seine eigene k\xF6rperliche Form pl\xF6tzlich zu verschwimmen. Der Schnee stob auf. Das Tosen des Windes wurde von einem neuen Ger\xE4usch \xFCberlagert und ersetzt, einem stetigen Piepen und Surren.
Er f\xFChlte etwas an sich zerren. Er f\xFChlte sich beobachtet.
Dann, urpl\xF6tzlich, riss er seine Augen auf.
Es dauerte einige Momente, vielleicht waren es sogar mehrere Minuten, bis er sich gewahr wurde, dass er aufgewacht war und in einem finsteren Zimmer lag.
Stille herrschte um ihn herum. Nur das eint\xF6nige Piepen und Surren einiger Apparaturen st\xF6rte die n\xE4chtliche Idylle.
Dave war allerdings nicht nach Idylle zu Mute. Er f\xFChlte sich matt. Sein Kopf schien angewachsen zu sein und sandte pochende Schmerzwellen durch seinen K\xF6rper.
St\xF6hnend bewegte Dave langsam eine Hand. Zuerst schien sie sich seinen Befehlen wiedersetzen zu wollen, dann hob sie sich langsam.
Er wischte sich durch das schwei\xDFnasse Gesicht und atmete einige Male tief durch.
Dann st\xFCtzte er sich mit seinen Ellenbogen auf das Bett und hob seinen Oberk\xF6rper langsam an.
Der Schmerz, der in diesem Augenblick durch seinen K\xF6rper raste, nahm ihm den Atem und lie\xDF ihn keuchend zur\xFCckfallen.
Das Piepen der Apparatur direkt neben seinem Bett nahm an Intensit\xE4t und Geschwindigkeit zu. Dave ignorierte es. Er zwang sich gleichm\xE4\xDFig zu atmen.
Erneut unternahm er den Versuch sich aufzurichten. Dieses Mal gelang es. Langsam aber steig wuchtete er sich in die H\xF6he, bis er es vollbracht hatte und aufrecht in seinem Bett sa\xDF.
Sein Kopf schmerzte, pochte und lie\xDF ihn keinen klaren Gedanken fassen. Er schloss seine Augen und versuchte den Schmerz zu ertragen.
Es mussten sicherlich wieder Minuten vergangen sein, als Dave seine Augen erneut \xF6ffnete.
Er befand sich noch immer in dem selben Raum, in dem er auch gelegen hatte, als er das letzte Mal aus seiner Bewusstlosigkeit erwacht war. Nur war er dieses Mal allein im Zimmer.
Dave sah sich langsam um, f\xFChlte die pochenden Schmerzen, welche ihm sein Kopf bereitete, dabei bei jeder noch so kleinen Bewegung.
Direkt neben seinem Bett stand ein Tisch, welcher voll mit medizinischen Apparaten gestellt war, deren Funktion Dave nicht einmal ansatzweise erraten konnte. Mehrere Kabel verlie\xDFen einige der Ger\xE4te und endeten unter einem Verband, welcher um sein linkes Handgelenk gelegt worden war. Im Dunkel des Raumes grau erscheinende Schr\xE4nke schienen wie leblose Zuschauer um sein Bett herum aufgereiht zu sein. Die T\xFCr war in der Finsternis kaum zu erkennen, wohl aber das Fenster, dessen Jalousie nun nur halb geschlossen war und Dave einen kleinen Einblick in die Welt au\xDFerhalb des Zimmers, in welcher die Nacht regierte, er\xF6ffnete.
Dave blickte an sich herab. Er steckte in einem wei\xDFen Krankenhauskittel. Die antiseptisch wirkende Farbe hob sich nahezu nicht von dem ebenso wei\xDFen Bettbezug und dem Rest des Zimmers ab.
Langsam kehrte auch die Erinnerung an seine letzte Wachphase wieder zur\xFCck. Dave erinnerte sich an die Worte des Arztes, welcher ihm gesagt hatte, dass er sehr tief gefallen war. Stimmte es? War er gefallen?
Dave erinnerte sich nicht. Sein Kopf schmerzte zu sehr.
Mit einer langsamen Bewegung, Dave kam sich vor, als w\xFCrde er sich Unterwasser bewegen, zog er seine Bettdecke zur Seite. Mit einem Rascheln sank die Decke zu Boden.
Dave tastete seinen Unterk\xF6rper ab, dann seine Beine. Er bewegte seine F\xFC\xDFe, seine Zehen. Alles schien in Ordnung.
Wenn er wirklich \xFCber 30 Meter in die Tiefe gest\xFCrzt war, wie auch immer, wie hatte er es vollkommen unverletzt \xFCberstehen k\xF6nnen?
Dave fr\xF6stelte. Eine G\xE4nsehaut bildete sich \xFCberall auf seinem K\xF6rper. Er fuhr mit der Handfl\xE4che seiner rechten Hand, die nicht an die Apparaturen angeschlossen war, \xFCber die Haut seines linken Arms. Er atmete langsam, trotzdem f\xFChlte er sich seltsam nerv\xF6s.
Was war nur los mit ihm?
Die Mattheit, welche seinen K\xF6rper noch vor wenigen Minuten in ihrem eisigen W\xFCrgegriff festgehalten hatte, lie\xDF nun von ihm ab.
Dave blickte zu Boden, sein Atem ging schneller. Er sp\xFCrte sein Blut durch seine Adern flie\xDFen, f\xFChlte seinen Puls gleichm\xE4\xDFig pochen.
Dann, sich selbst \xFCberraschend, schwang er in einer flie\xDFenden Bewegung seine Beine aus dem Bett und stand auf.
Fast w\xE4re er seitlich zusammengebrochen, aber er zwang sich stehen zu bleiben, wenn auch schwankend.
Sein Kopf sandte Schmerzwellen durch seinen K\xF6rper, als wenn er ihn daf\xFCr bestrafen wollte so etwas dummes, wie pl\xF6tzlich aufstehen, getan zu haben. Erneut schloss Dave die Augen und ertrug den Schmerz.
Es dauerte mehrere Augenblicke, bis er sich sicher genug f\xFChlte, die Augen erneut zu \xF6ffnen. Das Surren und Piepen der nahen Apparaturen und der Schmerz in seinem Kopf \xFCberlagerten dabei seine Gedanken, so dass er an nichts anderes denken konnte, als stehen zu bleiben.
Dann, nach eigen Sekunden der Orientierung, bewegte er sich langsam auf das Fenster in seinem Raum zu. Er kam nicht sehr weit, denn die Kabel, welche sein linkes Handgelenk mit dem piependen Ger\xE4t verbanden, lie\xDFen ihm keinen weiten Bewegungsspielraum.
Mit einem kurzen Knurren zog Dave die Kabel unter dem Handgelenksverband hervor. Ein kurzer Schmerz war die direkte Konsequenz, aber dieser wurde schnell von Daves Kopfschmerzen \xFCberlagert.
Die Kabel zu Boden fallen lassend trat Dave an das Fenster, w\xE4hrend der medizinische Apparat mit einem langezogenen Piepen seinen Unmut kund tat.
Daves Schritte wurden sicherer. Er f\xFChlte sich mit jeder Minute die verstrich besser und besser, wenn er von seinem Kopf absah.
Mit einer kurzen Bewegung zog Dave die Jalousien surrend nach oben.
Ein weiter, dunkler Park er\xF6ffnete sich seinem Blick. Schneebedeckte B\xE4ume s\xE4umten kaum erkenntliche, sich zwischen ihnen hindurch schl\xE4ngelnde, Wege. Weitere Krankenhausgeb\xE4ude und die unwirklich erscheinende Skyline der Stadt zeichneten sich grau in grau in der Dunkelheit ab. Daves Zimmer lag anscheinend im ersten Stock, so dass ihm einige nahestehende B\xE4ume klein und unwichtig erschienen. Der Himmel war von dichten Wolken bedeckt, kein Stern war zu erkennen.
Ein Windstoss wehte Schnee in dichten Wolken von den B\xE4umen.
Dave st\xFCtzte sich mit seinen Handfl\xE4chen auf das k\xFChle Fensterbrett. Er atmete ungewohnt hastig. Die unverst\xE4ndliche Nervosit\xE4t legte sich als kalter Schwei\xDF auf seine Stirn.
Dann riss die Wolkendecke \xFCber dem Krankenhaus pl\xF6tzlich auf und machten dem gelblich am Himmel h\xE4ngenden Vollmond platz. Das fahle Licht des Erdtrabanten ergoss sich von einem Augenblick auf den anderen \xFCber den Krankenhauspark und lie\xDF Dave seine Augen aufrei\xDFen.
Seine Schl\xE4fen pochten.
Er erblickte eine Gestalt, die sich keine 15 Meter von seinem Fenster entfernt in einen Busch zwischen zwei B\xE4umen geduckt hatte und gerade dabei war, ihre Position leicht zu ver\xE4ndern.
Es war, als ob die Gestalt flackernd in dem Meer aus Dunkelheit und Schnee herausstach und jede ihrer Bewegungen, sei sie auch noch so klein, sie gnadenlos offenbarte.
Daves H\xE4nde verkrampften sich, klammerten sich schmerzhaft an das Fensterbrett. Er sp\xFCrte sein Herz schneller und schneller schlagen. Es pumpte sein scheinbar kochendes Blut zuckend durch seine Adern. Er atmete schneller, ungleichm\xE4\xDFiger. Schwei\xDF stand auf seiner Stirn. Dave hustete, keuchte. Ein kurzes Knurren entglitt seiner Kehle.
Erneut kam Bewegung in die Gestalt, welche sich im Park versteckt gehalten hatte. Inmitten des vom Wind aufgewirbelten Schnees konnte Dave sie genau erkennen, als sie sich aufrichtete und hastig davonlief.
Innerhalb von Augenblicken war die Gestalt in der schneeverwehten Finsternis verschwunden.
Daves Atem ging schnell. Seine Finger schmerzten. Sein Kopf schien zu platzen, derma\xDFen stark h\xE4mmerten die Kopfschmerzen in ihm.
Seine Finger...
Dave blickte zu seinen H\xE4nden herab, welche noch immer das Fensterbrett umklammert hielten.
Seine Augen weiteten sich erneut, als er seine H\xE4nde langsam entkrampfte und auf das Fensterbrett starrte. \xDCberall dort, wo seine Finger gelegen hatten, war das schwere Holz gesplittert und eingedr\xFCckt worden. Er hatte das Fensterbrett zerbrochen.
Mit zitternden Lippen trat Dave einen Schritt zur\xFCck, dann noch einen.
Was geschah hier?
Wer war diese Gestalt gewesen, welche offensichtlich ihn, Dave, beobachtet hatte?
Hektisch sah sich Dave in dem Raum um. Er h\xF6rte aufgeregte Stimmen und schnelle Fu\xDFschritte au\xDFerhalb seines Zimmers. Es war alles sehr deutlich. Eigentlich viel zu deutlich.
Das langgezogene Piepen des Apparates, dessen Kabel er sich aus dem Handgelenk gezogen hatte, erinnerte Dave daran, weshalb sich Schritte seinem Raum n\xE4herten.
Was w\xE4re, wenn sie ihm erneut Fragen stellen w\xFCrden, wenn auch nur wegen dem Fensterbrett?
Was w\xE4re, wenn sie ihn erneut unter Drogen setzen w\xFCrden?
Die Schritte n\xE4herten sich, fast konnte er die Gestalten schon riechen.
Dave zitterte. Sein Atem klang abgehackt in seinen Ohren.
Dann, ohne einen weiteren Gedanken daran zu verschwenden, drehte er sich auf der Stelle um, hastete einige Schritte voran und warf sich mit vor das Gesicht gepressten Armen durch das Fenster seines Zimmers.
In einen Scherbenregen geh\xFCllt st\xFCrzte Dave in die Tiefe. Er versuchte sich zu drehen, aber sein K\xF6rper schien ihm nicht zu gehorchen und bewegte sich anders, als er es ihm befehlen wollte.
Hinter ihm flutete gelbliches Licht aus dem an sein Zimmer angrenzenden Gang in den Raum. Der unwirkliche Schein lies die in die Tiefe wirbelnden Glasscherben irreal aufblitzen und wie kleine Kometen erscheinen, die in einer Atmosph\xE4re vergl\xFChten.
Stimmen wurden laut, jemand schrie Daves Namen.
Dave sah den Boden schnell n\xE4her kommen. Ein gurgelndes Knurren aussto\xDFend sah er, wie seine Arme vorschnellten und sein K\xF6rper der Bewegung folgte.
Mit einem dumpfen Ger\xE4usch landete er schr\xE4g gedreht in dem durch den Aufprall aufwirbelnden Schnee, rollte sich ab. Die Atemluft wurde brutal aus seinen Lungen gepresst und kleine Sonnen explodierten vor seinen Augen.
Das Pochen in seinem Kopf nahm noch einmal an Intensit\xE4t zu. Ger\xE4usche klangen verzerrt in seinen Ohren.
Dann, v\xF6llig unvermittelt, sah er sich durch den eisigen Schnee laufen. Er wusste nicht, ob er der Herr seiner eigenen Bewegungen war, er f\xFChlte einfach nur den un\xFCberwindbaren Drang zu laufen und zu fl\xFCchten.
Er sah nicht zur\xFCck und ignorierte die Schreie hinter sich, als er in die Dunkelheit unter den B\xE4umen des Krankenhausparks eindrang.
-4-
Es mussten mehrere Stunden vergangen sein, denn die Sonne stand mittlerweile irgendwo \xFCber den H\xE4usern der Stadt und versuchte vergeblich der K\xE4lte des Winters Einhalt zu gebieten.
Da die Sonne in dieser Jahreszeit keine Kraft besa\xDF und Dave immer noch nur in seinen d\xFCnnen Krankenhausmantel geh\xFCllt war, fror er erb\xE4rmlich.
Nach einer schier end- und v\xF6llig kopflosen Flucht hatte er sich in einer Gasse wiedergefunden, von der er nicht sagen konnte, wo sie genau lag.
Dave hatte sich zitternd und keuchend zwischen einige hoch aufragende M\xFClltonnen in einen Berg aus Zeitungen fallen lassen. Das Pochen in seinem Kopf war ein wenig abgeklungen und legt sich nun mehr dumpf dr\xFCckend auf sein Gem\xFCt.
Wie lange er nun schon in diesem Versteck verharrte konnte er nicht sagen. Sein Zeitgef\xFChl war ihm vollkommen abhanden gekommen, da er mehrmals f\xFCr eine unbestimmte Zeit eingeschlafen war.
Ob er jedoch gl\xFCcklich war, wieder aufgewacht zu sein, konnte er sich selbst nicht beantworten.
Seine F\xFC\xDFe, er trug nicht einmal Schuhe, f\xFChlten sich kalt an. Als Dave seine zitternden Finger dar\xFCber fahren lies, f\xFChlte er kaum etwas.
Er musste ins Warme. Schnell.
Er wusste sogar schon, wohin er gehen musste, um warm und sicher zu sein. Er musste nach Hause gehen. Seine Frau w\xFCrde auf ihn warten. Er w\xFCrde zu Essen bekommen. Er k\xF6nnte in Ruhe schlafen.
Nach Hause. Wie lange er nicht mehr dort gewesen war.
Nur wie sollte er in dem Zustand, in dem er sich befand, halb erfroren und kaum bekleidet, den Weg nach Hause finden?
Dave f\xFChlte seinen K\xF6rper kaum, als er fast mechanisch aufstand und sich in der Gasse umblickte.
Dann, nahezu instinktiv, dr\xFCckte er sich wieder in die Schatten zwischen den M\xFClltonnen.
Schritte n\xE4herten sich, er hatte die Silhouette einer n\xE4herkommenden Gestalt am anderen Ende der Gasse entdecken k\xF6nnen.
Daves Atem ging wieder schneller, er verga\xDF die K\xE4lte, welche sich wie eine t\xF6dliche Decke um seinen K\xF6rper gelegt hatte.
Die Schritte n\xE4herten sich.
Daves Schl\xE4fen pochten.
Dave wollte seine H\xE4nde of seine Ohren pressen, als er den Atem der sich n\xE4hernden Person deutlich wahrnahm... das konnte nicht sein! Sein K\xF6rper verweigerte ihm allerdings den Dienst und spannte sich.
Dave schluckte. Die Schritte n\xE4herten sich auch weiterhin. Seine Hand suchte nach irgend etwas, tastete zwischen den M\xFClltonnen. Dann, als das Schrittger\xE4usch Daves Versteck nahezu erreicht hatte, umfasste seine suchende Hand eine an eine der M\xFClltonnen gelehnte, kurze und verbogene Metallstange.
Dave wollte aufschreien, sich selbst zur\xFCck halten, aber er war unf\xE4hig dazu.
Mit einer kurzen Bewegung sprang er vor, blickte wild in die Augen des anzugtragenden Fremden und lies die Metallstange seitlich auf dessen Kopf zusausen.
Die Augen des Mannes blitzen vor Furcht auf. Dave konnte sich selbst f\xFCr den Bruchteil einer Sekunde in ihnen erkennen. Er sah ein zu einem Knurren verzogenes Gesicht und wild blitzende, ungn\xE4dige Augen. Er f\xFCrchtete sich selbst f\xFCr diesen winzigen Zeitpunkt mehr, als irgend etwas anderes auf der Welt.
Dann hatte er den Zeitpunkt passiert, die Metallstange traf dumpf auf dem Kopf des Fremden auf und schickte ihn taumelnd und gurgelnd zu Boden. Ein d\xFCnner Blutfaden rann aus der geschlagenen Wunde in den Schnee.
Dave lies die Stange aus seinen verkrampften Fingern zu Boden fallen, wo sie metallisch klingend einen kleinen Bogen rollte und dann in einer matschigen Schneepf\xFCtze liegen blieb.
\x84Verdammt,“ presste Dave leise hervor. Es war das erste Wort, welches er seit Langem von sich gegeben hatte und seine eigene Stimme klang fremd f\xFCr ihn.
Dann begann er dem nun bewusstlos vor ihm liegenden Mann die Kleidung auszuziehen.
Wieso tat er das? War er kein Polizist?
Wieso f\xFChlte er sich wie ein gejagtes Tier?
Was hatte ihn zu dieser Tat getrieben?
Sein Kopf schmerzte, als er Antworten auf all diese Fragen zu finden versuchte und er zwang sich erst einmal zur Ruhe und entkleidete den Fremden.
Die Kleidung, ein nicht billig aussehender schwarzer Anzug, war Dave vielleicht einige Nummern zu gro\xDF, aber dies war ihm lieber, als wenn er sich in zu kleine Kleidung h\xE4tte zw\xE4ngen m\xFCssen.
Nach wenigen Minuten hatte Dave den Anzug des Mannes \xFCbergestreift und den Bewusstlosen zwischen den M\xFClltonnen versteckt. Er hoffte, dass der Mann ihn nicht identifizieren werden k\xF6nnte. Ansonsten k\xF6nnte er, Dave, weitere Probleme bekommen.
F\xFCr den Bruchteil eines winzigen Augenblicks erhob sich eine b\xF6sartige Idee aus den tiefsten Tiefen seines Unterbewusstseins. Er k\xF6nnte dieses Problem leicht aus dem Weg schaffen, er m\xFCsste nur den Metallstab...
NEIN!
Mit einem angewiderten Blick taumelte Dave zur\xFCck, eine unglaubliche Furcht vor sich selbst empfindend.
Er blickte sich in der Gasse um, dann suchte er in den Taschen des Anzugs mit zitternden Fingern nach Geld.
Nur Augenblicke sp\xE4ter hatte er einige Dollars in einer der Taschen gefunden. Pl\xE4ne, Gedanken und Ideen zuckten durch seinen Geist. Er konnte keinen der Blitze fangen und im Detail betrachten, er war verwirrt.
Dann, mit einem letzten Blick auf den bewusstlosen, halb unter einem Zeitungsstapel verborgenen Mann, verlies Dave die Gasse und mischte sich in die Massen an Menschen, welche die B\xFCrgersteige f\xFCllten.
Er w\xFCrde nach Hause fahren.
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Das Taxi hielt mit im Schneematsch leicht weiterrutschenden Reifen, als der Fahrer es geschickt in eine Parkl\xFCcke steuerte und dann die Bremse voll durchtrat.
Dave wurde kurz nach Vorn geschleudert, aber der Anschnallgurt stoppte die ungewollte Bewegung pl\xF6tzlich und schmerzhaft.
Der Taxifahrer drehte sich zu Dave um, welcher auf dem Beifahrerplatz sa\xDF, und blickte ihn dabei nicht wirklich an.
Er schien in der durchgefrorenen Gestalt Daves eher einen Quell des Geldes zu sehen.
Deswegen l\xE4chelte der Fahrer wohl auch, als er 10 Dollar von ihm verlangte.
Mit einem kurzen Nicken best\xE4tigte Dave den Betrag, dr\xFCckte dem Fahrer das verlangte Geld in die Hand und stieg dann schnell aus dem Wagen aus.
\x84Sch\xF6nen Abend w\xFCnsche ich noch,“ rief ihm der Taxifahrer hinterher, als er sein Fahrzeug aus der Parkl\xFCcke heraus und auf die Strasse lenkte.
Dave wusste, das dies nur eine leere Phrase gewesen war.
Trotzdem hatte der Mann recht gehabt, als er den Abend erw\xE4hnt hatte. Dave musste wirklich lang in der Gasse geschlafen haben, denn die Sonne ging langsam hinter der Skyline der Stadt unter.
Dave befand sich aber nicht mehr wirklich inmitten der Stadt, vielmehr hatte er den Taxifahrer in eines der Randgebiete fahren lassen. Hier hatte Dave ein Haus. Hier lebte er.
Seine Frau w\xFCrde auf ihn warten.
Er blickte die Strasse hinab, die durch das Licht der untergehenden Sonne in ein unwirkliches Rot getaucht war. Kleine Einfamilienh\xE4user mit einem davor liegenden Garten reihten sich wie Glieder einer Kette aneinander und verloren sich zu beiden Seiten in der heraneilenden Dunkelheit des Abends.
Kein Mensch war zu sehen und nur wenige Autos qu\xE4lten sich \xFCber die unger\xE4umten, schneebedeckten Strassen, an deren Seiten sich kleine Berge aus grauem Matsch angeh\xE4uft hatten.
Dave war dies sogar Recht, er hatte wenig Lust mit irgendeinem neugierigen Nachbarn zu reden und sich L\xFCgen einfallen zu lassen, was denn alles mit ihm geschehen sei.
Denn er wusste es nicht. Er hatte keine Ahnung, was ihn zu all dem getrieben hatte, was ihm die letzten Stunden geschehen war. Und, was noch viel seltsamer war, er hatte keine Ahnung, was vor alledem passiert war.
Sein Kopf pochte schmerzhaft, als er in dem \xFCber ihn hineinbrechenden Zwielicht seinen Weg die Strasse hinauf antrat.
Er versuchte alle unwichtigen Gedanken aus seinem kopf zu verbannen, als er die H\xE4user, welche den Gehweg s\xE4umten, passierte.
Was nun z\xE4hlte war ein sicheres Haus, etwas zu Essen, ein warmes Bett und seine Frau.
Schattenhafte Gestalten bewegten sich hinter zugezogenen Vorh\xE4ngen der golden beleuchteten Fenster der H\xE4user.
Daves Herz pochte heftig, als er in dem grauen Zwielicht, welches sich nach dem Verschwinden der Sonne \xFCber die Stadt gelegt hatte, sein Haus erkannte.
Seine Schritte beschleunigend ging er auf das Haus zu, seine gestohlenen Schuhe traten dabei durch den mit Streusand durchsetzten Schneematsch.
Dann, einige kurze Minuten sp\xE4ter, trat er durch das Tor seines Gartens und lenkte seine Schritte \xFCber den schneeges\xE4umten Weg auf die Eingangst\xFCr seines Hauses zu.
Mit einem L\xE4cheln auf den Lippen klopfte er gegen die T\xFCr. Dann wartete er einige Augenblicke, in denen er sich noch einmal in dem kleinen, schneeverwehten Garten vor dem Haus umsah. Es kam ihm so unendlich lange vor, dass er und seine Frau hier gesessen hatten. Von der warmen Sommersonne beschienen hatten sie zusammen gelegen und von der Zukunft getr\xE4umt.
Niemals h\xE4tte Dave damals daran gedacht, dass alles einmal zu der Situation f\xFChren k\xF6nnte, in der er sich nun befand.
Weitere Momente vergangen.
H\xE4tte er kein Licht hinter den Fenstervorh\xE4ngen gesehen, h\xE4tte Dave angenommen, dass Carroll, seine Frau, nicht daheim gewesen w\xE4re.
Des weiteren stand ihr kleiner, roter Mitsubishi an der Strasse geparkt.
Wo sollte sie zu so sp\xE4ter Stunde ohne Auto hingegangen sein? Zu den Nachbarn hatten sie beide keinen Kontakt.
Sie musste also zu Hause sein. Nur Carroll konnte ihm die Ruhe geben, die er nun brauchte. Und nur sie konnte ihm eventuell Informationen geben. Sie war Reporterin von Beruf, sie konnte einiges geh\xF6rt haben.
W\xE4hrend Dave sich mit einer Hand den schmerzenden Kopf hielt, horchte er angespannt, ob er Ger\xE4usche aus dem Haus vernehmen k\xF6nnte.
Schritte.
Er h\xF6rte Schritte, die sich langsam der Haust\xFCr n\xE4herten.
Sein Herz schlug schneller, Gedanken blitzten in seinem Geist auf. Er unterdr\xFCckte sie.
Die T\xFCr wurde ge\xF6ffnet und Carroll stand in ihrer ganzen Sch\xF6nheit vor Dave. Das Licht, welches aus dem Haus schien, h\xFCllte sie in einen goldenen Schimmer.
Ihre Augen weiteten sich bei seinem Anblick. Sie schien unsicher, was sie tun sollte.
Dave st\xFCrzte vor und umarmte sie zitternd. Sie erwiderte die Umarmung und schmiegte sich an seine verdreckte und schneebedeckte Gestalt.
\x84Dave... was...,“ begann Carroll schluchzend, aber ihre Worte gingen in einem Schwall aus Tr\xE4nen unter.
Dave dr\xFCckte sich an sie, f\xFChlte ihren zitternden K\xF6rper. Er legte seinen Kopf auf ihre Schulter, roch ihr Haar, murmelte Worte, deren Sinn nicht einmal er verstand.
Erst nach langen Minuten l\xF6sten sie sich voneinander. Einige folgende Augenblicke lang sahen sie sich nur in die Augen. Carrolls Lippen zitterten. Sie fror.
Zusammen betraten sie den direkt hinter der T\xFCr liegenden Wohnraum. Carroll schloss die T\xFCr hinter Dave und blickte ihn dann wortlos an.
Dave erwiderte ihren Blick dieses Mal nicht, stattdessen entledigte er sich seiner eisigen Anzugjacke, welche schwer zu Boden sank.
Dann blickte Dave auf, sein Blick traf sich erneut mit dem ihren.
\x84Dave...,“ begann Carroll mit einer Stimme, die sich f\xFCr ihn nicht beruhigender h\xE4tte anh\xF6ren k\xF6nnen, \x84was ist nur geschehen?“
Dave sp\xFCrte langsam eine gro\xDFe M\xFCdigkeit in seinen K\xF6rper fahren und er setzte sich auf einen der im Wohnraum stehenden Sessel.
Dann senkte er seinen Blick, besah sich seine nasse Kleidung und atmete keuchend aus.
\x84Ich... wei\xDF es nicht,“ begann er leise, \x84irgendwie verstehe ich die Welt um mich herum derzeit \xFCberhaupt nicht mehr...“
Er blickte auf, schaute seine Frau an. Carroll stand noch immer nahe der T\xFCr und war in einen dunkelblauen Bademantel geh\xFCllt. Ihre langen blonden Haare hoben sich gegen den dunklen Stoff und ihr besorgt blickendes Gesicht deutlich ab. Ihre Finger spielten nerv\xF6s mit dem d\xFCnnen G\xFCrtel, welcher den Mantel zusammenhielt.
Den Blick aus Carrolls hellblauen Augen kaum erwidernd sprach Dave in einem monotonen Ton weiter: \x84Irgendwie ist etwas mit mir geschehen in den letzten Wochen... was wei\xDFt du alles, Carroll? Was haben sie dir erz\xE4hlt?“
Carroll setzte sich selbst nun auch in einen der Sessel und legte ihre zitternden H\xE4nde in ihren Scho\xDF.
\x84Es waren anfangs \xF6fters Polizisten hier. Sie stellten mir Fragen, berichteten mir ein wenig von dem, was passiert ist. Dave... 30 Meter!“
Dave nickte kurz.
\x84Sie erz\xE4hlten mir von deinem Sturz. Dann verboten sie mir auch noch, dich im Krankenhaus zu besuchen! Sie sagten etwas von \x82unvollendeter Beweisaufnahme’ oder so etwas!“ Carrolls Stimme wurde lauter, sie \xE4rgerte sich. \x84Nicht einmal mit meinem Presseausweis durfte ich zu dir. Ich durfte also warten und... Dave... wieso bist du nun so pl\xF6tzlich hier?“
Sie blickte ihn an, aber Dave hatte l\xE4ngst den Boden fixiert und wurde wieder von den Schmerzen in seinem Kopf gequ\xE4lt.
\x84Was ist das f\xFCr Kleidung...? Dave... was ist geschehen?“
Dave legte eine Handfl\xE4che auf eine seiner pochenden Schl\xE4fen. Die Stimme seiner Frau erreichte ihn nur seltsam verz\xF6gert. Ihre Worte machten keinen wirklichen Sinn.
\x84Ich... ich... gehe duschen, bin gleich... wieder da...,“ brachte Dave zwischen seinen zusammengepressten Lippen hervor, dann stand er zitternd auf.
Carroll hinter sich lassend, taumelte er die Treppe in den ersten Stock hinauf und krallte sich dabei mit seinen kraftlosen Fingern in dem Treppengel\xE4nder fest.
\x84Dave... was...,“ die Stimme Carrolls verstummte in Daves Ohren, als er den Flur im ersten Stock entlang stapfte und die T\xFCr zum Badezimmer aufriss.
Erst als er die T\xFCr hinter sich zufallen lies, sie abschloss und sich dann kraftlos auf den Rand der Duschwanne setzte, lies das Chaos in seinem Geist langsam nach.
Er schloss seine Augen, atmete keuchend.
Was geschah nur mit ihm? Wieso reagierte er, wie er reagierte?
Er musste zur Ruhe kommen, nachdenken. Er musste sich ausruhen und zu Atem kommen.
Mit einem leisen St\xF6hnen stieg er aus seiner v\xF6llig durchn\xE4ssten Kleidung und trat unter die Dusche.
Augenblicke sp\xE4ter ergoss sich der warme Wasserstrom \xFCber seinen zitternden K\xF6rper und h\xFCllte ihn in einen warmen Dunst ein.
Dave legte den Kopf in den Nacken und schloss seine Augen.
-6-
Das weiche Handtuch um die Taille geknotet stand Dave vor dem noch halb beschlagenen Badezimmerspiegel. Er lies die scharfen Klingen des Rasierers wieder und wieder \xFCber die Bartstoppeln in seinem Gesicht fahren. Das Krankenhauspersonal hatte ihn anscheinend ab und an rasiert, aber sie schienen ihren Job in dieser Hinsicht nicht wirklich gut ausge\xFCbt zu haben.
Er sp\xFClte sich den vom Rasieren \xFCbrig gebliebenen Schaum mit klarem, kalten Wasser aus dem Gesicht.
Sein Gesicht, welches ihm aus dem Spiegel entgegenblickte, lies ihn einige Augenblicke inne halten. Er sah ersch\xF6pft aus. Seine vormals hellgr\xFCnen Augen blickten ihm stumpf und kraftlos an. Seine durch das Handtuch nur sp\xE4rlich trockengerubbelten Haare klebten an seinem Kopf, dessen Hautfarbe eher als fahl zu bezeichnen war.
Mit der Fl\xE4che einer Hand wischte Dave \xFCber den beschlagenen Spiegel und f\xFChlte die K\xE4lte des Glases auf seiner Haut.
Dann blickte er an sich herab. Keine Wunde, keine blaue Stelle. Kein Kratzer. Nichts. Er war vollkommen unverletzt. Gut, nach einer so langen Bewusstlosigkeit konnte einiges verheilt sein, aber nach einem Sturz aus gut 30 Metern mussten sich zumindest irgendwelche Spuren auf seinem K\xF6rper finden lassen.
Verdammt, was war nur geschehen? Wieso konnte er sich an nichts mehr erinnern, was mit seinem Sturz zu tun hatte?
Seine Kopfschmerzen meldeten sich wieder mit ihrer gewohnten Intensit\xE4t und Daves Gesicht verzog sich schmerzerf\xFCllt.
Er musste sich etwas Aspirin besorgen.
Dave blickte sich nach einem Bademantel oder etwas \xE4hnlichem um, fand aber nichts brauchbareres, als ein einsames Handtuch, welches er sich um seine H\xFCfte knotete.
Mit einem letzten kurzen Blick in den Spiegel verlies er das Badezimmer nur Augenblicke sp\xE4ter und ging langsam durch den dunklen Flur.
Der weiche Teppich f\xFChlte sich vertraut unter den nackten Sohlen seiner F\xFC\xDFe an.
Dave lies seinen Blick durch den Gang wandern. Er f\xFChlte sich seltsam fremd zwischen all den bekannten Bildern, Pflanzen und M\xF6beln.
Er blickte auf eines der Bilder, Billard spielende Hunde, und lauschte der Stille.
Aber da war keine Stille. Er h\xF6rte unerwartete Ger\xE4usche.
Aus dem Wohnraum des Hauses drangen Stimmen an seine Ohren, die auf keinen Fall aus einem Fernseher oder einem Radio stammen konnten.
Dave stand vollkommen still da. Irgendetwas hinderte ihn daran, die Quelle der Ger\xE4usche pers\xF6nlich aufzusuchen.
Er lauschte.
Es vergingen einige Sekunden, bis er sich auf die kaum zu verstehenden Stimmen eingestellt hatte, dann aber konnte er sie \xFCber das schmerzhafte Pochen in seinen Schl\xE4fen hinweg vernehmen.
\x84...ist oben. Er duscht.“ Das war die Stimme von Carroll. Sie klang weniger besorgt als mehr ver\xE4ngstigt.
\x84Wie ist sein Zustand?“ Eine m\xE4nnliche Stimme mit einem seltsamen Akzent sprach nun.
\x84Seltsam. Irgendwie abwesend.“
\x84Erschien er ihnen aggressiv? Verwirrt?“
\x84Er war kaum ansprechbar, hielt sich nur dauernd den Kopf.“
Dave stand vollkommen still in dem dunklen Flur. Die Treppe, welche hinab zu den Stimmen seiner Frau und dem Fremden f\xFChrte, befand sich nur wenige Meter links von ihm.
\x84Was werden sie tun?“ Carrolls Stimme klang kalt in Daves Ohren.
\x84Wir werden ihn in Gewahrsam nehmen.“
Mit einem Keuchen ging Dave in die Knie, das Handtuch rutschte von seiner H\xFCfte. Das Pochen in seinem Kopf nahm eine neue Dimension an.
\x84...war das...?“ Die Stimmen drangen pl\xF6tzlich wieder nur noch dumpf zu ihm hinauf.
Daves Blut rauschte in seinen Ohren.
Carroll hatte ihn verraten. Sie hatte Fremde in das Haus, sein Haus, eingelassen, um ihn, Dave, erneut festzusetzen! Er w\xFCrde sich nicht wieder einsperren lassen.
Sich mit einer Hand am Boden abst\xFCtzend drehte Dave seinen K\xF6rper nach rechts und hastete dann in Richtung der T\xFCr am Ende des Flurs. Dort lag das Schlafzimmer von ihm und Carroll.
Daves Kopf schien schmerzhaft anzuwachsen, als er die T\xFCr noch im Laufen aufriss und in das dunkle Schlafzimmer st\xFCrzte.
Schritte polterten hinter ihm die Treppe in den ersten Stock hinauf.
W\xE4hrend sein Herz schneller und schneller zu schlagen begann, riss Dave einen der nahen Kleiderschr\xE4nke auf und griff eine Hose sowie ein Hemd. Dann, noch in der selben Bewegung, warf er die T\xFCr zu, schloss sie ab und stellte in einem verzweifelten Versuch einen Stuhl gegen die T\xFCrklinke, so wie er es vorher in zu vielen schlechten Filmen gesehen hatte.
Hastige Schritte n\xE4herten sich der T\xFCr auf der anderen Seite, dann schlug jemand mit der Faust gegen das wei\xDFgestrichene Holz.
\x84Mr. Simmons! \xD6ffnen sie!“ Es war die Stimme des Mannes, welcher zu Carroll gesprochen hatte. Aber er war nicht allein. Dave hatte mehrere schwere Schritte im Flur geh\xF6rt.
Ohne zu antworten zog sich Dave die Hose und das Hemd an.
Die Schl\xE4ge gegen die T\xFCr wurden intensiver, die T\xFCrklinke wurde vehement niedergedr\xFCckt und wieder nach oben gerissen.
\x84Mr. Simmons! Wir sind von der Krankenhaus-Sicherheit! Die Polizei ist bereits auf dem Weg! Seien sie vern\xFCnftig!“ Die Stimme drang hart und kalt an Daves Ohren, aber er ignorierte die Botschaft und hastete an dem gro\xDFen Doppelbett vorbei, in welchem er und Carroll viele sch\xF6ne Stunden verbracht hatten, auf das Schlafzimmerfenster zu.
Keuchend riss er die Vorh\xE4nge zur Seite und blickte in die Finsternis der Nacht hinaus.
Wie er sich gedacht hatte, befanden sich in dem Garten vor dem Haus, \xFCber welchem das Fenster hing, Gestalten. Zwei M\xE4nner waren es, die nahe der Eingangst\xFCr standen und gerade anscheinend von einer sich im Haus befindlichen Person Befehle zugerufen bekamen. Anscheinend koordinierte der Mann, welcher soeben noch an der Schlafzimmert\xFCr gewesen war, seine Helfershelfer.
Dave hatte keine Zeit zu verlieren.
Mit einem Knurren \xF6ffnete er in einer kurzen Bewegung das Fenster und sprang, ohne einen Blick zur\xFCck zu werden, in die Tiefe.
Der Fall war kurz und nur einen Augenblick sp\xE4ter landete er in dem aufwirbelnden Schnee. Er war sich der Tatsache, dass er sich erneut auf der Flucht befand, dabei sehr wohl bewusst. Diese Tatsache wurde aber von dem Trieb diese Flucht zu \xFCberstehen \xFCberdeckt.
Einer der an der Haust\xFCr stehenden M\xE4nner, er trug einen dunkelgrauen Mantel und hatte einen Hut tief in sein Gesicht gezogen, drehte sich erschrocken zu Dave um.
Er wollte seinem nahestehenden und noch immer ins Haus blickenden Kollegen eine Warnung zurufen, aber Dave war schneller.
Ohne einen Gedanken an irgend etwas zu verschwenden sprang er vor, f\xFChlte seine Muskeln wie auf einen instinktiven Befehl reagieren. Sie katapultierten ihn auf den Manteltr\xE4ger und seinen Kollegen zu.
Noch bevor der Fremde seine Arme hochrei\xDFen konnte war Dave schon mit ihm kollidiert und st\xFCrzte mit ihm zusammen in den Schnee. Mit einem Knurren schlug Dave dem Mann seine Handfl\xE4che in das Gesicht. Er sp\xFCrte das Nasenbein des Mannes brechen und Blut \xFCber seine eigene Handfl\xE4che spritzen.
Dave ignorierte sowohl das Blut als auch den panischen Gesichtsausdruck des Mannes, als er wie in einer irreal beschleunigten Bewegung unter den Mantel des Fremden fasste, um etwas zu greifen, was er bei der Kollision mit ihm bereits gesp\xFCrt hatte.
Daves Finger ergriffen kaltes Metall und er zog die Pistole des Gefallenen aus dessen G\xFCrtelhalfter. Dann sprang er wieder auf seine Beine, wirbelte herum und richtete den Lauf der Waffe auf den Kollegen des nun blutend im Schnee liegenden Mannes.
Die ganze Aktion hatte vielleicht zwei Sekunden gedauert.
\xDCber den Lauf der Waffe hinweg, die Dave in seinen verkrampften Fingern hielt, konnte er den vollkommen erschrockenen Blick des vor der Haust\xFCr stehenden Fremden erkennen. Dahinter, in das goldene Licht der Hausinnenbeleuchtung geh\xFCllt, sah er Carroll. Sie stand vollkommen bewegungslos inmitten des Wohnraumes und starrte mit angsterf\xFCllten Augen in Richtung der Haust\xFCr. Sie starrte Dave an.
Dave wollte etwas sagen, sie beschwichtigen, ihr mitteilen, dass alles nur ein gro\xDFer Irrtum sei...
Aber in dieser Sekunde griff der noch stehende Fremde unter seinen Mantel. Dave wusste, was der Mann wollte und reagierte erneut mit einer ihm selbst unverst\xE4ndlichen Geschwindigkeit.
Er st\xFCrzte vor und schlug dem Mann mit dem Griff seiner Pistole ins Gesicht. Erneut sp\xFCrte er Knochen brechen, als sein kraftvoller Schlag sein Ziel erreichte.
Mit einem Keuchen brach der Fremde seitlich zusammen und blieb zuckend und blutend im Schnee liegen.
Dave blickte den Mann nicht an. Sein Herz h\xE4mmerte wie wild, unbekannte Ger\xE4usche und Gedanken sangen in seinem Kopf. Er stand gebeugt und die Pistole umklammernd vor dem Eingang seines Hauses und starrte auf seine Frau.
Aber er hatte sich niemals so weit entfernt von all dem gef\xFChlt, was ihm einst etwas bedeutet hatte.
Carroll blickte Dave panisch an, ihre Lippen zitterten.
Dave f\xFChlte, dass er seine Z\xE4hne wie zu einem Knurren offengelegt hatte und zwang seine Lippen, sich zu entspannen.
Er wollte etwas sagen.
Doch pl\xF6tzlich hallte das Ger\xE4usch von Polizeisirenen durch die Nacht. Die Polizei kam, um ihn einzufangen!
Dave blickte Carroll an. Ihr standen Tr\xE4nen in den Augen, sie zitterte nun am ganzen K\xF6rper.
Dann drehte Dave sich auf der Stelle um und rannte, die Pistole noch immer umkrampft, den Gartenweg entlang. Er lief weg von seinem Haus, weg von seiner Frau.
Als er das Gartentor passiert hatte und barfuss \xFCber den schneebedeckten Gehweg hastete, wusste er, dass er nun wirklich alles verloren hatte. Nur wusste er nicht wieso es so weit hatte kommen k\xF6nnen.
Das flackernde, abwechselnd rote und blaue Licht der Polizeisirenen zuckte durch die Strasse, als die Cops gl\xFCcklicherweise aus der entgegengesetzten Richtung zu seinem Haus fuhren, als aus der, in welche er fl\xFCchtete.
Daves Atem stand vor seinem Gesicht, Tr\xE4nen nahmen ihm die Sicht. Er fl\xFCchtete vor seinen einstigen Kollegen.
Sein Herz h\xE4mmerte in seiner Brust, seine Schl\xE4fen pochten. Adrenalin f\xFCllte seine Adern mit brennendem Feuer.
Wie von Sinnen rannte Dave den schneeverwehten Gehweg entlang, die Pistole wie ein heiliges Artefakt, wie seine letzte Verbindung zur Menschheit, an sich pressend.
Unverst\xE4ndliche Gedanken, Gef\xFChle und Zw\xE4nge fluteten durch Daves Geist. Er f\xFChlte sich schwer und gleichzeitig leicht. Es war, als versinke die Welt im Chaos.
Pl\xF6tzlich flammte auf der ihm entgegengesetzten Stra\xDFenseite ein Paar Scheinwerfer auf und blendete Dave derma\xDFen, dass er einen Arm vor die Augen rei\xDFend stehen bleiben musste, um nicht zu st\xFCrzen.
Eine Stimme klang auf: \x84Mr. Simmons! Hierher! Wir k\xF6nnen sie in Sicherheit bringen!“
Dave stand unbewegt auf dem B\xFCrgersteig und starrte auf die gegen\xFCberliegende Stra\xDFenseite. Das Auto, welches zu dem Paar Scheinwerfer geh\xF6rte, war schmierig schwarz und bot Platz f\xFCr sicherlich 4 Passagiere. Welche Marke es war, konnte Dave nicht erkennen.
Ein Mann stand neben der ge\xF6ffneten Fahrert\xFCr und winkte Dave zu.
\x84Mr. Simmons! Dave! Wir wissen, was mit ihnen geschehen ist!“
Noch immer r\xFChrte sich Dave nicht. Aber er wusste instinktiv, dass die Cops ihm sehr bald folgen w\xFCrden. Hatte er eine Wahl?
\x84Dave!“
Mit einem Blick die Strasse hinab \xFCberwand Dave seine Bewegungslosigkeit und hastete \xFCber die verschneite Stra\xDFe auf das Auto zu. Der Fahrer, welcher Dave nun n\xE4her kommen sah, stieg in den Wagen ein und lies ihn an.
Eine T\xFCr zum Font des Wagens wurde ge\xF6ffnet und Dave stieg schnell in das Auto ein. Dann schlug er die T\xFCr hastig zu.
In der selben Sekunde lies der Fahrer sein Fahrzeug aus seiner parkenden Position schnellen, wendete auf der rutschigen Strasse in einem engen Bogen und trat das Gaspedal dann bis zum Anschlag durch.
Der Wagen beschleunigte zuckend und jagte Augenblicke sp\xE4ter aus dem Viertel, in welchem Daves Haus lag, heraus und tauchte in das Gewirr von Strassen und Gassen ein, welche die Stadt umgaben.
Keuchend blickte Dave sich um, seine F\xFC\xDFe taten ihm weh. Die Hose, die er gerade noch hastig angezogen hatte, klebte nass an seinen Beinen.
Er war nicht allein in dem Auto, wie konnte es anders sein.
Neben dem Fahrer, von dem er nur den Hinterkopf erkennen konnte, sa\xDF noch ein Mann auf dem Beifahrersitz. Die junge Frau auf dem zweiten Platz im Font, also neben ihm, musste ihm die T\xFCr ge\xF6ffnet haben.
Alle Passagiere au\xDFer Dave waren offensichtlich Nachkommen der amerikanischen Ureinwohner. Sie alle trugen deutliche indianische Spuren und trugen Kleidung, wie man sie an Menschen ihres Schlages erwarten w\xFCrde: dicke Jacken und Hosen, die dem Wetter trotzen konnten. Die junge Frau neben Dave trug dazu noch eine beeindruckende Kette, in die die Fratzen von den verschiedensten Tieren eingeflochten waren.
Dave wollte sich gerade bei den Indianern f\xFCr seine Befreiung bedanken, als ihm die Frau eine seltsam erscheinende Pistole an den Hals dr\xFCckte.
Dave schluckte und wollte seine eigene Pistole ebenso erheben, aber ein kurzer Satz der Frau, unterst\xFCtzt durch den Druck ihrer Waffe an seinem Hals, lies ihn inne halten.
\x84Bewegen sie sich nicht, Mr. Simmons.“
Dave blickte die Frau fragend an. Er f\xFChlte sich hilflos. Sein Kopf schmerzte.
\x84Es wird ihnen nichts geschehen Dave. Wir werden sie nur zu jemandem bringen, der sich mit ihrem... Zustand auskennt.“ Dieses Mal hatte der Fahrer, ein \xE4lterer Mann, gesprochen.
Dave wandte seinen Kopf nach vorn, um etwas zu erwidern.
In diesem Augenblick zog die junge Frau den Abzug ihrer Waffe klickend durch. Ein Bet\xE4ubungsprojektil bohrte sich in Daves Hals und lies ihn kurz aufzucken.
Dann sank er kraftlos in sich zusammen.
-7-
Dave schwebte durch eine Traumwelt, die sich seinem bewusstlosen Geist als eine Sph\xE4re des Chaos pr\xE4sentierte.
L\xE4ngst hatte er akzeptiert, dass er sehr wohl wusste, dass er bewusstlos war. Er hatte keine Wahl. Er war vollkommen unf\xE4hig den Verlauf seines Traumes zu beeinflussen, also was sollte er sich ihm auch noch entgegen stellen?
Daves Traumk\xF6rper schwebte vorbei an Bildern, die ihm seine letzten wachen Stunden zeigten. Er sah sich den Mann in der Gasse niederschlagen. Er sah sich in den Kleidern des Fremden. Er sah das Taxi, seine Strasse. Sein Haus. Er sah Carroll.
Carroll... sch\xF6ne, intelligente Carroll. Wie sehr er sich gefreut hatte, sie zu sehen.
Wie sehr sich alles ge\xE4ndert hatte, nur Augenblicke, nachdem er sie in die Arme geschlossen hatte. Sie musste die Fremden gerufen haben, die Dave gefangen zu nehmen versucht hatten.
Dave schwebte an all den gewaltt\xE4tigen, nun aufblitzenden Bildern vorbei und f\xFChlte keine Reue, keinen Schmerz.
Allerdings f\xFChlte er etwas anderes in sich.
Er war sich nicht sicher, ob es ein Gef\xFChl oder ein Gedanke war. Es verbarg sich vor seinen Versuchen, es aufzusp\xFCren. Es war schnell. Es war stark.
Dave versuchte es aus seinem Versteck zu locken, aber je mehr er suchte, desto mehr verbarg es sich.
Dave sp\xFCrte das Pochen in seinen Schl\xE4fen.
Was war nur los mit ihm?
Er f\xFChlte den Traum aus seinen kraftlosen Fingern gleiten. Er sah die Visionen verschwimmen und einem kalten Schwarz weichen.
Er h\xF6rte sich atmen.
Er hatte seine Augen geschlossen.
Er war erwacht.
Stimmen drangen an seine Ohren. Er war ersch\xF6pft, konnte sie kaum auseinander halten, aber er konnte ihren Sinn verstehen
\x84...ohne Probleme gekl\xE4rt.“
\x84Wie kam es, dass er so einfach aus dem Krankenhaus entkommen konnte?“
\x84Unser Sp\xE4her konnte ihn nicht aufhalten, aber er unterrichtete uns \xFCber jede seiner Bewegungen. So konnten wir ihn auf der Flucht vor der Polizei abfangen.“
\x84Gut.“
\x84Wir konnten erfahren, dass er durch ungew\xF6hnliches Verhalten auffiel. Er schien aggressiv und gewaltbereit zu sein.“
\x84K\xF6nnte dies nicht ein normaler Wesenszug an ihm sein?“
\x84Wir haben versucht mehr \xFCber ihn herauszufinden, aber die Polizei verwahrte ihre Akten recht sicher. Sie scheinen nicht so nachl\xE4ssig zu sein wie die Mitarbeiter des Krankenhauses, von denen wir problemlos alle Informationen bekamen, die wir ben\xF6tigten. Trotzdem nehmen wir an, dass er zu diesem Verhalten animiert wurde.“
\x84Es k\xF6nnte also ein Zeichen des Prozesses sein?“
Dave lag vollkommen still auf etwas, was er als eine harte Unterlage einordnete und h\xF6rte auf die Stimmen. Nach und nach konnte er sie auseinander halten. Sie klangen nun auch nicht mehr derart verzerrt in seinem Kopf, so dass er sie nicht verstehen konnte.
Dave atmete langsam. Wor\xFCber unterhielten sich diese Menschen?
Offensichtlich wohl \xFCber ihn. Aber sie sagten Dinge, die f\xFCr Dave einfach keinen Sinn ergaben.
\x84Wenn es Teil des Prozesses ist, dann scheint unsere Vermutung richtig gewesen zu sein und dieser Mann ist der, welchen wir gesucht haben?“
Daves Schl\xE4fen pochten.
\x84Es scheint in der Tat so zu sein. Wir werden es bald wissen. Der Schamane wird bald hier eintreffen und das Licht in seiner Seele sondieren.“
Daves Blut schien zu kochen. Ein Schamane? \xDCber was f\xFCr ein Licht sprachen die Fremden?
\x84Was k\xF6nnen wir tun, wenn der Schamane unsere Vermutungen best\xE4tigt?“
Daves Herz schlug schneller und schneller. Er sp\xFCrte etwas in sich aufsteigen, was er in den letzten Stunden allzu oft gesp\xFCrt hatte. Er verlor die Kontrolle \xFCber sich.
\x84Wir zwingen ihn unter unseren Willen, kontrollieren ihn,“ die Worte drangen wie feurige Dolche in Daves Geist, \x84oder wir t\xF6ten ihn.“
Mit einem Br\xFCllen katapultierte sich Dave in die H\xF6he. Lederne Riemen, welche ihn an den Untersuchungstisch, auf welchem er gelegen hatte, hatten fesseln sollten, rissen unter der unglaublich schnellen und kraftvollen Bewegung einfach auseinander.
Noch w\xE4hrend Dave in die H\xF6he schnellte, ohne dabei auch nur eine der Bewegungen willentlich selbst zu steuern, blickte er sich in dem Raum um, in dem er gefangen war.
Es war ein kleiner Raum, ein Kellerraum eventuell. Bis auf den Untersuchungstisch, einige Schr\xE4nke und die zwei Indianer, welche erschrocken zur\xFCck taumelten, erregte nur eine nach Oben f\xFChrende Treppe Daves Aufmerksamkeit.
Mit einem w\xFCtenden Knurren ging Dave auf dem Tisch in die Hocke. Noch in der Bewegung hatte er bemerkt, dass er noch immer die selbe Kleidung trug, wie zu dem Zeitpunkt, zu dem man ihn bet\xE4ubt hatte.
Die beiden Indianer starrten Dave erschrocken an, aber es w\xFCrde nicht lange dauern, bis sie ihre Fassung gewonnen haben w\xFCrden. Einer der beiden M\xE4nner war der recht alt erscheinende Fahrer des Wagens, in dem Dave \xFCberw\xE4ltigt worden war. Der andere Indianer, er war weitaus j\xFCnger als der andere, war Dave nicht bekannt.
Er sp\xFCrte einen unglaublichen Hass auf Beide.
Der \xE4ltere Indianer riss seinen Mund auf, als wollte er etwas sagen oder schreien. Dave lies ihn nicht dazu kommen und sprang, die H\xE4nde wie Krallen nach vorn gestreckt, auf den Mann zu. Er riss ihn um und landete rutschend mit ihm auf dem harten Kellerboden.
W\xE4hrend Dave den Alten niederdr\xFCckte, suchte der j\xFCngere Indianer sein Heil in der Flucht und rannte die Treppenstufen hinauf. Er stank nach Furcht.
Dave dr\xFCckte die Schultern des alten Indianers kraftvoll zu Boden. Seine Schl\xE4fen pochten. Er bemerkte, dass ein d\xFCnner Faden aus Spucke aus einem seiner Mundwinkel floss und auf der Kleidung des alten Mannes versickerte.
\x84Was...,“ knurrte Dave, seine eigene Stimme klang f\xFCr ihm vollkommen fremd, \x84was geschieht hier?“
Als der alte Indianer nicht zu antworten schien, dr\xFCckte Dave die Schultern noch heftiger zu Boden. Er sp\xFCrte die morschen Knochen nachgeben. Er f\xFChlte keine Reue.
\x84Was geschieht hier?“ Dave br\xFCllte den Mann knurrend an. Er bleckte seine Z\xE4hne. Sein Atem ging schnell, sein Kopf schien von Innen heraus zu zerplatzen.
Der Indianer bewegte zitternd seine Lippen. Er stank nach Furcht.
\x84Wir... wir...,“ begann er langsam und kaum verst\xE4ndlich.
Dave riss den Mann ein kleines St\xFCck nach Oben, dann h\xE4mmerte er ihn wieder zu Boden und br\xFCllte ihn erneut an: \x84Was ist hier los? Was geschieht mit mir?“
Irgendetwas tief in Daves Seele schrie auf. Es musste ein St\xFCck seiner alten Pers\xF6nlichkeit gewesen sein, welches sich gegen die Gewalt zu wehren versuchte, die Dave gerade aus\xFCbte. Ein Bild seiner Frau, sie l\xE4chelte, blitze in seinem Geist auf. Aber die schw\xE4chliche Gegenwehr Daves wurde von einer weitaus st\xE4rkeren Macht gebrochen und zerschmettert.
\x84Indianer! Was... geschieht... hier?“ Er knurrte mehr, als dass er sprach.
Der alte Mann starrte ihn verzweifelt und verschreckt an, aber er schien sich langsam zu fassen.
\x84Sie ver\xE4ndern sich...,“ sagte er. \x84Etwas ist in ihnen, dass sie von Innen heraus ver\xE4ndert. Es ist wie eine Krankheit. Aber ich... wir... haben ein Heilmittel...“
Weiter konnte der Mann nicht sprechen, denn pl\xF6tzlich br\xFCllte Dave vor Schmerzen auf, als sein R\xFCcken zu zerplatzen schien, kurz nachdem ein ohrenbet\xE4ubender Knall durch den Kellerraum gehallt war.
Er wurde nach Vorn, \xFCber den alten Indianer hinweg, geschleudert und landete knurrend an einer nahen Wand. Sein R\xFCcken war ein einziger Schmerz. Seine Schl\xE4fen h\xE4mmerten.
Mit einer schnellen Bewegung kam er wieder auf die F\xFC\xDFe, ungeachtet des Schmerzes.
Am Fu\xDF der Treppe konnte Dave den Verursacher seines Leids erkennen. Es war der junge Indianer. In seinen H\xE4nden hielt er eine Schrotflinte. Nach dem Schuss in Daves R\xFCcken musste er die noch rauchende Waffe nun allerdings nachladen.
Daves Geist und seine Pers\xF6nlichkeit blendeten sich aus, als er br\xFCllend nach Vorn sprang, direkt auf den Jungen zu.
Es schien fast als wenn sein K\xF6rper zerflie\xDFen w\xFCrde. Es war als ver\xE4nderte sich Daves Erscheinungsbild. Ein blaues Licht flackerte pl\xF6tzlich und nur f\xFCr einen Augenblick in dem Kellerraum auf und vertrieb alle Schatten.
Der alte Indianer schrie auf. Es war als h\xE4tte er diese Reaktion f\xFCr dem Jungen \xFCbernommen, denn dieser konnte einen Augenblick sp\xE4ter keinen Ton mehr herausbringen. Dave raste auf ihn zu. Sein Blut kochte in seinen Adern. Unfassbarer Hass durchfloss ihn. Dann erreichte er den Feind, klammerte sich knurrend an seinen K\xF6rper und brach ihm in einer schnellen Bewegung das Genick.
Noch w\xE4hrend der K\xF6rper des Jungen kraftlos zu Boden sackte, hastete Dave die Treppe hinauf und lies den anderen Indianer hinter sich zur\xFCck.
Lief er auf allen Vieren? Was geschah hier?
Daves denkender und f\xFChlender Geist verschloss sich und \xFCberlies der unbekannten Macht in ihm das Kommando, welche ihn zu einem Zuschauer degradierte.
Keuchend hastete er die Treppe hinauf. Sein R\xFCcken brannte wie Feuer, aber er ignorierte den Schmerz.
Als er die Treppe passiert hatte, blickte er sich um, versuchte die Szenerie in sich aufzunehmen, um fl\xFCchten zu k\xF6nnen. Er knurrte.
Ohne weiter auf die Architektur des Geb\xE4udes zu achten, in dem er sich befand, hastete Dave voran, jagte an Schr\xE4nken, St\xFChlen und Tischen vorbei. Er hastete auf ein Fenster zu. Er dachte nicht an eventuelle Verfolger oder wo er selbst sich \xFCberhaupt befand.
Nur die Flucht z\xE4hlte.
Schneller als es ihm vormals je m\xF6glich gewesen w\xE4re, n\xE4herte sich Dave dem Fenster und stie\xDF sich vom Boden ab.
Eine Sekunde lang hing er gestreckt in der Luft, dann durchbrach er das Fenster.
Erneut funkelten Glassplitter neben ihm in der Luft, als kalter Wind auf Dave einstr\xF6mte.
Da er sich augenscheinlich im Erdgeschoss befunden hatte, brauchte er keinen tiefen Fall zu \xFCberstehen. Der Erdboden befand sich schon wenige Meter unterhalb des Fensters und auch der \xFCberall liegende Schneematsch d\xE4mpfte Daves Fall ab.
Noch im Aufstehen begriffen versuchte er sich zu orientieren.
Er befand sich in einem vollkommen chaotisch wirkenden Garten vor einem kleinen Holzhaus. B\xE4ume ragten \xFCber ihm auf und tauchten die Umgebung in noch tiefere Schatten, als es die Nacht eh schon tat. Der Himmel war nur teilweise wolkenbedeckt, so dass die Sterne und der volle Mond ihr Licht fahl \xFCber den Ort warfen, wo auch immer dieser sich befinden mochte.
Dave hockte keuchend im Schnee unter dem Fenster, in dem das zersplitterte Fensterglas funkelte. Er vernahm laute Stimmen aus dem Haus. Der alte Indianer war nicht allein.
Schritte hallten in Daves Ohren wider.
Er musste fliehen.
Mit einem gro\xDFen Satz hechtete er aus seiner ruhenden Position in die H\xF6he und hastete durch das Dunkel des verwahrlosten Gartens.
Eine T\xFCr wurde hinter ihm aufgerissen. Licht flutete in die Nacht hinaus.
Mit einer hastigen Seitw\xE4rtsbewegung tauchte Dave tiefer in die Schatten und duckte sich unter den herabh\xE4ngenden \xC4sten eines Baumes hindurch. Seine Schritte trugen ihn schneller als er es jemals erwartet h\xE4tte durch den Schnee.
Schreie in einer unbekannten Sprache gellten durch den Garten. Schwere Schuhe liefen durch den Schneematsch. Irgendwo klickte eine Pistole, die entsichert wurde.
Dave hastete an einem blattlosen Geb\xFCsch vorbei, welches seinem denkenden Geist ansatzweise wie ein verkr\xFCppeltes Skelett erschien. Sein K\xF6rper st\xF6rte sich allerdings nicht einen Augenblick daran, ignorierte das Gestr\xFCpp und hastete l\xE4ngst weiter.
Den das Haus umgebenden Holzzaun fixierend rannte Dave weiter durch den Schnee, sein Atem ging sto\xDFweise, sein Herz und seine Schl\xE4fen h\xE4mmerten, sangen Schmerzlieder. Sein R\xFCcken brannte wie Feuer.
Die Schreie hinter ihm verstummten nicht, sie nahmen eher an Intensit\xE4t zu.
Der Holzzaun n\xE4herte sich stetig, Daves Bewegungen waren nur noch darauf fixiert.
Deshalb \xFCbersah er den Indianer, welcher sich aus der Dunkelheit hinter dem Zaun sch\xE4lte, eine Pistole hob und mit einem erschrockenen, aber zu Allem bereiten Blick auf Dave zielte.
Ein Schuss l\xF6ste sich und das Projektil bohrte sich flammend in Daves Schulter, riss ihn herum, lies ihn taumeln und nahe dem Zaun zu Boden st\xFCrzen.
Einen Jubelschrei aussto\xDFend bewegte der Indianer seinen Abzugsfinger ein weiteres Mal.
Wieder l\xF6ste sich ein Schuss, dieses Mal hatte sich Dave allerdings zur Seite gerollt und war in der selben Bewegung auf die F\xFC\xDFe gesprungen. Die Pistolenkugel bohrte sich in den Schnee, welcher in einer kleinen Font\xE4ne aufspritzte.
Ein hasserf\xFClltes Knurren aussto\xDFend fixierte er den Indianer mit seinem brennenden Blick. Der Mann konnte nicht anders, als Daves Blick zu erwidern und schien pl\xF6tzlich eine gro\xDFe Panik zu versp\xFCren. Seine H\xE4nde begannen zu zittern, sein Blick wurde glasig, seine Lippen versuchten Worte zu formen, versagten aber hoffnungslos.
Mit einem ohrenbet\xE4ubenden Heulen setzte Dave \xFCber den Zaun hinweg, ignorierte jeden Schmerz in seinem K\xF6rper, und sprang den nahestehenden Indianer an.
Seine Fingern\xE4gel in den Hals des Mannes bohrend, riss er ihn um und biss noch in der selben Bewegung tief und fest in seinen Hals. Warmes Blut sprudelte in Daves Rachen. Er schluckte gierig.
Mit seinen Z\xE4hnen die Wunde aufrei\xDFend trank Dave das Blut des unter ihm zuckenden Indianers. Dann, als er durch das rote Chaos in seinem Kopf hindurch erneut die Stimmen der Verfolger vernahm, brach er mit einer schnellen Bewegung das Genick seines Opfers.
Er setzte \xFCber den leblos zusammensackenden K\xF6rper hinweg und rannte erneut durch die Nacht.
Wieder war er auf der Flucht.
Nur dieses Mal hatte er etwas verloren, was ihm vorher immer sehr viel bedeutet hatte: seine Menschlichkeit.
-8-
Durch die Bewegungen der grauen Wolken vor dem Mond schienen faserige Flecken aus milchigem Licht \xFCber die, noch immer in die Finsternis der Nacht geh\xFCllte, Stadt zu ziehen.
Dort, wo die Lichtflecken durch die Finsternis zuckten, erschufen sie lange Schattenbilder, die sich von dem \xFCberall liegenden Schneematsch bizarr abhoben.
In den wenigen Parks der Stadt waren die Schatten am l\xE4ngsten, die Bewegungen des unstetigen Lichts noch unvorhersehbarer. Keine Neon-Leuchtreklame und keine weihnachtliche Lichterkette durchbrach neben dem Mondlicht die Dunkelheit.
Kein Lebewesen r\xFChrte sich. Es schien, als wenn sich ein Leichentuch \xFCber die Stadt gesenkt und alles Leben aus ihr gesaugt hatte.
Dave hatte sich nach seiner kopflosen Flucht inmitten eines der Parks wiedergefunden.
Er wusste nicht welcher Wochentag war, wie sp\xE4t es war... er wusste nicht einmal, in welchem Park er sich \xFCberhaupt befand. Zwar f\xFChlte er, dass die Sonne bald aufgehen m\xFCsste, jedoch konnte Dave sich nicht erkl\xE4ren, woher dieses Gef\xFChl stammte.
Was er aber nun wusste, war die Tatsache, dass irgendetwas mit ihm geschah. Irgend eine Macht korrumpierte ihn.
Dave war m\xFCde. Er fror... seltsamerweise aber nicht an seinen unbekleideten F\xFC\xDFen, was ihm in seiner derzeitigen Situation aber nicht weiter auffiel.
Er erinnerte sich nur in Bruchst\xFCcken an seine Flucht. Dave war sich nicht einmal sicher, ob er in den Park geschlichen oder \xFCber die auch nachts noch stark bev\xF6lkerten Gehwege der Stadt gehastet war.
Alles verlor sich in dem Chaos in seinem Kopf, welches erst in den letzten Minuten begonnen hatte langsam abzuklingen.
Als wenn es vorerst ges\xE4ttigt w\xE4re, zog sich das unbekannte Etwas, die dunkle Macht in ihm in eine dunkle Ecke seiner Seele zur\xFCck und \xFCberlie\xDF Dave vorerst wieder seinem Schicksal.
Sein Atem ging mehr oder minder gleichm\xE4\xDFig.
Er hockte inmitten einer Ansammlung aus B\xE4umen und B\xFCschen. Der weiche Schnee lag hier nicht so dicht wie auf offeneren Fl\xE4chen und auch der Boden war fester und nicht so durchgeweicht.
Daves Kleidung war an vielen Stellen zerrissen und durchn\xE4sst.
Erst jetzt, wo sein K\xF6rper wieder seinen Befehlen zu gehorchen begann, konnte Dave seine erlittenen Schusswunden abtasten.
Er lies seine Hand langsam \xFCber seinen Oberk\xF6rper fahren, fand sehr bald die Stelle, an der die Pistolenkugel in seine Schulter gefahren war.
Seine Auge weiteten sich einen Augenblick lang.
Hastig versuchte er mit der Hand auch seinen R\xFCcken abzutasten.
Mit einem erschrockenen Keuchen hielt Dave inne.
Die selben Stellen mit seiner anderen Hand so gut wie m\xF6glich bef\xFChlend, begann Daves Herz wieder schneller zu schlagen.
Die Wunden... sie waren verschwunden. Anstatt einem Einschuss in seiner Schulter und einem vollkommen zerfetzten R\xFCcken, hervorgerufen durch den Schrotflinten-Volltreffer, konnte Dave nur seltsam raue Haut und etwas Anderes f\xFChlen, dass sich wie ein leichter Flaum aus Haar anf\xFChlte. Oder wie Fell.
Dave lies seine Hand sinken und starrte verwirrt in die von den Lichtfetzen durchzuckte Dunkelheit.
Was geschah nur mit ihm?
Wieso geschah es?
Sein Atem ging wieder rascher, er zitterte. Nun zitterte er aber nicht mehr nur aus Unterk\xFChlung, sondern auch aus Furcht. Aus Furcht vor sich selbst.
Noch etwas anderes hatte sich ver\xE4ndert, Dave f\xFChlte es nun. Es h\xE4tte ihm weitaus fr\xFCher auffallen m\xFCssen, schon als er sich in den Park gefl\xFCchtet hatte. Aber erst jetzt war er anscheinend bereit, die Ver\xE4nderung ohne in Panik zu geraten hinzunehmen.
Ein dunkles und kaltes Gef\xFChl, welches ihn nun pl\xF6tzlich und unerwartet durchwaberte, schien ihm die Gewissheit geben zu wollen, dass jedwede Gegenwehr gegen den bereits begonnenen Prozess vollkommen nutzlos sei. Es war, als w\xFCrde eine Stimme tief in seiner Seele zu Dave sprechen.
Etwas war in ihm. Etwas dunkles und b\xF6ses.
Dann blickte er an seinen Beinen herab und erstarrte trotz dem fremden Gef\xFChl, welches ihm jede Furcht vor den anstehenden Ver\xE4nderungen nehmen wollte.
Daves F\xFC\xDFe, welche unten aus der durchn\xE4ssten und zerrissenen Hose herauslugten, hatten sich verformt. Aus den normalen menschlichen F\xFC\xDFen waren knotige, fellbedeckte und krallenbewehrte Wolfspfoten in einer zu seiner K\xF6rpergr\xF6\xDFe passenden Proportion geworden. Dave war sich sicher, dass es Wolfspfoten waren, wenn er auch nicht wusste, woher er dies wissen konnte.
Auf seine Pfoten starrend streckte Dave seine H\xE4nde aus und bef\xFChlte seine ver\xE4nderten Gliedma\xDFen, als wenn er es nicht glauben k\xF6nnte, wenn er sie nicht ber\xFChrt hatte.
Er sp\xFCrte seine Finger durch das dichte Fell und die raue Haut seiner Pfoten. Es war keine Illusion, kein Wahn. Dave atmete keuchend.
Seine Augen schlossen sich, als er die Zehen seiner Pfoten mit einem simplen Gedankenbefehl dazu brachte, sich zu spreizen und zu bewegen.
Sein Atem raste, sein Herz schlug wie wild. Seine Schl\xE4fen pochten jedoch nur gem\xE4chlich vor sich hin.
Was auch immer mit Dave vorging, die Ursache hatte sich gem\xFCtlich zur\xFCckgelehnt. Sie wusste, dass alles, was Dave nun geschah, unabdingbar w\xE4re.
Daves Augen \xF6ffneten sich wieder und sein Blick legte sich erneut auf seine Pfoten. Dann tastete er seinen K\xF6rper ab, um eventuell weitere Stellen zu finden, die sich in Folge der letzten Stunden ver\xE4ndert haben k\xF6nnten. Er fand keine. Bis auf die Pfoten und das Fell an den unglaublicherweise verheilten Schusswunden war er noch immer der Mensch, der er auch fr\xFCher gewesen war.
Es war eine L\xFCge und das wusste Dave. Er war nicht mehr der selbe Mensch. Zu viel hatte sich in den letzten Stunden ver\xE4ndert. Er war sich nicht einmal mehr sicher, noch ein Mensch zu sein.
Er musste etwas tun. Er musste dies zu Ende bringen und erfahren, was mit ihm geschah.
Die Indianer hatten es gewusst, aber sie hatten Dinge mit ihm anstellen wollen, die das, was die Ver\xE4nderung in Daves K\xF6rper ausgel\xF6st hatte, nicht mit sich hatte machen lassen wollen. Sich erneut an die Indianer zu wenden w\xE4re also ein Fehler. Weitere Tote w\xE4ren die Konsequenz, dass wusste Dave.
Was konnte er tun? Wohin konnte er gehen?
Geistig ging Dave einige Orte durch, zu denen er gegangen w\xE4re, wenn die Unst\xE4nde normal gewesen w\xE4ren. Aber dies waren sie nicht, so endete sein Gedankengang jedes Mal wieder an ein und der selben Stelle. Jedes mal wenn er diese Zuflucht jedoch aus seinem Geist strich, da der Ort nicht mehr sicher war, sch\xE4lte sich der Gedanke erneut aus seinem Unterbewusstsein hervor und legte sich vor sein inneres Auge.
Immer wieder musste er an Carroll denken, an sein Zuhause.
W\xFCrde er nicht, wenn er seiner Frau alles Geschehene in Ruhe erkl\xE4ren k\xF6nnte, genau dort, in seinem Heim, Ruhe finden?
W\xFCrde er nicht den gr\xF6\xDFten Fehler \xFCberhaupt begehen, wenn er sich erneut in ihre N\xE4he wagte? Er war von ihr verraten worden und hatte danach zwei M\xE4nner vor ihren Augen schwer verletzt.
Verdammt. Seine Aussichten standen schlecht. Dies war jedoch anscheinend genau die Gem\xFCtseinstellung, die das Unbekannte in Dave wachsen und gedeihen zu lassen schien.
Er musste etwas tun, um den unerkl\xE4rlichen Prozess seiner k\xF6rperlichen und geistigen Verwandlung zu verlangsamen.
Carroll. Immer wieder sah Dave ihr Gesicht vor seinem inneren Auge. Meist blickte sie ihn beruhigend an, aber immer wieder verzerrte sich ihr Blick zu einer w\xFCtenden Fratze, als das Etwas in Dave seine Gedanken korrumpierte.
Dave hatte Hunger. Er war m\xFCde und ersch\xF6pft.
Er musste eine Entscheidung treffen.
Aber im Grunde hatte er die Entscheidung l\xE4ngst getroffen. Dave wusste, dass er die derzeitige Inaktivit\xE4t der fremden Macht in sich ausnutzen musste.
Also musste er schnell handeln.
Carroll w\xFCrde alles, wenn Dave nur die Zeit h\xE4tte, ihr alles zu erkl\xE4ren, verstehen. Trotzdem war er sich nicht sicher, ob er sich dies einredete, oder ob er es wirklich glaubte.
Als die Sonne langsam und blutig rot hinter der Skyline der Stadt aufging hatte Dave den Park l\xE4ngst verlassen und sich auf den Weg nach Hause gemacht.
-9-
Die Sonne hing mittlerweile in der Form einer hinter den Wolken kaum zu entdeckenden Kugel kraftlos am Himmel.
Ihre schwachen Strahlen reichten gerade dazu aus, aus dem weichen Schneematsch eine noch unf\xF6rmigere Substanz zu machen. Ein k\xFChler Wind fegte durch die Strassen der Stadt und trug einen undefinierbaren, irgendwie verwesungsartigen Geruch mit sich.
Wie sich herausgestellte hatte, lag der Park, in dem Dave sich morgens befunden hatte, in einem v\xF6llig anderen Viertel als sein Haus und er hatte mehrere Stunden gebraucht, sich durch das Wirrwarr von dunklen Gassen, Parks und Hinterh\xF6fen zu bewegen.
Um nicht von irgendwelchen Passanten mit unn\xF6tigen Fragen behelligt zu werden, hatte er sich aus einer M\xFClltonne gekramte Stoffbahnen um die Pfoten gebunden.
Dave stand erneut auf dem Gehweg, welcher in einigen hundert Metern sein Haus passieren w\xFCrde. Dieses Mal jedoch ging es ihm noch schlechter als das Mal zuvor, auch wenn dieser Besuch noch nicht einmal 12 Stunden hinter ihm liegen konnte.
Was war in dieser kurzen Zeit nur alles geschehen?
Dave hatte schrecklichen Hunger, sein Magen zog sich bei jedem seiner Atemz\xFCge schmerzhaft zusammen. Des weiteren war er m\xFCde und kraftlos.
Aber er wusste auch, dass all diese Gef\xFChle wahrscheinlich schnell aggressiv unterdr\xFCckt sein w\xFCrden, wenn die fremde Kraft in ihm wieder aktiv werden w\xFCrde. Er war in den letzten Stunden zu oft der Gefangene in seinem eigenen K\xF6rper gewesen, als dass er solche Gedanken nicht hegen konnte.
In den Schatten einer Reihe von B\xE4umen geduckt starrte Dave die Strasse hinauf und zuckte jedes Mal zusammen, wenn ein Auto auf der Strasse seine Position passierte.
Er erinnerte sich noch genau an seine Flucht vor einigen Stunden, die in seiner Gefangenname durch die Indianer ein j\xE4hes Ende fand. W\xFCrden sich Polizisten in oder um das Haus aufhalten? Hatte man Carroll eventuell unter Schutz gestellt?
Dave war sich sicher, dass sie sicherlich nicht ohne \xDCberwachung zur\xFCckgelassen worden war, nachdem er selbst in der Nacht verschwunden war.
Also w\xFCrde er dieses Mal nicht einfach durch die Frontt\xFCr seines Hauses treten k\xF6nnen, er w\xFCrde sich wie ein Einbrecher von hinten hineinschleichen.
Da ihm diese Herangehensweise derzeit sowieso mehr zusagte, stahl sich Dave im Schatten der B\xE4ume in eine Gasse, die sich zwischen zwei H\xE4userreihen befand und nach einigen hundert Metern hinter seinem Haus vorbeif\xFChren w\xFCrde.
W\xE4hrend er halbwegs schnellen Schrittes und immer in die Schatten der Gasse geduckt \xFCber den groben Kiesweg lief, sog Dave die Ger\xFCche der Umgebung ein. Sein Geist verarbeitete all die verschiedensten Aromen in einer unglaublichen Geschwindigkeit und lieferte ihm ein genaues Geruchsbild der in der Umgebung lebenden Wesen.
Er roch die in den H\xE4usern wohnenden Menschen, die Reviermarkierungen der unterschiedlichsten Hunde. Er witterte M\xFCll. Er nahm Ratten und anderes Ungeziefer wahr.
Er versuchte diese neue und gnadenlos auf ihn einst\xFCrmende Sinnesst\xE4rke geistig zu verdr\xE4ngen, aber die Ger\xFCche waren nicht abzublocken. Mit jedem Atemzug lernte Dave seine Umgebung besser kennen.
Er roch sich selbst... er duftete nach einem Cocktail aus Schwei\xDF, Blut und Stra\xDFenstaub. Des weiteren hang ihm ein weiterer, unbekannter und geheimnisvoller Geruch an.
Dave keuchte und taumelte auf seinem Lauf durch die in dreckiges Zwielicht getauchte Gasse.
Von einen Augenblick auf den n\xE4chsten wollte er nur noch zu Boden st\xFCrzen und am Boden liegen bleiben.
Aber es gelang ihm nicht. Sein K\xF6rper handelte wieder entgegen seines verzweifelten Willens und lies ihn gnadenlos weiterstapfen.
Dave f\xFChlte seine Pfoten unter den T\xFCchern, welche er um sie gewickelt hatte. Er f\xFChlte die Muskeln in ihnen. Wie nat\xFCrlich sich die Pfoten anf\xFChlten... als w\xE4ren sie schon immer ein Teil seines K\xF6rpers gewesen.
Daves entkr\xE4fteter Geist versuchte sich gegen die fremde Macht in sich zu wehren, aber er war erfolglos.
Er taumelte weiter, teilweise auf allen Vieren, immer voran durch die Gasse.
Dave sp\xFCrte, dass seine gesamte Kraft verbraucht war. Er war niemals zuvor so kraftlos gewesen. Nicht einmal mehr das unbekannte Etwas in ihm konnte noch von irgendwelchen Reserven sch\xF6pfen.
Dann, pl\xF6tzlich und unerwartet, \xFCberlies die Macht Dave wieder die Kontrolle.
Dave zuckte kurz, dann brach er auf seine Knie und keuchte, als ob er gerade einen Tausendmeterlauf hinter sich gebracht hatte.
Es dauerte einige Augenblicke, bis er aufblickte und hinter einem nahen Holzzaun verschwommen die Hinterseite seines Hauses erkennen konnte.
Ob es Gl\xFCck oder Zufall war, dass niemand die R\xFCckseite des Hauses bewachte, konnte Dave nicht sagen. Es interessierte ihn in dieser Sekunde auch nicht wirklich.
Dave rappelte sich keuchend und dumpf knurrend auf. Dann \xF6ffnete er das quietschende Tor im Zaun, welches sich nahe seiner Position befunden hatte. Ein mit Kieseln gedeckter Weg f\xFChrte zur Hintert\xFCr, die wie in ein Leuchtfeuer getaucht in der Mitte von Daves Blickfeld lag.
Wankend schritt er den Weg entlang. Seine Augen halb geschlossen, schien die Welt um ihn zu verwischen und sich zu drehen.
Stimmen, Ger\xE4usche und undefinierbare Laute hallten in seinen Ohren wider. Unz\xE4hlige Ger\xFCche drangen in seine unwillig witternde Nase. Sein Kopf schmerzte wieder.
Seine Hand umfasste die Klinke. Zuerst verfehlte die Bewegung das Ziel, dann umfasste er den Metallgriff. Er r\xFCttelte daran. Keine Reaktion, die T\xFCr war verschlossen.
Gedankenfetzen jagten durch Daves Kopf.
Mit einer zitternden Hand suchte er die auf einem nahen Fenstersims stehenden Blumenvasen nach dem Schl\xFCssel f\xFCr die Hintert\xFCr ab. Dave bekam nicht einmal mit, dass er diese vollkommen automatische Bewegung ausf\xFChrte.
Vielmehr trat er langsam in eine Art Trance ein, die seinen K\xF6rper und seinen Geist in eine warme Decke aus Vergessen h\xFCllen wollte.
Wie in einen Wall aus Watte geh\xFCllt sp\xFCrte Dave, wie sich die T\xFCr vor ihm \xF6ffnete.
Hatte er sie ge\xF6ffnet? War sie ge\xF6ffnet worden?
Er f\xFChlte, wie er einen Schritt nach vorn tun wollte, wie er kraftlos stolperte und dann hart auf dem Boden aufschlug.
Er hatte nicht einmal die Kraft dar\xFCber erschrocken oder erbost zu sein.
-10-
Zum ersten Mal seit einer ihm schier unendlich lang erschienen Zeit erwachte Dave nicht aus einem verworrenen Alptraum oder in Gefangenschaft.
Er f\xFChlte die frischen Laken und die weiche Matratze unter seinem R\xFCcken.
Als er die Augen aufschlug, umfing ihn aber abermals die Dunkelheit der Nacht.
Dave brauchte dennoch nicht lang, bis er sich in dem dunklen Zimmer orientiert hatte. Die Nacht schien seinen Augen kein Hindernis mehr zu sein, offenbarte ihm seine Umgebung in einem gr\xE4ulichen Zwielicht.
\x84Du bist wach.“ Es war die Stimme Carrolls.
Dave drehte seinen Kopf auf die andere Seite und erblickte seine Frau, welche auf einem Stuhl in einer entfernten Ecke des Schlafzimmers Platz genommen hatte und ihn anblickte. Ihre H\xE4nde waren in ihrem Scho\xDF gefaltet, ihr Blick war nahezu ausdruckslos. Eine Photokamera lag auf einem kleinen Tisch neben ihr.
Mit zitternden Lippen wollte Dave sich aufrichten und etwas sagen, aber er wurde unerwartet zur\xFCck ins Bett geworfen, als sich ihm seine Bewegungsf\xE4higkeit stark eingeschr\xE4nkt pr\xE4sentierte.
Dave war mit Handschellen an den massiven Metallrahmen des Bettes gefesselt, je eine Schelle f\xFCr jedes seiner Glieder. Carroll musste es getan haben, als er erneut bewusstlos gewesen war, er witterte keine anderen Ger\xFCche neben dem seinen und dem ihren im Raum.
Die Handschellen mussten aus dem Schrank stammen, in welchem Dave seine f\xFCr seinen Job als Cop n\xF6tigen Utensilien aufbewahrte.
Also war er wieder gefangen. Die Handschellen waren fest zugezogen und dr\xFCckten schmerzhaft in das Fleisch seiner Hand- und Pfotengelenke.
Dave sp\xFCrte etwas aus den Tiefen seiner Seele in sich aufsteigen. Erneut wollte die Macht in ihm die Kontrolle \xFCber seinen K\xF6rper erlangen, aber dieses Mal war Dave einigerma\xDFen ausgeruht und setzte sich zur Wehr. Er versuchte seinen Geist abzuschotten und die fremde Kraft aus seinem K\xF6rper auszusperren. Die geistige Anstrengung dauerte nur wenige Sekunden, aber bald rann ihm ein Schwei\xDFfaden \xFCber die Stirn.
Dennoch hatte er das Unbekannte in sich f\xFCr den Moment scheinbar zur\xFCckgetrieben, auch wenn er es in seiner Seele lauern sp\xFCrte, wo es nur auf einen Fehler von ihm wartete.
\x84Ich musste dich fesseln Dave,“ sagte Carroll mit einer leisen und nahezu emotionslosen Stimme, \x84ich habe gesehen, zu was du f\xE4hig bist.“
Ihr Geruch strafte ihre neutrale Stimme L\xFCgen, denn Dave roch definitiv Sorge und Furcht aus ihrer Richtung.
\x84Ich wei\xDF nicht, wie du auf die Idee kommen konntest, hierher zur\xFCck zu kommen, nach all dem, was geschehen ist.“
Daves Augen schlossen sich f\xFCr einen Moment. Dann, als er Carroll wieder ansah, sah er eine einzelne Tr\xE4ne \xFCber die Wange seiner Frau laufen.
\x84Dave... was ist geschehen?“ Ein leichtes Zittern hatte sich in ihre Stimme eingewoben.
\x84Ich... ich...,“ begann Dave mit dieser f\xFCr ihn so fremden, knurrenden Stimme, \x84ich wei\xDF es nicht. Irgendetwas geschieht mit mir. Etwas ist in mir. Etwas... etwas...“
Pl\xF6tzlich stand Carroll auf und riss in einer schnellen Bewegung die Bettecke von Daves K\xF6rper und lies sie dann flatternd und unbeachtet zu Boden sinken.
\x84Etwas, das so etwas getan hat?“ Sie schrie, ihre Stimme \xFCberschlug sich vor Angst, sie starrte auf seinen K\xF6rper.
Dave blickte an sich herab und bemerkte, dass er nackt war. Seine Augen weiteten sich... aber aus einem anderen Grund, als dem Fehlen seiner Kleidung.
Er hatte sich weiter ver\xE4ndert. Wenn vormals nur seine F\xFC\xDFe von der schrecklichen Verwandlung betroffen gewesen waren, hatte die Ver\xE4nderung nun auch seine Beine erfasst. Muskeln und Knochen hatten sich verzogen. Grau-schwarzes Fell war \xFCberall auf der nun rauen Haut gesprossen und hatte sich zu einem dichten Pelz verdichtet. Seine Beine waren die eines Wolfs, nur in den Proportionen und der Ausrichtung, dass sie seinen menschlichen Oberk\xF6rper tragen konnten.
Daves Atem ging schnell.
\x84Verdammt Dave! Was ist das?“ Carroll stand noch immer neben dem Bett und konnte ihren Blick nicht von seinen verwandelten Beinen nehmen.
\x84Ich... ich habe gesehen, wie es geschah. Kurz nachdem ich dich an der Hintert\xFCr gefunden hatte. Ich wollte die Polizei rufen, da h\xF6rte ich es... ein Knacken und Brechen... ich sah, wie deine Hose auseinander riss...“
Carroll trat einen Schritt zur\xFCck, ihre Lippen zitterten.
\x84Ich sah, wie deine Beine zu L\xE4ufen wurden. Dave...,“ sie verstummte und starrte ihm in die Augen.
\x84Was...,“ hob Dave an, aber er wurde unterbrochen, als Carroll eine kleine Leselampe neben dem Bett einschaltete und ihm im pl\xF6tzlich aufflammenden Licht einen handfl\xE4chengro\xDFen Schminkspiegel vor das Gesicht hielt.
Eine eisige Kralle schloss sich um Daves zusammenkrampfendes Herz, als er weitere Ver\xE4nderungen an sich erkannte, die ihm vormals nicht aufgefallen waren, weil er sein eigenes Gesicht lange nicht mehr in einem Spiegel gesehen hatte.
Seine Gesichtsz\xFCge waren gespannt und zu einem leichten Knurren verzogen. Seine Z\xE4hne schienen spitzer und sch\xE4rfer zu sein, als es die Z\xE4hne eines menschlichen Allesfressers sein sollten. Seine Ohren hatten sich leicht zugespitzt. Seine Nase schien ein wenig breiter geworden zu sein und sog die Luft wieder und wieder nahezu tierhaft witternd ein. Aber das schrecklichste an allem waren seine Augen, die nicht mehr die seinen waren. In einem Meer aus lichtreflektierendem Gr\xFCn und Gelb schwamm jeweils eine ovale schwarze Pupille. Es waren die Augen eines J\xE4gers. Es waren w\xF6lfische Augen.
Langsam senke Carroll den Spiegel und setzte sich erneut auf den Stuhl, blieb also in einer mehr oder minder sicheren Distanz zu dem Bett, auf welchem Dave angekettet lag.
\x84Dave,“ sagte sie mit ihrer zitternden Stimme, \x84erkl\xE4r es mir. Die Polizei und der Krankenhaus-Sicherheitsdienst erz\xE4hlten mir, dass du aus dem Krankenhaus geflohen bist. Sie... sie legten mir nahe sie zu kontaktieren, solltest du hier auftauchen. Auch nach deiner n\xE4chtlichen Flucht von hier sagten sie mir, ich sollte sie rufen, wenn ich meinte, dich wieder zu sehen. Bisher habe ich sie nicht gerufen, frag mich nicht warum.“
Sie schwieg f\xFCr einen Augenblick und starrte mit leeren Augen auf Daves L\xE4ufe.
\x84Wieso hast du die beiden M\xE4nner vor dem Haus so schwer verletzt? Was treibt dich dazu, eine so brutale Flucht durchzuziehen? Was geschieht mit dir?“
Dave schloss seine Augen. Gedanken rasten durch seinen Geist, Bilder blitzen vor seinem inneren Auge auf. Sie fragte ihn all die Fragen, die er sich seit Stunden immer wieder selbst gestellt hatte und auf die er keine Antworten wusste.
Also begann er bei dem, was er wusste: \x84Vor meiner Bewusstlosigkeit im Krankenhaus habe ich auf einem Dach in der 5. Strasse irgendetwas erlebt. Ich habe ein Licht gesehen, Carroll. Irgendetwas ist auf diesem Dach geschehen. Vielleicht habe ich irgend etwas gesehen, vielleicht habe ich irgend etwas erschossen... ich wei\xDF es nicht.“
F\xFCr einen Moment schwieg er, denn er sah weitere Tr\xE4nen \xFCber Carrolls Wangen rinnen, als sie seine ver\xE4nderte Stimme mehrere S\xE4tze lang vernahm.
\x84Dave... deine Stimme...,“ hob sie an, aber ein kurzer Weinkrampf unterbrach sie pl\xF6tzlich.
Dave wehrte sich gegen die Handschellen. Er wollte ihr helfen, sie umarmen und ihr das Gef\xFChl geben, f\xFCr sie da zu sein. Aber das unnachgiebige Metall lies ihm keine Bewegungsfreiheit und fesselte ihn auch weiterhin an das Bett.
Also blieb Dave keine andere Wahl, als weiterzureden.
\x84Meine Stimme ver\xE4ndert sich zusammen mit meinem K\xF6rper wie es scheint, ich kann nichts dagegen tun. Man sagte mir, ich sei an die 30 Meter in die Tiefe gest\xFCrzt und h\xE4tte dabei keine Verletzungen erlitten. Ich habe heute Nacht zwei Schusswunden erlitten und, Carroll, sie sind verschwunden. Was auch in mir steckt scheint meinen K\xF6rper immer wieder zu heilen!“
Carroll blickte Dave durch einen Schleier aus Tr\xE4nen an, ihr Brustkorb hob und senkte sich ungleichm\xE4\xDFig.
\x84Schusswunden? Etwas in dir? Was ist in dir Dave?“ Ihre Stimme war nun kaum noch zu verstehen.
\x84Ich wei\xDF es nicht,“ antwortete Dave, \x84ich kann es nicht erkl\xE4ren, aber ich sp\xFCre eine... fremde und b\xF6sartige Kraft in mir. Sie... kontrolliert mich, wenn es ihr gef\xE4llt und diese Verschmelzung mit meinem K\xF6rper scheint mein Aussehen und mein Wesen zu ver\xE4ndern. Allein in den letzten 12 Stunden hat die Kraft all dies mit meinem K\xF6rper angestellt. Ich glaube, ich habe nicht mehr viel Zeit.“
Dave blickte an seinem K\xF6rper hinab und sah seine L\xE4ufe nerv\xF6s zucken.
\x84Was auch immer geschehen wird, wenn das Unbekannte meinen K\xF6rper vollkommen in seine Gewalt gebracht hat... ich sp\xFCre, dass all das, was mich als Menschen einmal ausgemacht hat, dann ausgel\xF6scht sein wird. Ich habe Angst Carroll.“
Seine Frau blickte ihn zitternd an.
\x84Was denkst du, was ich habe,“ murmelte sie, dann festigte sich ihre Stimme langsam. \x84Ich sehe dich vor mir, ver\xE4ndert wie du bist. Ich habe aber auch nicht vergessen, wie du vor meinen Augen zwei Menschen schwer verletzt hast. Dave... ich habe bei deinen Angriffen gegen die Sicherheitsleute deine Augen gesehen. Sie hatten nichts menschliches an sich, sie waren kalt und berechnend wie die eines Tieres!“
Dave wusste, was Carroll sagen wollte. Denn all dies hatte er selbst auch immer gef\xFChlt, wenn die unbekannte Macht die Kontrolle \xFCber sein Denken und Handeln \xFCbernommen hatte.
\x84Dave,“ sagte Carroll, die ihre Stimme nun nahezu von dem \xE4ngstlichen Zittern befreit hatte,
\x84wir m\xFCssen etwas tun.“
Dave hielt den Atem an. Hatte sie es wirklich gesagt? Wollte sie ihm helfen?
\x84Ich kann und will dich nicht verlieren, aber ich habe keine Ahnung, wie wir dir helfen k\xF6nnen,“ sagte sie abschlie\xDFend.
Daves Atem ging schnell, er war vollkommen \xFCberrascht, dass sie ihm wirklich helfen wollte. In ihm sp\xFCrte er jedoch die fremde Macht an seiner Seele nagen. Die Ver\xE4nderungen w\xFCrden sich nicht lang aufhalten lassen, denn schon sp\xFCrte er seine mentale Blockade schwinden und von der schieren Kraft des Unbekannten niedergerissen werden.
\x84Als ich von hier fl\xFCchtete, wurde ich von Indianern gefangen genommen,“ sagte Dave langsam.
Carrolls Augen weiteten sich, aber sie sagte nichts. Noch immer sa\xDF sie auf dem von dem Bett entfernten Stuhl.
\x84Indianer, ja. Sie bet\xE4ubten mich und schleppten mich in einen Keller auf der anderen Seite der Stadt. Sie schienen auf einen Schamanen zu warten, der etwas wie ein Licht in mir ausloten sollte. So in der Art dr\xFCckten sie sich aus.“
\x84Ein Licht in dir,“ murmelte Carroll, dann schwieg sie pl\xF6tzlich, als wenn ihr eine Idee gekommen w\xE4re.
Dave lag noch immer r\xFCcklings auf das Bett gefesselt und blickte, den Kopf auf die Seite gelegt, auf seine Frau.
\x84Ich floh auch von dort, wurde mehrfach angeschossen. All diese Wunden sind verheilt und nun von einem Fell \xFCberzogen, wie es mir scheint. Nach der anschlie\xDFenden Flucht habe ich mich dann entschieden, hierher zur\xFCck zu kehren,“ sagte Dave, w\xE4hrend seine Frau vollkommen in Gedanken versunken schien.
Dann sprang Carroll pl\xF6tzlich auf und verlies das Zimmer hastig. Dave meinte, ein kurzes, \x84Sekunde,“ von ihr zu vernommen zu haben.
Minuten vergingen, in denen Daves verbesserte Ohren versuchten, die Ger\xE4usche im Haus zu identifizieren und ihnen einen Sinn zu geben.
Aber er war zu verwirrt. Zu viel seltsames geschah in den letzten Tagen. Sein gesamtes Weltbild hatte sich auf den Kopf gestellt. Wo vorher nur sein Job und seine Frau sein Weltbild bestimmt hatten, hatte sich nun der Faktor der \xDCbersinnlichkeit drohend \xFCber allem, was ihm einmal wichtig gewesen war, erhoben. Wenn er nicht bald eine rettende L\xF6sung finden konnte, mit oder ohne Carroll, dann w\xFCrden die kommenden Stunden seine letzten sein. Dave sp\xFCrte genau, dass die fremde Macht seine Menschlichkeit und seine Pers\xF6nlichkeit vollkommen ausl\xF6schen w\xFCrde.
Nur was w\xFCrde dann aus ihm werden? Was f\xFCr eine Macht war es, die seinen K\xF6rper zu ihrem Sinne umgestaltete?
Daves Gedankeng\xE4nge wurden unterbrochen, als Carroll mit einem Stapel Papier in den H\xE4nden in das Zimmer gest\xFCrzt kam.
Daves Blick richtete sich verwirrt auf seine Frau. Der Stapel Papier war offensichtlich ein Berg Notizen, welcher sich bei ihren Reportagen angesammelt haben musste.
\x84Ein Licht in dir haben die Indianer gesucht, sagst du,“ sagte Carroll schnell, als sie den Stapel Papier neben dem Bett zu Boden warf und ihn, auf die Knie sinkend, durchw\xFChlte.
\x84Ein Schamane sollte mich untersuchen, ja. Ein Schamane... ich denke, es ist eine Art Zauberer oder so,“ frage Dave seine nerv\xF6s am Boden hockende Frau.
Sie war nun weitaus n\xE4her, als wenn sie auf dem Stuhl gesessen h\xE4tte. Er sog ihren wundervollen Geruch ein und versuchte zu sehen, was sie in dem Papierstapel suchte. Aber das Bett verbaute ihm die Sicht.
Erst nach einigen schweigenden Augenblicken lies Carroll ein kurzes, erfreutes Ger\xE4usch von sich h\xF6ren und stand dann, einige mit Kugelschreiber vollgeschriebene Zettel in der Hand haltend, auf.
\x84Vor einigen Monaten habe ich ein Interview mit einem in der Innenstadt lebenden Photographen gemacht. Es war Ende Oktober und unsere Zeitung brauchte noch interessante Artikel f\xFCr die Halloween Sparte. Im Grunde war das Interview aber kaum zu etwas zu gebrauchen, aber das interessiert uns jetzt gerade nicht.“
Dave blickte seine Frau nur verwirrt an, als sie voller Elan weiterredete. Er war gl\xFCcklich dar\xFCber, hierher gekommen zu sein. F\xFCr einen kurzen Augenblick verga\xDF er sogar die fremde Macht in sich. Das dies ein Fehler gewesen war, sp\xFCrte er nur einen Sekundenbruchteil sp\xE4ter, als das Unbekannte sich wieder ein weiteres St\xFCck in seine Seele fra\xDF.
Dave versuchte sich nichts anmerken zu lassen und versuchte seine Aufmerksamkeit auf Carroll zu fixieren.
\x84Was wichtig ist, ist die Tatsache, was der Mann, den ich interviewte, photographierte.“
Sie blickte Dave l\xE4chelnd an. F\xFCr eine Sekunde hing nichts als Schweigen in dem Raum, dann sanken ihre Mundwinkel wieder herab, als sie bemerkte, in welcher Situation sie beide sich befanden.
\x84Er photographierte Auren.“
Sie wartete einige Augenblicke, aber als Dave kein Anzeichen von Verst\xE4ndnis zeigte, erz\xE4hlte sie ihm, was sie wusste.
\x84Er war ein komischer alter Kauz, im Grunde die moderne Version eines Spitzhut-tragenden Zauberers aus den alten M\xE4rchen und Sagen. In seinem Labor hatte er allerlei seltsame Ger\xE4te und Vorrichtungen, die man bei einem normalen Photographen nicht erwarten w\xFCrde.“
Langsam erkannte Dave, was seine Frau ihm versuchte zu erkl\xE4ren.
\x84Er erz\xE4hlte mir,“ fuhr sie fort, \x84dass man durch die Aura eines Menschen in seine Seele blicken k\xF6nne. Er wollte sogar ein solches Aura-Photo mit mir machen, aber ich lehnte aus Zeitdruck ab. Vielleicht hatte ich auch Angst, ich wei\xDF nicht mehr.“
F\xFCr einen Augenblick schwieg sie, dann kam sie zum Schluss ihrer Idee.
\x84Dave... wenn wir deine Aura photographieren k\xF6nnten, dann w\xE4re es uns vielleicht m\xF6glich zu erkennen, was in dir vorgeht. Damals glaubte ich dem Mann nicht, aber der heutige Tag offenbart uns allen auf eine schreckliche Art und Weise, was in dieser Welt m\xF6glich sein kann.“
\x84Carroll,“ sagte Dave dumpf, \x84wenn es m\xF6glich ist, dann sollten wir es auf jeden Fall versuchen.“
\x84Wir m\xFCssten zu dem Labor des Photographen fahren. Nur kann ich dir vertauen, Dave? Was ist, wenn die fremde Macht in dir wieder die Kontrolle an sich rei\xDFt und...,“ Carroll verstummte und blickte Dave nur an.
\x84Derzeit kann ich das Unbekannte zur\xFCckhalten,“ log Dave. Er sp\xFCrte, wie sich das Wesen in ihm wand und seine korrumpierenden F\xE4nge wieder und wieder in seine Seele schlug, um ihn seiner Menschlichkeit zu berauben.
\x84Wenn wir uns beeilen, k\xF6nnen wir vielleicht eine L\xF6sung oder zumindest einige Antworten finden,“ sagte er dann, w\xE4hrend sich erneut das tierische Knurren in seine Stimme wob.
Carroll seufzte.
\x84Vielleicht war all dies ein Fehler. Vielleicht h\xE4tte ich sofort die Polizei rufen sollen, als du an der Hintert\xFCr zusammengebrochen bist.“
Sie schwieg. Eine unangenehme Stille breitete sich in dem Raum aus und ein unheilvolles Gef\xFChl \xFCberkam Dave.
\x84Aber ich will verflucht sein, wenn ich meinem Mann nicht helfe.“
Dave atmete auf, als Carroll aufstand und einen Schl\xFCssel aus ihrer Hosentasche bef\xF6rderte. Mit einem leisen Klicken \xF6ffnete sie eine Handschelle nach der anderen, bis Dave ungefesselt vor ihr auf dem Bett lag.
Langsam erhob er sich, massierte seine schmerzenden Hand- und Pfotengelenke und sah seine Frau sichtlich erleichtert an.
\x84Ich danke dir,“ sagte er leise, \x84ich wei\xDF, dass all dies schrecklich f\xFCr dich sein muss. Aber ich verstehe die Welt um mich herum auch nicht mehr... nicht einmal mehr mich selbst.“
\x84Lass uns diesen Horror beenden. Oder es uns zumindest versuchen,“ erwiderte Carroll und legte Dave eine Hand auf die Schulter. Ihre Finger fuhren dabei kurz durch das Fell, welches seine Pistolenschusswunde ersetzt hatte.
\x84Fell,“ murmelte sie. Dann blickte sie ihrem Mann in die Augen.
Dave erwiderte den Blick. Er sah seine eigenen tierhaften Augen in den ihren gespiegelt und kam sich wie ein Fremder in seinem ver\xE4nderten K\xF6rper vor.
Dann, unerwartet, senkte Carroll ihren Mund auf Daves und k\xFCsste ihn.
Wie lange die beiden ihre Lippen aufeinander pressten, konnte Dave nicht sagen.
Er genoss das unglaublich sch\xF6ne Gef\xFChl der N\xE4he zu seiner Frau, legte seine Arme sanft um sie und versank f\xFCr einige Augenblicke in einer warmen, sicheren Welt.
Das Gl\xFCck hielt nicht lange an, denn urpl\xF6tzlich jagte das \xFCbernat\xFCrliche Wesen aus den Tiefen seiner Seele an die Oberfl\xE4che seiner Wahrnehmung und \xFCberflutete Daves Geist mit erschreckenden Bildern.
Pl\xF6tzlich flammte wilder Hass in ihm auf. Zerfetzte Gesichter und aufgeschlitzte K\xF6rper zuckten in ekstatischen Todeskr\xE4mpfen vor seinem inneren Auge. Wildes Geschrei und schmerzerf\xFClltes St\xF6hnen bet\xE4ubte seine Ohren.
Fremde Symbole, Gesichter und Stimmen drangen von \xFCberall auf ihn ein, irritierten ihn. Indianer. Immer wieder Indianer. Der Hass in ihm loderte immer st\xE4rker.
Ein wildes Heulen legte sich \xFCber die grausige Szenerie.
Dann, so pl\xF6tzlich, wie die Visionen sich seines Geistes bem\xE4chtigt hatten, so schnell zogen sie sich auch wieder knurrend in ihn zur\xFCck.
Dave schlug die Augen auf.
Er lag zitternd und in sich zusammengesunken in einer Ecke des Schlafzimmers. Seine Lippen schienen aufeinander zu kleben, \xFCberall f\xFChlte er Schwei\xDF auf seiner nicht von dem Fell bedeckten Haut.
Verwirrt sah er sich um und erblickte Carroll, welche noch immer neben dem Bett stand, von wo aus sie ihn gek\xFCsst hatte. Sie starrte ihn an, zitterte ebenso wie er.
\x84Dave... was...,“ fragte sie ver\xE4ngstigt.
\x84Was... ist geschehen?“ Seine eigene Stimme klang ihm nun vollkommen fremd, war von einem stetigen Knurren unterlegt und weitaus tiefer geworden. Es fiel ihm sogar schwer, einzelne Worte zu formen. Verlor er seine F\xE4higkeit zum Sprechen?
\x84Du bist pl\xF6tzlich Schreiend und Knurrend vom Bett gesprungen...,“ antwortete Carroll langsam, \x84Es schien... als ob sich dein K\xF6rper vor meiner Ber\xFChrung f\xFCrchten w\xFCrde. Dave... was ist nur los?“
Das Wesen in ihm wollte ihm kein Gl\xFCck g\xF6nnen. Dave wusste es. Gl\xFCck w\xFCrde die Ausbreitung des Unbekannten in seiner Seele verlangsamen und das w\xFCrde Es nicht zulassen. Alles war noch weitaus schlimmer, als er gedacht hatte. Er hatte nicht mehr viel Zeit.
\x84Ich bin... in Ordnung...,“ sagte Dave m\xFChevoll. Er verlor seine Sprachf\xE4higkeit, es war nicht zu leugnen.
\x84Es... tut mir leid. Ich... habe keine Zeit mehr...“ Weiter kam er nicht, da sich ein gutturales Knurren \xFCber die Worte legte, die er aussprechen wollte. Er verstummte und blickte Carroll an.
Seine Frau hatte sich ein wenig bewegt. Gl\xFCcklicherweise war sie eher n\xE4her gekommen, als sich von ihm abzuwenden und zu fl\xFCchten. Sie vertraute ihm auch weiterhin, wenn auch z\xF6gernd.
Dann \xF6ffnete sie einige Schr\xE4nke und durchsuchte sie nach Kleidung f\xFCr Dave.
Dave selbst kam langsam und zitternd auf seine Pfoten. F\xFCr einen Augenblick war es ein seltsam ungewohntes Gef\xFChl, auf seinen zu L\xE4ufen verformten Beinen zu stehen, da die Knochen vollkommen anders angewinkelt waren. Aber schon nach einigen Atemz\xFCgen kam es ihm normal vor und er konnte sich anderen Dingen zuwenden, die mehr Aufmerksamkeit bedurften.
Carroll gab Dave einen langen, grauen Mantel, der ihm, wenn er ihn erst einmal angezogen hatte, bis \xFCber die Pfoten reichen w\xFCrde. Eine Verkleidung, die n\xF6tig war, wenn er das Haus bald verlassen w\xFCrde.
Dann reichte ihm Carroll einen breitkrempigen Hut, welcher sich durch seine braune Farbe etwas von dem Grau des Mantels abhob. Daves Gedanken drehen sich derzeit jedoch nicht um Modeangelegenheiten, so setzte er den Hut auf und zog ihn tief in sein Gesicht, um seine ver\xE4nderten Ohren, Augen und das Gesicht im Allgemeinen zu verdecken.
Nachdem Dave seinen ver\xE4nderten K\xF6rper unter dem schweren Stoff des Mantels verborgen hatte, blickte er Carroll fragend an. Er traute sich nicht, eine Frage an sie zu stellen, da er f\xFCrchtete, seine Stimme vollkommen verloren zu haben.
\x84Es ist okay, Dave...,“ sagte Carroll auf seinen Blick hin.
Dann wandte sie sich von ihm ab und verlies das Schlafzimmer.
Ohne einen weiteren Blick zur\xFCck zu werfen folgte ihr Dave und lenkte seine Schritte durch den Flur, durch welchen er noch vor wenigen Stunden auf der Fluch vor der Krankenhaussicherheit gelaufen war.
Wenige Minuten sp\xE4ter, Carroll hatte sich selbst noch einen Mantel \xFCbergestreift, standen die Beiden zusammen an der Stra\xDFe neben dem kleinen, roten Mitsubishi.
F\xFCr einen kurzen Moment fragte sich Dave, was mit seinem Auto geschehen sein mochte, dass er vor Wochen wie immer vor Schichtbeginn an dem Polizeirevier abgestellt hatte.
Der Gedanke verschwand schnell wieder, als Carroll Dave die Beifahrert\xFCr \xF6ffnete und er sich auf den Sitz fallen lies.Es f\xFChlte sich seltsam an, mit seinen L\xE4ufen in das Auto einzusteigen, aber er hatte weitaus schlimmere Probleme.
\x84Hoffen wir, dass wir Gl\xFCck haben und einige Antworten finden,“ murmelte Carroll mehr zu sich selbst als zu ihrem Mann, drehte den Z\xFCndschl\xFCssel um und steuerte den Kleinwagen in die Nacht hinaus.
-11-
Den Wagen hinter sich in einer engen Gasse zur\xFCcklassend gingen Carroll und Dave \xFCber die menschenleeren Gehwege des Viertels, in welches sie ihr Weg gef\xFChrt hatte.
Der abnehmende und trotzdem noch ziemlich kugelrunde Mond schien fahl durch die am Himmel vorbeieilenden Wolken. Dampf stieg aus rostigen Gullydeckeln in die k\xFChle Nachtluft auf.
Dave sp\xFCrte den harten Asphalt des Weges unter den ledernen Sohlen seiner Pfoten. Immer wieder verursachten seine gebogenen Krallen klickende Ger\xE4usche auf dem Stein.
Carroll schien zu frieren, was anhand des k\xFChlen Windes, welcher Schnee und Laubwerk durch die Strassen pustete, kein Wunder war. Sie hatte ihren Mantel fest zugekn\xF6pft und ihr Atem stand in grau-wei\xDFen Wolken vor ihrem Gesicht.
Dave sah seine Frau an und war sehr stolz auf sie. Wie sie all die schrecklichen Ereignisse verarbeitete hatte, konnte er jetzt noch immer nicht verstehen. Vielleicht lag es an ihrem Job, der ihr, wie auch ihm, schon zu viele schreckliche Facetten der Welt offenbart hatte.
Dave hatte seit er das Haus verlassen hatte, kein Wort mehr gesagt. Er sp\xFCrte tief in sich die Gewissheit heranreifen, dass er seine Sprachf\xE4higkeit verloren hatte oder sehr bald einb\xFCssen w\xFCrde.
Die Beiden passierten auf ihrem Weg durch die Nacht viele aneinandergereihte Mehrfamilien-H\xE4userblocks, die in der Finsternis wie grob beschlagene Steinquader erschienen. In fast keinem Fenster brannte Licht, was anhand der nachtschlafenden Zeit nicht weiter verwunderlich erschien.
Carroll f\xFChrte Dave zu einem der sch\xE4bigeren Wohnblocks, in dessen unterer H\xE4lfte anscheinend einige Gesch\xE4fte tags\xFCber ihre Waren anboten. Carroll passierte die dreckigen Schaufenster der Gesch\xE4fte jedoch und deutete nach einigen Metern auf eine Holzt\xFCr, welche durch die \xFCberall an den W\xE4nden des Hauses geklebten Plakaten kaum zu erkennen war.
\x84Hier ist es,“ best\xE4tigte sie die Vermutung Daves, dass sie das Ziel ihrer kurzen Reise erreicht hatten.
Dave besah sich die T\xFCr und blickte dann Carroll an. Sie hatten etwas vergessen. Wie konnte ihnen geholfen werden, wenn niemand im Labor war?
\x84Ich wei\xDF, das der Photograph derzeit nicht da sein wird. Er arbeitet ungern nachts, sagte er mir in dem Interview. Ich dachte mir, dass wir lieber etwas Ruhe haben wollen und das es nicht in deinem Interesse liegt ihm zu erkl\xE4ren, wieso du so aussiehst, wie du aussiehst, oder?“
F\xFCr einen langen Moment stand nicht Carroll vor Dave, sondern Mrs. Simmons, die Reporterin. Daves Atem stockte, als er erkannte, wie viele Gedanken sie sich gemacht hatte, um ihm zu helfen.
Dann nickte er kurz und versuchte zu l\xE4cheln. Durch seine gesch\xE4rften Z\xE4hne gelang ihm aber nur ein missgestaltetes blecken seiner Rei\xDFer.
Carroll verstand trotzdem und blickte dann zu der T\xFCr.
\x84Was meinst du,“ fragte sie, \x84kannst du sie \xF6ffnen?“
Etwas tief in Daves Geist wollte revoltieren, aber dann erkannte er, dass dieses Photolabor eventuell seine einzige Chance auf einige Antworten darstellte und er besah sich das Schloss.
Es war eine alte T\xFCr und das Schloss schien rostig und ausgeleiert zu sein. Er roch das verschlissene Metall.
Er nickte kurz.
Dann, mit einem dumpfen Knurren, begann er an dem Griff der T\xFCr zu r\xFCtteln. Vorsichtig zuerst, dann st\xE4rker und heftiger.
Carroll blickte sich in der Gasse um, suchte nach eventuellen Verfolgern oder Beobachtern. Alles schien menschenleer zu sein.
Dave knurrte dumpf und angespannt, als seine H\xE4nde sich um den T\xFCrgriff legten. Seine Muskeln spielten unter dem Stoff des grauen Mantels. Schwei\xDF stand auf seiner Stirn.
Erneut blitzten kurze Bilder vor Daves Augen auf, als er die Kraft des unbekannten Wesens in seiner Seele nutzte, um die T\xFCr aufzubrechen.
Mit einem metallischen Seufzen gab das Schloss nach und die T\xFCr schwang fast ger\xE4uschlos nach Innen auf.
Dave atmete keuchend und versuchte die Bilder in seinem Kopf zu verscheuchen.
\x84Sehr gut,“ lobte Carroll ihn l\xE4chelnd, dann hob sie eine Taschenlampe aus einer ihrer Manteltaschen und leuchtete in den Gang hinter der T\xFCr.
Daves der Nachtsicht f\xE4higen Augen hatten den Gang schon durchsucht, bevor der zitternde Lichtkegel aus Carrolls Taschenlampe die Finsternis flackernd zerschnitt.
Der kurze und mit Schr\xE4nken zugestellte Gang f\xFChrte in einen gr\xF6\xDFeren Raum, von dem mehrere T\xFCren abgingen.
Der Raum, in den Carroll nun trat, w\xE4hrend Dave ihr langsam folgte, nachdem er die T\xFCr hinter sich so gut wie m\xF6glich geschlossen hatte, schien die Funktion eines Verkaufsraumes zu besitzen.
\x84Hier habe ich den Photographen interviewt,“ erkl\xE4rte Carroll leise, \x84die T\xFCren f\xFChren in Dunkelkammern und Vorratsr\xE4ume.“
Dave sah sich langsam um. Er sah einen Verkaufstresen, mehrere Holzst\xFChle und mit Bilderrahmen zugehangene W\xE4nde. Es stank nach Entwicklerfl\xFCssigkeiten und anderer Chemie, welche schmerzhaft in Daves Nase stach.
Carroll durchschritt den kleinen Raum schnell, \xF6ffnete einige der T\xFCren und sp\xE4hte in die angrenzenden Kammern.
\x84Der Photograph war sehr begeistert von seiner Kunst und hat mich sehr lang und detailreich \xFCber seine Art der Bilderstellung aufgekl\xE4rt.“
Carroll sprach erkl\xE4rend zu Dave, w\xE4hrend sie anscheinend auf der Such nach etwas war.
\x84Damals erschien mir sein Vortrag langweilig und uninteressant, aber nun muss ich doch sagen, dass ich froh bin, ihn \xFCber seine Kunst und nicht die \xF6rtliche Kinderspielgruppe \xFCber ihr Halloween-Schauspiel zu interviewen.“
Sie hielt eine Sekunde inne, dann drehte sie sich zu dem verloren inmitten des Verkaufsraums stehenden Dave um.
\x84Dave, ich denke, ich habe gefunden, nach was ich gesucht habe.“
Carroll winkte ihm kurz zu und Dave schritt durch den Raum und um den Verkaufstresen herum zu ihr. Seine Frau war inzwischen durch die letzte T\xFCr, welche sie ge\xF6ffnet hatte, getreten und aus seinem Blickfeld verschwunden.
Mit einem dumpfen Knurren verlies Dave den Verkaufsraum und betrat ein recht gro\xDFes und vollkommen chaotisches Photolabor, die T\xFCr hinter sich schlie\xDFend.
\xDCberall standen Kisten \xFCbereinander gestapelt. Kameras, Filme und zerfledderte B\xFCcher lagen auf dem Boden, auf verstaubten Tischen und den unz\xE4hligen Schr\xE4nken.
Das Unbekannte in Dave regte sich wieder und bereitete ihm eisiges Unbehagen, als seine Pfoten durch das Chaos stapften.
Inmitten der Unordnung stand Carroll und blickte auf ihre Aufzeichnungen, die sie von zu Hause mitgenommen hatte.
Ihr Gesicht erschien Dave fahl und blutleer, aber dies konnte auch an dem schummerigen Licht der Taschenlampe oder seiner Nachtsicht liegen.
\x84Ich habe mir einiges notiert, was der alte Mann mir zu sagen hatte,“ sagte Carroll, \x84und ich denke, ich kann den Prozess nachvollziehen.“
Bei dem Wort \x82Prozess’ zuckte Dave kurz zusammen, denn er f\xFChlte sich pl\xF6tzlich an die Indianer erinnert, welche ihn gefangen genommen hatten. Sie hatten von einem Prozess gesprochen, welcher in Dave eventuell vonstatten gehen w\xFCrde. Das dem so war, erlebte er nun am eigenen K\xF6rper. Nur was war der Grund und was das Ende dieses Prozesses?
\x84Dave?“
Carroll blickte ihn voll Sorge an. Eventuell vermutete sie, dass die fremde Macht erneut Besitz von ihrem Mann \xFCbernommen hatte, nachdem er ihren Worten nicht gefolgt zu haben schien und pl\xF6tzlich so abwesend aussah.
Dave sch\xFCttelte den Kopf und winkte dann beschwichtigend ab.
Carroll l\xE4chelte besorgt und fuhr dann mit ihren Erl\xE4uterungen fort, w\xE4hrend sie ihre Hand deutend durch den Raum fahren lies.
\x84Eine Auren-Photographie,“ las sie von ihren Notizen ab, \x84ist eine Mischung aus normaler Photographie und der sensorischen Abtastung des Bio-Feedbacks der H\xE4nde des Photographierten.“
Dave atmete ungleichm\xE4\xDFig.
\x84Gemessen wird das magnetische Feld, welches sich um jeden Menschen herum befindet. Zusammen mit dem Photo ergibt sich dadurch ein Abbild der Seele des Photographierten.“
Carroll hielt kurz in ihrer Erkl\xE4rung inne und las einige weitere Notizen im Stillen.
\x84Diese Ansicht des alten Mannes scheint sich nicht ganz mit der Ansicht der esoterischen Gemeinschaft zu decken, welche schon seit vielen Jahren Aura-Photographien als Mittel zur pers\xF6nlichen Selbstfindung verwendet. Aber ich denke, es deckt sich mit dem, nach was wir suchen.“
Carroll blickte ihren Mann an, welcher gerade dabei war, seinen Mantel und den breitkrempigen Hut abzulegen.
Dave blickte wieder einmal an sich herab, als er den schweren Mantel \xFCber einen nahestehenden Stuhl legte.
Seine fellbedeckten L\xE4ufe beschworen noch immer ein unangenehmes Gef\xFChl in ihm herauf, auch wenn sie sich so nat\xFCrlich wie seine alten, menschlichen Beine anf\xFChlten. Er war sich sicher, dass es sich auch sehr nat\xFCrlich anf\xFChlen w\xFCrde, wenn seine Pers\xF6nlichkeit erst einmal von der unbekannten Macht ausgel\xF6scht sein w\xFCrde.
Dave blickte wieder auf Carroll. Sie hatte inzwischen einige Kartons zur Seite ger\xE4umt und war auf der Suche nach etwas, was sich anscheinend um einen seltsam aussehenden Stuhl herum befinden musste.
\x84Der Photograph zeigte mir, was man tun muss, um ein Aura-Photo zu schie\xDFen,“ sagte sie, \x84und auch, welche Ger\xE4te man dazu verwendet.“
Carroll r\xE4umte einige zerfledderte Zettel von dem seltsamen Stuhl und deutete auf einige Kabel, die um die Stuhllehnen gewickelt waren.
\x84Nachdem was der Mann mir sagte ist es sehr einfach, ein Aura-Abbild einer Person zu erstellen.“
Carroll deutete Dave, sich auf den Stuhl zu setzen.
Dave wollte ihrer Aufforderung folgen, aber das Etwas in ihm widersetzte sich seinem Willen, wollte nicht, dass er mehr \xFCber die Vorg\xE4nge in sich erfuhr.
\x84Dave, was...,“ hob Carroll an, aber Dave bekam es nicht mit, da in seinem Kopf pl\xF6tzlich eine erneute Schlacht um seinen Geist entbrannte.
Blitzende und durch seine Nerven schneidende Bilder jagten durch Daves Kopf. Br\xFCllende, heulende und kreischende Ger\xE4usche bombardierten seine Ohren.
Taumelnd dr\xFCckte Dave seine Handfl\xE4chen auf seine Ohren, um wenigstens die Ger\xE4usche abzublocken. Es war nutzlos, denn wie auch die Bilder hatten die Ger\xE4usche ihren Ursprung nur in Daves Kopf, wurden von dem grauenhaften Wesen, welches sich um seine Seele geschlungen hatte, erschaffen.
Dave wollte etwas sagen, aber das einzige, was er hervorhusten konnte, war ein erneutes Knurren.
Er fiel vorn \xFCber, st\xFCtzte sich mit einer Handfl\xE4che vom Boden ab. Ein d\xFCnner Sabberfaden rann gl\xE4nzend aus seinem Mundwinkel zu Boden.
Dave atmete keuchend. Seine Augen schlossen und \xF6ffneten sich in einer ungesunden Geschwindigkeit.
Dann hatte er den Anfall \xFCberstanden und war wieder der Herr \xFCber seinen K\xF6rper.
Sein Kopf ruckte nach Oben und er blickte auf Carroll, die hinter dem seltsamen Stuhl in Deckung gegangen war.
\x84Dave...,“ fl\xFCsterte sie mit zitternder Stimme, \x84Dave, deine Ohren!“
Ihre Augen waren geweitet, sie roch nach gerade so unterdr\xFCckter Furch.
Er selbst kam langsam wieder auf die Beine und riss sich zusammen, wenigstens einige kurze Worte hervorzupressen: \x84Alles... in... Ordnung.“
In der selben Sekunde ber\xFChrte er mit zitternden Fingern sein linkes Ohr und zuckte zusammen, als er f\xFChlte, dass es sich ver\xE4ndert hatte. Es war bei seinem anderen Ohr nicht anders, dass bemerkte er, als er es auch abtastete.
Daves Ohren hatten sich weiter zugespitzt. Fell war auf ihnen gewachsen, er konnte es unter seinen tastenden Fingerspitzen f\xFChlen. Ebenso waren sie gr\xF6\xDFer geworden und standen nun nach hinten von seinem Kopf ab. Eines der Ohren zuckte und bewegte sich leicht, als er es ber\xFChrte.
Die fremde Macht hatte ihn mit Wolfsohren beschenkt. Dave f\xFChlte sich von Allem verlassen.
\x84Gib nicht auf,“ versuchte Carroll ihm Mut zuzureden, \x84wir k\xF6nnen noch Antworten finden. Noch hat das Wesen in dir nicht gesiegt!“
Langsam nickte Dave und lies von seinen verwandelten Ohren ab.
Er bahnte sich einen Weg an den Kartons vorbei und nahm in dem Stuhl platz, positionierte seine Arme auf den massiven Lehnen.
Carroll wickelte inzwischen die verworrenen Kabel von den Lehnen ab und entwirrte sie.
\x84Nachdem, was ich meinen Notizen entnehmen kann,“ sagte sie, ihren Blick besorgt auf Dave gelegt, \x84muss ich lediglich deine Fingerspitzen an diese Kontakte anschlie\xDFen und mit einer speziellen Polaroidkamera ein Photo von dir schie\xDFen.“
Dave versuchte sich soweit zu entspannen, wie es ihm m\xF6glich war, ohne die mentale Barriere gegen das korrumpierende Wesen zu vernachl\xE4ssigen.
Sein Kopf schmerzte, seine Schl\xE4fen pochten. Die Kreatur wehrte sich.
Carroll schloss die metallischen Kontakte an Daves Fingerspitzen an, je ein Kabel an jeden seiner Finger.
Dann suchte sie in einem nahestehenden Regal nach etwas, was sich nach einigen Augenblicken als eine vollkommen normal erscheinende Polaroidkamera entpuppte.
\x84Es dauert keine paar Sekunden und k\xF6nnte eventuell leicht in deinen Fingerspitzen brennen,“ sagte Carroll leise, dann drehte sie sich um und ging einige Schritte von Dave weg. Dann drehte sie sich wieder um und Dave konnte erkennen, dass von der Kamera ein Kabel ausging, welches sie mit seinem Stuhl und einer nahestehenden Apparatur verband.
\x84Gleich, Dave,“ murmelte Carroll, \x84hoffentlich straft mich mein Ged\xE4chtnis nicht L\xFCgen und wir haben alles Richtig gemacht.“
Sie legte einen kleinen Kippschalter an der Kamera um, der anscheinend irgendwann mehr oder minder professionell an ihr befestigt worden war.
Ein Brennen schoss pl\xF6tzlich, wie Carroll es vorhergesagt hatte, durch Daves Fingerspitzen. Kleine, blaue Funken blitzten zwischen den Kontakten und seiner Haut.
Dave verzog jedoch keine Miene, er hatte in den letzten Stunden schon zu viel Schmerz erfahren, als sich von so etwas aus dem Konzept bringen zu lassen.
Ein glei\xDFender Blitz nahm ihm die Sicht und lies sofort danach verschwommene, wei\xDFe Schemen vor seiner Netzhaut tanzen. Seine Nachtsicht schien sehr stark auf unerwartetes Licht zu reagieren. Verdammt.
Er konnte immer noch nicht wieder klar sehen, als er Carroll die Kontakte von seinen Fingern entfernen sp\xFCrte.
Durch die Schemen vor seinen Augen abgelenkt, bemerkte er etwas nicht, was ihm ansonsten sofort aufgefallen w\xE4re.
Schritte hallten durch die R\xE4ume hinter dem Photolabor. Ger\xFCche drangen an Daves Nase. Er vernahm das metallische Klicken einer Waffe, die entsichert wurde.
Zu sp\xE4t. Alles zu sp\xE4t.
Die T\xFCr des Labors wurde aufgetreten, Schreie hallten urpl\xF6tzlich durch den Raum. Dave hielt erschrocken den Atem an und sprang auf. Er versuchte durch das Flimmern vor seinen Augen zu blicken, aber es war ihm unm\xF6glich.
Sie waren verfolgt worden, wie hatte Dave es nicht bemerken k\xF6nnen?
\x84Was... verdammt,“ schrie Carroll verdutzt, dann hallte ein Schuss durch das Labor.
Dave h\xF6rte wie das abgefeuerte Projektil sein Ziel fand und sich platschend in einen menschlichen K\xF6rper bohrte.
Carroll wimmerte auf, sackte neben ihm zu Boden.
Dave schrie knurrend auf, ein st\xE4hlernes Netz aus Wut schien sein Herz zu zerquetschen, schn\xFCrte ihm die Luftzufuhr ab.
Die Schreie nah der Labort\xFCr verebbten. Es war Dave egal, ob sie \xFCber seine Gestalt erschrocken waren, oder \xFCber seine pl\xF6tzliche Bewegung.
Er hastete vor, lies Kisten und St\xFChle unter sich zur\xFCck und prallte genau mit den unerwarteten Angreifern zusammen. Als ob er sehend gewesen w\xE4re, kollidierte er mit ihnen, denn ihr Geruch und die von ihnen verursachten Ger\xE4usche waren f\xFCr Dave wie ein Leuchtfeuer. Es waren zwei Gestalten, mehr witterte Dave nicht.
Die flimmernden Schemen vor seinen Augen ignorierend, hieb er nach der Person, die seiner Meinung nach die Waffe abgefeuert hatte, welche Carroll verwundet zu Boden geschickt hatte. Sein Schlag war mit einer unglaublichen Wucht gef\xFChrt und er sp\xFCrte Knochen unter seiner Faust brechen und zersplittern. Ohne eine Sekunde zu verlieren setzte er einen weiteren Schlag nach und verbiss sich dann mit seinen scharfen Z\xE4hnen in dem ungesch\xFCtzten Hals des Angreifers. Blut spritzte in Daves Kehle.
Er roch die \xE4ngstlichen Ausd\xFCnstungen des zweiten Angreifers. Der Fremde unter Dave r\xFChrte sich kaum noch, er zuckte nur noch und wimmerte vor Schmerz. Dave genoss diese Ger\xE4usche, trank gierig das Blut.
Mit einem Mal lichteten sich die blendenden Schemen vor seinen Augen und er erkannte die Angreifer als das, was sie waren.
Indianer!
Einer der Fremden, ein Mann, lag mit gebrochenem Kiefer und einer halb aufgerissenen Kehle unter Dave, der zweite Angreifer war eine junge Frau.
Mit einem animalischen L\xE4cheln erhob sich Dave von dem zuckenden Indianer und blickte die vor Angst zitternde Frau an. Sein Gesicht war voll von indianischen Blut.
Die Frau hatte sich in eine Raumecke nahe der T\xFCr gefl\xFCchtet, eine Pistole in den verkrampften H\xE4nden und auf Dave gerichtet haltend.
Dave ignorierte die Waffe. Sein raubtierhafter Blick hatte sich auf die Frau fixiert, die er nur zu gut kannte. Sie hatte in dem Auto der Indianer neben ihm gesessen. Sie hatte ihm vor einigen Stunden mit einer seltsamen Waffe bet\xE4ubt.
Mit zitternden Lippen brachte die panische Frau einige Worte heraus: \x84Zur\xFCck! Zur\xFCck, b\xF6ser Geist!“
Dave ignorierte ihre Worte und stapfte, getragen von den ledernen Sohlen seiner Pfoten, durch das warme Blut des am Boden liegenden Indianers auf die Frau zu. Es waren nur wenige Meter, es w\xFCrde nur wenige Augenblicke dauern.
Mit einem Keuchen feuerte die Frau ihre Pistole ab. Ein Mal. Zwei Mal. Drei Mal.
Dave sp\xFCrte die Kugeln flammend in seinen Brustkorb einschlagen, aber es k\xFCmmerte ihn nicht. Knurrend schritt er weiter auf die Frau zu und hob seine zu Krallen gekr\xFCmmten Finger.
Die Indianerin schrie vor Angst, ihre Augen weiteten sich. Die Pistole entglitt ihren zitternden Fingern und polterte zu Boden.
Seine gerade erlittenen Schusswunden schlossen sich und Fell wuchs \xFCber ihnen, Dave sp\xFCrte es. Er knurrte.
Er legte eine seiner gekr\xFCmmten H\xE4nde auf ihre Schulter, dr\xFCckte gnadenlos zu. Die andere Hand dr\xFCckte er gegen einen ihrer Arme und presste diesen gegen die kalte Wand des Raums.
Er schob seinen Kopf vor, sog den panischen Geruch der Frau ein und l\xE4chelte sie animalisch an.
Er w\xFCrde sie nun t\xF6ten... und er w\xFCrde es genie\xDFen.
In der Sekunde, in der sein Kopf vorzucken wollte, um ihr mit seinen scharfen Z\xE4hnen die Kehle herauszurei\xDFen, drang ein leises Ger\xE4usch an Daves Ohren und lies ihn Inne halten.
Er sp\xFCrte eine schreckliche K\xE4lte in seinen Adern.
Dann, pl\xF6tzlich und unerwartet, lies er die Indianerin los, so dass sie zitternd zu Boden fiel.
Was hatte er getan?
Von sich selbst angewidert taumelte Dave von der nun zu seinen Pfoten liegenden Frau davon und versuchte wieder zu Sinnen zu kommen.
Das fremde Wesen in ihm hatte die Kontrolle \xFCber sein Denken und sein Handeln \xFCbernommen gehabt und er hatte es genossen! Er war dabei seine Menschlichkeit zu verlieren und es w\xFCrde noch weniger Zeit dauern, als er bef\xFCrchtet hatte.
Er k\xE4mpfte einen Kampf, den er auf jeden Fall verlieren w\xFCrde, dass begriff er nun.
Erneut nahmen seine zuckenden Ohren das leise Ger\xE4usch auf, welches ihn wieder zur Vernunft gebracht hatte. Es war ein schmerzerf\xFClltes St\xF6hnen. Es war Carroll.
Dave st\xFCrzte durch das Chaos aus St\xFChlen, Schr\xE4nken und Kartons und fand Carroll nur Augenblicke sp\xE4ter blutend neben dem verkabelten Stuhl am Boden liegend. Sie hatte sich zusammengekr\xFCmmt und ein stetiger Blutsstrom sickerte aus einem glatten Durchschuss in ihrer Schulter.
Mit einem kurzen Keuchen drehte Dave seine Frau sanft auf den R\xFCcken und besah sich die Wunde. Es war nicht zu schlimm, aber sie w\xFCrde sterben, wen ihr nicht bald geholfen werden w\xFCrde.
Das seine Fingern\xE4gel sich inzwischen zu gebogenen Krallen verwandelt hatten und Fell auf der nun rauen Haut seiner H\xE4nde gewachsen war, bemerkte Dave nur am Rande. Ebenso die Tatsache, dass sich nun lederartige Sohlen auf seinen Handfl\xE4chen befanden.
Mit einer kurzen Bewegung riss Dave ein St\xFCck Stoff aus Carrolls Kleidung und verband die blutende Wunde so gut es ihm irgend m\xF6glich war.
Er bemerkte nicht einmal, wie sich ihre Augen flimmernd \xF6ffneten und sich ihr Blick auf ihn legte.
\x84Dave...,“ fl\xFCsterte sie, \x84es wird alles gut... alles gut.“
Dave legte eine seiner fellbedeckten H\xE4nde sanft auf ihren Mund um ihr zu verstehen zu geben, dass sie schweigen und sich ihre Kr\xE4fte sparen sollte.
Carroll ignorierte seine Sorge und sprach leise und stockend weiter.
\x84Geh, Dave. Ich... ich habe ein... Handy... werde... einen Krankenwagen rufen. Alles... wird gut, Dave.“
Er knurrte dumpf und legte seinen Mantel, den er von dem nahestehenden Stuhl gezogen hatte, als Kissenersatz unter ihren Kopf.
\x84Ich liebe dich Dave,“ brachte sie keuchend heraus, ihre Lippen zitterten.
Einem der letzten Impulse seiner Menschlichkeit folgend senkte Dave seinen Kopf und k\xFCsste seine Frau.
Es war kein langer Kuss, aber Dave wusste innerlich, dass es ihr Beider letzter sein w\xFCrde.
Als er den Kuss langsam brach, sah er eine Bewegung an einer der H\xE4nde Carrolls. Sie hielt ein Photo und lies es nun langsam los.
Dave nahm das Polaroid aus ihren kraftlosen Fingern und blickte sie ein letztes Mal an.
\x84Ich...,“ zwang er sich zu sagen, \x84liebe dich.“
Dann stand er langsam auf und blickte dabei auf Carroll, die mit einem schmerzverzerrten Gesicht dabei war, ein Mobiltelefon aus ihrem Mantel zu ziehen.
Sie war stark. Sie w\xFCrde \xFCberleben.
Knurrend stapfte Dave durch das Labor zur\xFCck zu der Ecke neben der T\xFCr, in welcher die indianische Frau noch immer zitternd hockte und panisch zu ihm aufblickte.
Dave beachtete sie noch nicht wirklich, sein Blick hatte sich auf das Aura-Photo fixiert, welches er Carroll soeben abgenommen hatte.
Er sah seinen verwandelten K\xF6rper auf dem Stuhl sitzen, die metallischen Kontakte an seinen Fingern. Winzige Blitze waren als kleine Sonnen nahe den Kontakten auf dem Photo zu erkennen.
Er sah einen Schimmer aus Farben, welcher seinen K\xF6rper umwabern zu schien.
Und er sah das, was er erwartet hatte: eine weitere Aura. Eine Aura, die sich sowohl farblich als auch in ihrer Form von Daves eigenem magnetischen Energiefeld abhob.
Es war eine grauenhafte Kreatur. Sie war ein Hybrid aus Wolf und Mensch und sie hatte sich in einer Art ekstatischer Umarmung um Daves K\xF6rper gelegt. Ihre Klauen und Z\xE4hne waren in seine Aura geschlagen.
Was Dave aber schlucken lies war ihr Blick. Die flackernde Gestalt blickte direkt in die Kamera, als wenn sie w\xFCsste, dass sie photographiert werden w\xFCrde. Ihre Wolfsfratze war zu einem b\xF6sartigen Knurren verzogen.
Dies war das Wesen in Dave. Dies war die Kreatur, die Daves K\xF6rper und Geist ver\xE4nderte.
Nun kannte er seinen Feind.
Alles was ihm nun fehlte, war ein Mittel, all dies zu beenden.
Mit einem Knurren begab sich Dave vor der Indianerin in die Hocke. Er roch ihre Furcht und sp\xFCrte einen kaum zu beschreibenden Hass gegen sie in den Tiefen seiner Seele. H\xE4tte er dem Verlangen, welches in ihm aufwallte, nachgegeben, h\xE4tte er sie sofort get\xF6tet.
Ihr Begleiter, welcher hinter Dave am Boden lag, r\xFChrte sich nicht mehr.
Dann zwang er sich zu ihr zu sprechen.
\x84Bring mich zu dem unter euch... welcher mir sagen kann.... was mit mir geschieht,“ brachte er knurrend hervor.
Erst nach wenigen Sekunden nickte die Frau kaum merklich.
-12-
Das schwarze Auto hielt im grauen Schneematsch des Stra\xDFenrandes.
Es war das selbe Auto, in welchem Dave auch bet\xE4ubt worden war.
Dave hatte die Indianerin nicht einmal mit einer Waffe bedrohen m\xFCssen, dass sie ihn zu ihrem Anf\xFChrer fuhr. Ihre Furcht vor ihm und um ihr Leben war so gewaltig, dass sie es nicht einmal gewagt hatte, ihn zu einem falschen Ort oder in eine Falle zu fahren.
Dave roch es, jede noch so kleine Ver\xE4nderung ihrer Geruchsnuancen w\xE4re ihm sofort aufgefallen.
\x84Hier... hier... ist es,“ stammelte die ver\xE4ngstigte Frau.
Dave blickte aus der verdreckten Windschutzscheibe des Wagens in das graue Zwielicht des langsam heranbrechenden Morgens.
Die Indianerin hatte ihn in eines der heruntergekommenen Viertel der Stadt gefahren. Zwar standen auch hier vereinzelt kleinere H\xE4user, aber ghettoartige Wohnblocks dominierten das Landschaftsbild. Penner und Drogenabh\xE4ngige schliefen auf Treppenstufen und beschmierten B\xE4nken. Kein Baum war zu sehen. Die wenigen Laternen, die in dem vorherrschenden Zwielicht flackernd schienen, konnten der Dunkelheit keine Gegenwehr bieten und erschufen so nur kleine Inseln aus unstetigem Licht.
Dave stieg langsam aus dem Auto aus und bedeutete der Frau, es ihm gleich zu tun.
Er hatte sich nicht mehr verkleidet. Es war nun alles eh zu sp\xE4t, also was sollte er sich noch darum k\xFCmmern, verdeckt und unerkannt zu bleiben?
\x84Wo ist es?“, fragte er knurrend. Sogar dieser kurze Satz hatte ihm M\xFChe bereitet.
Mit einem zitternden Finger deutete die indianische Frau auf eine kleine H\xFCtte, die scheinbar aus Holz zusammengeschustert worden war und sich kaum merklich zwischen zwei monolithische Wohnblocks duckte.
Dave bedeutete der Frau vorzugehen, so dass er ihr folgen konnte.
Mit langsamen Schritten umrundete die Frau das Auto und schritt langsam auf das Haus zu.
Niemand interessierte sich f\xFCr die Beiden. Kein Fenster \xF6ffnete sich, niemand nahm Notiz.
Dave folgte der Indianerin und vernahm wieder das Klicken seiner Krallen auf dem Asphalt der Strasse und den steingedeckten Gehwegen.
Kannte er dieses Haus? War es das selbe, in dem er nach seiner Gefangennahme durch die Indianer aufgewacht war? Im Grunde war es Dave nun egal.
Als die Beiden den das Haus umgebenden Zaun erreichten, f\xFChlte Dave pl\xF6tzlich Blicke auf sich gerichtet. Er knurrte und legte seine krallenbewehrten Finger an den Hals der Frau.
\x84Keine Waffen... oder... du stirbst,“ knurrte er ihr ins Ohr.
Langsam hob die Frau ihre rechte Hand und machte eine abwehrende Handbewegung.
\x84Keine Sch\xFCsse, bitte, oder er... er wird mich t\xF6ten,“ rief sie in Richtung des Hauses, hinter dessen Fenstern nun Bewegungen auszumachen waren.
\x84Bitte lasst uns ein,“ wimmerte sie dann.
Die schattenhaften Schemen hinter den dumpf beleuchteten Fenstern des Hauses verschwanden zwar nicht, aber sie schienen auch keine Anstalten zu machen, mit irgendwelchen Waffen auf Dave zu zielen.
Die Indianerin \xF6ffnete das Zauntor und wurde dann von Dave \xFCber den halb mit Unkraut zugewucherten Weg auf die Haust\xFCr zugetrieben.
Kurz bevor sie die T\xFCr erreicht hatten, wurde sie von Innen ge\xF6ffnet und ein fahler Schein legte sich \xFCber Dave und seine Gefangene.
Ger\xFCche wehten ihm entgegen. Seine witternde Nase roch mehrere Menschen und den starken Duft von R\xE4ucherwerk.
Dave stie\xDF die Frau durch in den Raum hinter der T\xFCr und folgte ihr, seine Krallen noch immer leicht in die weiche Haut ihres Halses bohrend, so dass sie fast durch sie schnitten.
Die T\xFCr wurde hinter Dave geschlossen und er fand sich in einem einzigen gro\xDFen Raum wieder, von dem einige wenige T\xFCren abgingen. Eine Treppe f\xFChrte in einer der hinteren Ecken in den ersten Stock des Hauses, wo die Fenster lagen, aus denen seine Ankunft beobachtet worden war.
\xDCberall in dem Raum standen Kerzen und Beh\xE4lter mit dampfenden \xD6len und Kr\xE4utern. Felle der unterschiedlichsten Tiere hingen an den W\xE4nden. Ein Deckenlicht gab es nicht, die Kerzen und ein Feuer in einem steinernen Kamin waren die einzigen flackernden Lichtquellen.
Gestalten waren ebenso in dem Raum verteilt, Dave z\xE4hlte sechs von ihnen, ihn und seine Gefangene nicht mitgerechnet. Alle waren sie offensichtlich indianischer Abstammung.
Drei junge M\xE4nner standen an den W\xE4nden des Raumes. Sie hatten Gewehre im Anschlag, deren L\xE4ufe auf Dave gerichtet waren.
Zwei Gestalten, ein Mann und eine Frau, beide weitaus \xE4lter als die M\xE4nner mit den Gewehren, standen nahe der Mitte des Raums. Der Mann war jener Indianer, der das Auto gefahren war, in dem man Dave bet\xE4ubt hatte und dem er begegnet war, als er in dem Keller in Gefangenschaft aufgewacht war.
Die Frau neben dem alten Indianer kannte Dave nicht.
Ein sehr alt erscheinender Mann sa\xDF auf einem mit Fellen ausgelegten Stuhl inmitten des Zimmers und war von Kerzen und Duftspendern umgeben.
Die Bewaffneten trugen normale Stra\xDFenkleidung, die beiden alten Indianer Stoffe und Ketten, wie Dave es in vielen Filmen und Dokumentationen gesehen hatte, als sein Leben noch in normalen Bahnen verlaufen war.
Der Greis auf dem Stuhl in der Mitte des Raumes trug keine wirkliche Kleidung, sondern war in Felle geh\xFCllt, die Dave einwandfrei als w\xF6lfisch identifizierte. Der ausgeh\xF6hlte Sch\xE4del eines Wolfes lag dem Mann, dessen Gesicht scheinbar nur aus Falten und seinem unergr\xFCndlich dunklen Augenpaar bestand, wie eine Kapuze auf dem Kopf.
Hass brodelte in Dave auf, kaum dass er den Raum betreten hatte.
Sein Geist drohe zu schwinden. Wellen um Wellen aus purem Hass rasten durch seinen pl\xF6tzlich zuckenden K\xF6rper.
Er musste diese Indianer t\xF6ten! Er musste sie alle zerrei\xDFen und ihr Blut...
\x84Nein!“ Dave schrie das Wort knurrend heraus und kr\xFCmmte sich f\xFCr den Augenblick, den er brauchte, um das Wolfswesen in sich zur\xFCckzudr\xE4ngen, zusammen.
Diese M\xF6glichkeit ausnutzend riss sich seine Gefangene von ihm los und hastete durch den Raum auf die drei alten Gestalten zu.
Dave richtete sich langsam wieder auf. Er keuchte. Seine Schl\xE4fen h\xE4mmerten. Die Wesenheit in ihm w\xFCrde sich nicht mehr lange zur\xFCckdr\xE4ngen lassen. Es war, als ob sie nun am Ziel ihrer Reise angelangt war und in dem Tod all der anwesenden Indianer ihre Erf\xFCllung erfahren k\xF6nnte.
Die junge Frau schwang ihre Arme kurz um den alten Indianer, den Dave als den Fahrer des schwarzen Wagens kannte.
\x84Gro\xDFvater,“ schluchzte sie, dann lies sie ihn los uns blickte zu Dave.
Von allen anwesenden Indianern angestarrt trat Dave einen Schritt vor. Sofort umfassten die bewaffneten jungen M\xE4nner ihre Gewehre fester und zielten auf ihn.
Obwohl er wusste, dass die Waffen ihm wahrscheinlich nichts anhaben w\xFCrden k\xF6nnen, stoppte Dave seinen Weg in die Mitte des Raumes und blickte knurrend auf die dort stehenden Gestalten.
\x84Es ist dein Gl\xFCck, dass du meine Enkelin nicht get\xF6tet hast, Kreatur,“ sagte der Gro\xDFvater der jungen Indianerin, \x84ansonsten h\xE4tten wir dich l\xE4ngst get\xF6tet. Nur weil sie lebt bist du nun hier.“
Dave h\xF6rte die Worte, aber sie ergaben kaum einen Sinn in seinem sich rapid abbauenden Geist. Sein Blick war auf den in Wolfsfelle geh\xFCllten Greis fixiert.
Einige Augenblicke lang passierte gar nichts, dann fl\xFCsterte der Greis zu Dave.
\x84Der Wolf ist m\xE4chtig in dir. Er frisst deine Seele. Er verformt deinen K\xF6rper. Wir wollten dich zu uns schaffen, aber nun bist du von selbst zu uns gekommen. Das ist gut.“
Die Stimme des alten Mannes war kaum zu verstehen, aber es war das einzige, was Dave in seinem immer schlimmer werdenden geistigen Zustand noch wahrnehmen konnte.
Er f\xFChlte sich matt.
Was geschah mit ihm?
\x84Vor sehr vielen Jahren eroberte mein Stamm dieses Land von den Einwanderern aus dem Westen zur\xFCck. Es war eine blutige Schlacht und viele unserer tapferen K\xE4mpfer fielen den m\xE4chtigen Waffen der Fremden zum Opfer. Aber wir siegten, denn wir hatten keine Gnade mit ihnen. Nicht mit ihren K\xE4mpfern, nicht mit ihren Frauen, nicht mit ihren Kindern. Wir eroberten das Land, welches uns genommen worden war, zur\xFCck.“
Dave f\xFChlte sich schwer. Mit jedem Atemzug schien er schlaffer zu werden.
\x84Aber die Einwanderer waren zu zahlenm\xE4\xDFig und bald zerschlugen und vertrieben sie uns mit ihren Kanonen und Gewehren. Aber damit nicht genug. Ihre dunklen Zauberer verfluchten uns. Sie beschworen ein Wesen, welches uns in der fernen Zukunft jagen und ausl\xF6schen sollte. So feige waren sie, dass sie das Wesen unseres Schutzgeistes korrumpierten und mit Hass gegen unser Volk anf\xFCllten.“
Dave sp\xFCrte den Boden unter seinen Pfoten nicht mehr.
\x84In den unz\xE4hligen Jahren, die auf diesen feigen Fluch hin folgten, warteten wir auf die Kreatur. Wir bereiteten uns auf sie vor. Jede Generation meines Stammes lernte alles, was wir \xFCber das Wesen des zuk\xFCnftigen Feindes wissen mussten, welcher irgendwo in unserer N\xE4he heranreifte, um uns, wenn er schl\xFCpfte und einen Wirtsk\xF6rper gefunden hatte, vernichten wollte. So konnten wir dich auch so schnell aufsp\xFCren... wir wussten, wonach wir suchen mussten. Und nun, wo wir dich da haben, wo wir dich haben wollen, werden wir dich unserer Magie unterwerfen und dich gegen dein altes Volk schicken. Oh, wie es uns eine Genugtuung sein wird, die Kehlen der Westlichen von den Z\xE4hnen ihrer eigenen Kreatur zerfetzt werden zu sehen. Es ist sehr einfach. F\xFCge dich.“
Die Worte des Greises klangen in Daves Ohren tausendfach nach.
Er f\xFChlte sich, als wenn er fallen w\xFCrde. Jedes Gef\xFChl wich aus seinem K\xF6rper, jeder Atemzug stach in seinen Lungen.
Doch pl\xF6tzlich und unerwartet \xF6ffnete sich sein Geist und \xFCbersp\xFClte Dave mit dem Wissen, nach dem er so lange gesucht hatte.
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Pl\xF6tzlich sah Dave die Welt aus einem anderen Blickwinkel.
Sofort war ihm klar, was hier geschah und dieses Wissen legte sich wie Hohn auf sein Gem\xFCt.
Er war in eine simple und dennoch sehr wirkungsvolle Falle getappt.
Die Indianer hatten ihn mit einer f\xFCr Menschen ungef\xE4hrlichen Droge niedergerungen. Vielleicht war es etwas in den Kerzen oder den \xD6len und Kr\xE4utern gewesen. Er wusste es nicht.
Was sie nun mit ihm anstellen w\xFCrden, konnte er ebenso wenig sagen.
Allerdings schien die Droge eine positive Wirkung auf sein vormals durch die Macht des Wolfsgeistes verschlossenes Ged\xE4chtnis gehabt zu haben. Eventuell war es der Kreatur nun, wo Dave ihr kaum noch Widerstand entgegensetzen konnte, auch egal und sie offenbarte ihm die Antworten auf all seine Fragen.
Dave befand sich auf dem Hausdach, auf welchem die ganze Geschichte ihren Anfang genommen hatte. Um genau zu sein schwebte er einige Meter \xFCber dem Dach und hatte deshalb ein recht gutes Sichtfeld.
Durch den Wind hindurch konnte Dave einen schwarzgekleideten Mann auf dem Dach herumstapfen sehen.
Der Mann fluchte und wischte sich alle paar Sekunden Schneematsch und dreckigen Regen aus dem Gesicht, welchen der einskalte Wind ihm gnadenlos entgegen schleuderte.
Dave sah, wie der Mann sich an einigen Schornsteinen zu schaffen machte. Dieser Fremde war augenscheinlich ein Schornsteinfeger oder etwas in der Art.
Dave sp\xFCrte, dass er selbst jetzt unten auf dem Gehweg unter dem Haus in diesem Augenblick mit einem als Weihnachtsmann verkleideten Mann zusammenstie\xDF.
Der Schornsteinfeger blickte sich auf dem Dach um. Irgendetwas schien ihm nicht zu behagen.
Dave erkannte, dass hinter dem Mann ein blaues Licht aufzuflackern begann.
Instinktiv wusste er, dass der Wolfsgeist, der nun nach all den Jahren des stillen Wachstums zu schl\xFCpfen begann, unendlich m\xE4chtig war. Er musste \xFCber unz\xE4hlige Jahre hinweg gewachsen sein und war f\xE4hig, diese gesamte Macht in einem einzigen Augenblick auf einen Wirtsk\xF6rper zu \xFCbertragen.
Der Schornsteinfeger drehte sich pl\xF6tzlich um und Dave erkannte, wie sich das Gesicht des Mannes zu einer Fratze der Furcht verzog.
Das blaue Licht jagte auf den Schornsteinfeger zu, der sich einfach zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort befunden hatte, und drang Funken schlagend in ihn ein.
Der schwarzgekleidete Mann zuckte wie vom Schlag getroffen auf und br\xFCllte seinen pl\xF6tzlichen Schmerz in die sturmdurchwehte Nacht hinaus.
Eine Welle aus purer Energie bildete sich und breitete sich kreisf\xF6rmig und kreischend um die zuckende Gestalt aus. Schornsteine zerbarsten. Schutt und Steine regneten \xFCberall um das Haus herum in die Tiefe.
Der Schornsteinfeger zuckte und taumelte, sein K\xF6rper von den ersten Stadien der Verwandlung in den w\xF6lfischen Rachegeist erfasst.
Der Geist war stark und die Verwandlung der menschlichen H\xFClle in einen ihm angemessenen K\xF6rper w\xFCrde nur wenige Minuten in Anspruch nehmen.
Dave sp\xFCrte den Hass des Geistes wie eine Flamme lodern. Er kannte diesen Hass.
Fell wuchs auf der Haut des ungl\xFCcklichen Opfers des Rachegeistes. Seine Z\xE4hne wuchsen zu Rei\xDFern. Krallen ersetzten seine Finger- und Fu\xDFn\xE4gel.
Dave sah sich selbst aus dem Augenwinkel die Feuerleitern des Geb\xE4udes heraufklettern. Sein Gesicht schien verbissen und doch voller Sorge.
Der \xFCber dem Dach schwebende Dave war erschrocken, wie sehr er sich inzwischen ver\xE4ndert hatte.
Der Schornsteinfeger taumelte und zuckte auch weiterhin, als Welle um Welle der unheilvollen Verwandlung durch seinen K\xF6rper zuckte. Blaues Feuer loderte um seine Gestalt.
W\xE4hrend dieser unglaublich schnellen Verwandlung war der Geist verwundbar und konnte mit seinen heilenden Kr\xE4ften nicht auf den K\xF6rper seiner H\xFClle einwirken, dass wusste der beobachtende Dave pl\xF6tzlich.
Weitere Ringe aus purer Energie l\xF6sten sich aus dem K\xF6rper des Mannes und zerfetzten weitere Schornsteine und Mauern.
Dave sah sich zu, wie er das Dach erklomm und in die Deckung der Schornsteine geduckt auf den sich verwandelnden Schornsteinfeger zueilte, ohne zu wissen, was ihn erwartete.
Die Umformung des Mannes war fast vollkommen, als er sich aus der Deckung heraus Worte in Richtung des blauen Lichts br\xFCllen sah.
Wie an einem Gummiseil wurde der \xFCber dem Dach schwebende Geist Daves pl\xF6tzlich in seinen \xFCber das Dach hastenden K\xF6rper gezogen. Er verband sich mit ihm, erlebte, was der K\xF6rper erlebte. Er wurde wieder Teil der Erinnerung...
\x84Verdammt, dann halt auf die harte Tour,“ murmelte Dave. Er sprang um die Ecke seiner Deckung und sprintete, die Pistole im Anschlag, auf das blaue Gl\xFChen zu.
Er passierte eine Mauer, dann eine weitere, dann die letzte.
Er erblickte die Szenerie vor sich.
Mit einem vor Angst verzerrten Gesicht riss er seine Waffe nach Oben und starrte auf die schreckliche Kreatur, welche vor ihm auf dem Dach stand. Der Schnee um sie herum war geschmolzen und sie blickte Dave hasserf\xFCllt an.
Es war eine Kreatur, die halb Mensch und halb Wolf war. Daves zerbrechender Geist erkannte Fell, Klauen und scharfe Z\xE4hne.
Seine Lippen zitterten und er feuerte einen Schuss auf die widernat\xFCrliche Kreatur ab.
Das Projektil bohrte sich klatschend in die Stirn des Monsters und warf es zur\xFCck.
Es schien, als sei es wirklich verwundet, denn es riss kreischend und heulend seine klauen\xE4hnlichen H\xE4nde an die Stirn und begann zu taumeln.
Dave wollte einen weiteren Schuss abgeben, aber sein verwirrter und ver\xE4ngstigter Geist versagte ihm den Dienst.
Eine weitere und letzte Welle aus Energie verlie\xDF den sich aufl\xF6senden und dadurch schrecklich anzusehenden K\xF6rper der Kreatur und jagte auf Dave zu.
Er wollte schreien, sich abwenden, ausweichen oder seine H\xE4nde vor das Gesicht rei\xDFen, aber es war alles zu sp\xE4t.
Etwas traf auf Daves K\xF6rper und drang in ihn ein, bohrte sich geschw\xE4cht in seine Seele, w\xE4hrend der vorherige Wirtsk\xF6rper in einer lodernden blauen Flamme verging.
Dann traf die Energiewelle auf Daves K\xF6rper und schleuderte ihn \xFCber die Mauern des Daches in die Tiefe.
Dave sp\xFCrte den Aufprall seines K\xF6rpers auf dem Boden nicht... und so entging ihm auch der Heilungsprozess, den der geschw\xE4chte Wolfsgeist in Daves K\xF6rper ausl\xF6ste. Der Geist hatte zwar nun eine neue H\xFClle gefunden, war aber nicht mehr m\xE4chtig genug, irgend etwas anderes zu tun, als f\xFCr das Wohl von Daves K\xF6rper zu sorgen.
Der Geist w\xFCrde warten m\xFCssen, um seine Kr\xE4fte zu sammeln. Erst dann k\xF6nnte er diesen neuen Wirtsk\xF6rper zu seinem Zwecke umformen.
Dave fiel in eine lange Bewusstlosigkeit und erwachte erst 23 Tage sp\xE4ter in einem Krankenhauszimmer wieder.
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Dave riss seine Augen auf.
Br\xFCllend kam er wieder auf die Beine und blickte sich um.
Seine Reise in seine Erinnerungen konnte nicht lange gedauert haben, denn nichts hatte sich um ihn herum ver\xE4ndert.
Die Augen der anwesenden Indianer weiteten sich angsterf\xFCllt. Einer von ihnen schrie etwas wie: \x84Es wirkt nicht!“
Dave hob seine Klauenh\xE4nde und erkannte, dass die Verwandlung nun auch seine Arme und seinen Brustkorb erreicht hatte. \xDCberall sah er das schwarz-graue Fell.
Ein buschiger Schwanz zuckte hinter ihm erregt hin und her.
Der Gestank von Furcht wallte in dem Raum auf und legte sich stechend \xFCber den Geruch der Kr\xE4uter und \xD6le.
Dave knurrte hasserf\xFCllt.
Der Mensch in Dave war kaum noch existent. Seine schw\xE4chliche Stimme reichte nicht mehr aus, um das rasende Wesen des Wolfsgeistes zu z\xE4hmen.
W\xE4hrend sich sein Gesicht zu einer Wolfsschnauze streckte und seine Z\xE4hne unter den schwarzen Lefzen blitzten, stapfte Dave br\xFCllend auf die Mitte des Zimmers zu.
Sch\xFCsse hallten auf und die Gewehrkugeln schlugen hart in dem K\xF6rper der Wolfskreatur ein, zu der Dave nun letztendlich geworden war.
Schreie klangen auf, die Indianer brachen in Panik aus.
Eine unvorsichtige Bewegung einer der pl\xF6tzlich wild durcheinander laufenden Gestalten lies eine der \xD6lpfannen schwanken und letztendlich scheppernd umfallen.
Als Dave mit seiner Klaue nach dem noch immer ruhig vor ihm sitzenden Greis hieb, wallte \xFCberall um ihn herum Feuer auf, nachdem sich das \xFCber den Boden schwappende \xD6l an Kerzen und dem Kamin entz\xFCndet hatte.
Den Greis mit einer Klaue aus seinem fellbedeckten Sitz hebend, knurrte ihn Dave hasserf\xFCllt an.
\x84T\xF6te mich, Kreatur. T\xF6te uns alle. Dann wirst du f\xFCr immer und ewig eine Kreatur des Hasses sein. Unterwirf dich uns und wir werden dir helfen,“ keuchte ihm der uralte Mann entgegen. Dave sp\xFCrte, dass er selbst sehr wohl eine Kreatur des Hasses sein w\xFCrde, aber auch, dass die Indianer ihn zu dem selben Zweck, dem Tod anderer, kontrollieren wollten.
Niemand konnte ihm helfen, verzweifelte er in den Tiefen seiner Seele, welche vollkommen mit der Substanz des Rachegeistes durchtr\xE4nkt war.
Mit einem unter dem Tosen des um ihn herum aufwallenden Feuerinfernos kaum zu vernehmenden Knacken brach Dave das Genick des alten Mannes. Er wehrte sich nicht.
St\xFChle, Wandschmuck und der Boden... alles ging in lodernde Flammen auf.
Die in Panik geratenen Indianer rannten kopflos durcheinander, einige von ihnen brannten bereits lichterloh.
Dave stand inmitten der Flammen und wandte sich auf die Haust\xFCr zu, hinter der sich die rettende Au\xDFenwelt befand.
Er trat einen Schritt auf die T\xFCr zu.
Ein Indianer rette sich mit einem gewagten Sprung durch eines der vorderen Fenster.
Schreie umgaben Dave ebenso wie das Br\xFCllen des Feuers.
Er ging einen weiteren Schritt auf die Haust\xFCr zu, sein Fell hatte inzwischen Feuer gefangen. Er sp\xFCrte, wie sich seine Haut unter dem Biss der Flammen zu kr\xE4useln begann und die Heilkraft des Rachegeistes sie nur sehr langsam und unter M\xFChen heilen konnte.
Feuer. War Feuer die L\xF6sung?
Ein weiterer Schritt, dann der n\xE4chste. Die rettende T\xFCr n\xE4herte sich immer mehr.
Dann, pl\xF6tzlich, blieb Dave stehen.
Der Wolf in ihm br\xFCllte auf und wollte den K\xF6rper zwingen, weiter auf die T\xFCr zuzugehen, aber Daves Menschlichkeit stellte sich in einem verzweifelten letzten Aufb\xE4umen dagegen.
W\xFCrde der Rachegeist \xFCberleben, w\xFCrde er nur noch weiteren Tod verursachen.
Dave k\xE4mpfte seinen gr\xF6\xDFten Kampf, w\xE4hrend das Haus um ihn herum in dem Inferno zu vergehen begann. Seine Haut l\xF6ste sich in Fetzen von seinem brennenden Fleisch. Es stank nach verbranntem Fell.
Dave br\xFCllte vor Schmerzen auf, aber er gab der nahezu \xFCberm\xE4chtigen Kraft des Wolf nicht nach und zwang sich selbst in die Knie zu gehen.
Holz splitterte \xFCberall. Flammen schlossen sich um Dave herum wie eine gl\xFChende und alles zerfressende Faust.
Dann st\xFCrzte der erste Stock des Hauses krachend in das Erdgeschoss und beendete das Leben Daves mit einem Rauschen und Bersten.
In seinem letzten Augenblick erf\xFCllte Dave ein letztes Mal die Gewissheit, etwas Gutes getan zu haben.
-Epilog-
Carroll lag ruhig in ihrem weichen Bett.
Die Schwester hatte das Zimmer gerade vor sich hin summend verlassen und Carrolls Essen auf einem kleinen Tisch stehen gelassen.
Carroll hatte sich schlafend gestellt, da ihr derzeit nicht nach Reden zu Mute war.
Inzwischen war sie gute zwei Wochen in diesem Zimmer. Sie hatte das Krankenhaus die ganze Zeit \xFCber nicht verlassen.
Carroll war sich sicher, dass Dave tot war. Sie hatte es sofort gesp\xFCrt, als sie aus ihrer k\xFCnstlichen Bewusstlosigkeit erwacht war, in die man sie versetzt hatte, um die Schusswunde in ihrer Schulter verarzten zu k\xF6nnen.
Seitdem bestand Carrolls Tag aus nicht viel mehr als Schlafen.
In den wenigen Momenten, in denen sie wach war, dachte sie \xFCber die Geschehnisse nach, die so pl\xF6tzlich \xFCber sie hereingebrochen waren und ihr Leben von einem Tag auf den anderen so nachhaltig ver\xE4ndert hatten.
Und sie dachte an den letzten Kuss mit Dave.
Wie er hatte auch sie hatte gesp\xFCrt, dass er der letzte Kuss gewesen war, den sie mit Dave austauschen w\xFCrde. Genau aus diesem Grund hatte sich der Moment, in dem sie sich zum letzten Mal nahe gewesen waren, so sehr in ihren Geist eingepr\xE4gt.
Carroll hob zum ersten Mal seit einer langen Zeit ihren Kopf und atmete tief durch.
Seit einigen Tagen hatte sie sich seltsam gef\xFChlt, aber sie hatte keiner Schwester und keinem Arzt davon erz\xE4hlt. Irgendwie wollte sie es nicht ansprechen, auch wenn sie sich nicht erkl\xE4ren konnte, wieso.
Carroll setzte sich auf und kratzte sich gedankenverloren hinter einem Ohr.
Wie w\xFCrde es erst werden, wenn sie wieder daheim sein w\xFCrde? W\xFCrde sie die pl\xF6tzliche Einsamkeit durchstehen? K\xF6nnte sie einfach so in ihrem Job weitermachen, nun, wo Dave nicht mehr da war?
Carroll g\xE4hne und blickte auf ihre Hand, die sie auf der wei\xDFen Bettdecke ausruhte.
Ihre Augen weiteten sich.
Fell. Grau-wei\xDFes Fell war in einem dichten Flaum auf ihrem Handr\xFCcken gewachsen.
Sie schluckte, ihre Lippen begannen zu zittern.
War es nur ein Kuss gewesen?
ENDE.
Anmerkungen des Autors: Diese Geschichte beinhaltet erneut mehrere Elemente, die sich in vielen meiner Erz\xE4hlungen wiederfinden lassen. Erneut ist die Flucht ein recht zentrales Thema, ebenso wie meine liebste Tierart, der Wolf. Im Grunde lassen sich sehr viele Details sowohl in dieser Geschichte, wie auch in \x82Die Jagd’ wiederfinden. Namentliche \xC4hnlichkeiten mit anderen von mir erschaffenen Figuren, also der Name \x82Dave’ f\xFCr den Hauptcharakter der Geschichte (verglichen mit dem Charakter \x82David’ in meiner Geschichte \x82Die Jagd’), sind mehr oder minder beabsichtigt.
All meine Geschichten, welche sich um das Thema der Flucht drehen, k\xF6nnen dem geneigten Leser aufzeigen, wie sehr sich ein grundlegendes Thema in verschiedensten Arten wiedergeben l\xE4sst.
Alles in allem hoffe ich, dass Sie beim Lesen dieser Geschichte ebenso viel Spa\xDF hatten, wie ich beim Schreiben.
Wenn sie Anmerkungen, Lob oder Tadel haben, so w\xFCrde ich mich \xFCber eine E-Mail sehr freuen.
Meine Mailadresse l\xE4sst sich \xFCber dem Anfang der Geschichte finden.
Vielen Dank f\xFCrs Lesen, Sebastian \x84Rash_Ktah“ Grawan.